Abensberg ist eine Stadt im niederbayerischen Landkreis Kelheim und liegt etwa 30 Kilometer südwestlich von Regensburg, 40 Kilometer östlich von Ingolstadt, 50 Kilometer nordwestlich von Landshut und gut 100 Kilometer nördlich von München… so informiert uns Wikipedia über eine Gemeinde, die von Bürgermeister Dr. Uwe Brandl (CSU) geleitet wird. Als Sehenswürdigkeiten vermeldet Wikipedia vor allem ein Feuersteinbergwerk und ein Stadtmuseum. Was Wikipedia nicht weiß: Abensberg verfügt jetzt über einen wunderbaren, mittelalterlichen Pranger.
Dazu muss man nicht mal nach Niederbayern fahren, denn selbigen kann man sich bei Facebook anschauen. Dort nämlich in den Chronik-Fotos veröffentlicht die Kommune Abensberg das monatliche Blitzerhighlight. Und damit sind keineswegs irgendwelche nackten über Fußballplätze rennenden Irren gemeint, sondern Verkehrsteilnehmer, die den Abensbergern in die Radarfallen gegangen sind. Natürlich sind auf den Bildern Kennzeichen und Kopf des Fahrers unkenntlich gemacht, aber das Fahrzeug selbst ist nicht unschwer zu identifizieren, zumindest wenn man denn aus der Region stammt. Wenn nicht, dann hilft die Beschreibung der Stadt auf die Sprünge: Dieser Audi wurde ebenfalls in der Regensburger Straße mit 96 km/h (zulässig sind 50 km/h) am 25.09.2013 gemessen. Mit einem Bußgeld i.H.v. ca. 250,- € und einem Monat Fahrverbot markiert der Regensburger Fahrer die Spitze der Verkehrsverstöße im September.
Datum und Uhrzeit werden natürlich im Bild mitgeliefert.
Und wozu das Ganze?
Die Stadt Abensberg beginnt eine neue Serie zur Gefahrenprävention. Wir werden ab jetzt jeden Monat das Messungshighlight unserer Geschwindigkeitsüberwachung (datenschutzrechtlich bereinigt) veröffentlichen. Mit dem diese Woche stattfindenden Blitzmarathon machen wir gute Erfahrungen. Bei unseren Messungen in der von-Hazzi-Str. sowie in Offenstetten wurden fast keine Geschwindigkeitsverstöße registriert. Vielen Dank für Ihre Rücksicht!
Die ungebetene und unautorisierte Veröffentlichung betrifft auch einen Zweiradfahrer: Der Motorradfahrer auf dem Bild ist mit 113 km/h am 14.08.2013 in der Regensburger Straße unterwegs. Vorgeschrieben ist hier Tempo 50. Durch die manuelle Auslösung kann der Fahrer ermittelt werden. Ihm drohen nun ein Bußgeld i.H.v. ca. 350,- € und ein zweimonatiges Fahrverbot.
Über öffentliche Pranger hat Czyslansky bereits mehrfach berichtet. Angefangen von Fotos in einem Regensburger Möbelhaus über den Fall Ariane Friedrich bis hin zu Adria Richards. Beispiele dieser öffentlichen, digitalen Anprangerung gibt es mittlerweile zu Hauf – jetzt also machen auch die Kommunen mit, das ist zumindest hierzulande ungewöhnlich.
Das Pikante daran, darauf weist Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem Lawblog ist: Bei den Fotos handelt es sich nicht um Material für die städtische PR-Abteilung, sondern um Beweismittel in Ordnungswidrigkeitenverfahren. . Und da gilt: Diese Dokumente bzw. Beweismittel dürfen nicht veröffentlicht werden, bevor sie in der Hauptverhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Ein Verstoß wird mit Freiheistsstrafe bis zu einem Jahr geahndet (§ 353d StGB).
Da sind Fragen des geltenden Persönlichkeits- und informationellen Selbstbestimmungsrechts noch nicht einmal angesprochen worden, da geht es lediglich um die grundsätzliche Veröffentlichung.
Ähnlich kommentieren einige Facebook-Nutzer zu den Bildern auch dieses Treiben: muß sich deshalb Abensberg auf eine so niedere Stufe begeben? … Ich find´s erbärmlich was sich die Stadt da leistet! kommentiert ein Facebook-Nutzer. Ein anderer ergänzt: Mittelalter in Abensberg. Und an anderer Stelle heißt es: Von mir aus kann die Stadt jeden Tag zig Mal an Schulen, Altersheimen, Innenstadt oder wo auch immer blitzen. Wer zu schnell fährt, der gehört bestraft. Es geht aber gar nicht, Blitzerfotos der entsprechenden „Sünder“ bei Facebook zu posten, auch wenn die Personen und Kennzeichen unkenntlich gemacht wurden. Abensberg ist viel zu klein, dass man nicht rausfinden könnte, um wen es sich dabei handelt. Nächstes Jahr werden dann, polemisch gesagt, vielleicht die schlimmsten Wildpinkler beim Gillamoos auf Facebook gestellt.
Zitieren wir noch einmal Wikipedia, was zugegeben nicht immer die beste Quelle für alles ist: Der Pranger, Schandpfahl oder Kaak war ein Strafwerkzeug in Form einer Säule, eines Holzpfostens oder einer Plattform, an denen ein Bestrafter gefesselt und öffentlich vorgeführt wurde… Die Strafe bestand vor allem in der öffentlichen Schande, welche der Verurteilte zu erdulden hatte und die vielfach ein „normales“ Weiterleben in der Gemeinschaft unmöglich machte oder sehr erschwerte. Auch war der Bestrafte den Schmähungen der Passanten ausgesetzt, die für ihn nicht ungefährlich waren.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn abgesehen von der rein physischen Gewalt gegenüber dem Bestraften beschreibt diese Wiki-Definition auch nichts anderes: Die öffentliche Zurschaustellung eines Delinquenten als abschreckende Wirkung. Nur heißt das eben heute Gefahrenprävention. Und Facebook ist ja bekanntlich für allerlei sonderliches Treiben perfekt instrumentalisierbar…
————————-
PS: Auf der oben verlinkten FB-Seite sind die Bilder gestochen scharf zu sehen. Die angefertigten Screenshot-Zitate haben wir, da wir keine Beweismittel wieder veröffentlichen wollen, entsprechend bearbeitet.
Eine Antwort
Was gibt es denn fürs Fälschen von Beweismitteln? Doch mindestens fünf Jahre, oder. Aber ich verrate dich nicht, lieber L.P. (Name ist der Redaktion bekannt)