Dies ist der erste Text unserer kleinen Serie zum Thema Nett im Netz – Netiquette2014.beta. Weitere Beiträge folgen in loser Reihenfolge. Eine Übersicht über die erschienenen Beiträge finden Sie jeweils am Ende des Textes.
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Was mir übrigens tierisch auf den Senkel geht sind Leute, die sich mit mir befreunden und das als Gelegenheit nutzen, mir Schleichwerbung für ihre Firmen oder Aktivitäten unterzuschieben. Ich werde solche Leute künftig „unfriended“ und ihre Werbeposts sofort löschen – egal, ob ich sie eigentlich gut finde oder nicht! Das ist unerzogenes Benehmen, sonst nichts!!! Vorher fragen, okay?
Diese Zeilen habe ich in vollem Brass auf meine Facebook-Seite knallt, weil mir schon wieder irgendeine Immobilien-Tussi so eine halbseitige Werbeanzeige reingeknallt hat. Das heißt: Sie hat sich erst einmal bedankt dafür, dass ich auf ihre Freundschaftsanfrage reagiert habe. Das ist ja so weit in Ordnung, auch wenn mir ein „Daumen hoch!“ schon genügt hätte.
Das Problem ist die Friends-Inflation, und daran bin ich natürlich selber schuld. Jeder muss ja für sich die Frage beantworten: Wen will ich überhaupt auf Facebook als Freund haben. Oder wie der alte Hermann Kock, Chef der Reisemobilabteilung von Karmann, es in einem meiner früheren Leben so wunderbar von oben herab sagen konnte, wenn er jemandem vorgestellt wurde, der ihm offenbar unsympathisch war: „Muss ich Sie kennen?“
Ich habe neulich die „Schallmauer“ von 1000 FB-Freunden genommen, weil ich mir vor Jahren angewöhnt habe, Anfragen anzunehmen von Leuten, mit denen ich viele Freunde teile. Ich habe keine feste Untergrenze, aber wenn wir 20 oder 30 gemeinsame Bekannte auf Facebook haben, dann kann das doch eigentlich gar kein schlechter Mensch sein, oder?
Kann er doch! Weil meine Freunde offenbar genauso dämlich sind wie ich und einfach irgendwelche dahergelaufenen Fremden befreunden, wahrscheinlich auch nur, weil sie irgendwelche andere Freunde mit der gleichen Nummer dazu gebracht haben, sie anzufreunden, und so weiter.
Wenn ich klug wäre, würde ich jeden einzelnen vorher recherchieren, also am besten anklicken und mich mal auf seiner FB-Seite durchscrollen um zu sehen, was der sonst so von sich gibt. Tue ich nicht, weil ich ein fauler Mensch bin und an das Gute glaube. Selber schuld!
Der oben zitierte Post hat übrigens eine teilweise sehr witzige, auf jeden Fall aber aus meiner Sicht überfällige Diskussion ausgelöst darüber, was man auf Facebook tun darf und was nicht, an der sich auch einige Czyslansky-Freunde beteiligt haben.
Die älteren von uns werden sich noch an die großen „Netiquette“-Diskussionen erinnern, die wir in den 90er Jahren geführt haben. Es muss so ähnlich gewesen sein in den Frühtagen der Französischen Revolution, als jeder, der dabei sein wollte, seine ganz persönliche Version der „droites de l’homme“ zu Papier brachte und man sich überschlug darin, noch gewagtere Definitionen dessen zu liefern, was das natürliche Recht des Menschen sei. Ganz Mutige forderten sogar ein Wahlrecht für Frauen (sacre bleu!).
Auch ich habe damals meinen Katalog von „digitalen Menschenrechten“ verfasst, und ich habe sie neulich mal wieder auf meiner Festplatte gefunden, wo sie den mehrfachen Umzug von Computer zu neuem Computer überlebt haben. Ach, was habe ich damals alles so erträumt! „Netiquette – die Benimmregeln des Internet“, nannte ich die Liste, und ich habe sie unterteilt in Regeln für E-Mail, für „elektronische Kommunikation“ (das war offenbar damals noch etwas anderes als E-Mail, aber ich habe den Unterschied inzwischen vergessen…), für „Anonymous FTP“ und für „Mailing Lists und Diskussionsgruppen“.
E-Mailern habe ich damals ins Stammbuch geschrieben: „Jeder Benutzer ist selbst für Inhalt und Pflege seines elektronischen Briefkastens verantwortlich. Ein paar Tipps: Schauen Sie jeden Tag nach Ihrer elektronischen Post und überschreiten Sie nicht das Ihnen zugeteilte Speichervolumen. Und löschen Sie unerwünschte Nachrichten sofort, da sie nur Speicherplatz blockieren.“ Tja, Festplatten waren teuer, und 20 MB war damals das Höchste der Gefühle, da hieß es haushalten!
Zur elektronischen Kommunikation im Allgemeinen fiel mir damals ein: „Schreiben Sie kurze Absätze und halten Sie Ihre Nachrichten kurz und bündig. Beschränken Sie sich auf ein Thema pro Nachricht.“ Oh, dass man damals auf mich gehört hätte!
FTP war ja früher die einzige Möglichkeit, die wir hatten, Daten von einem Rechner auf den anderen zu schaufeln. „Verschieben Sie größere Downloads, vor allem solche mit einer Größe von über einem Megabyte, möglichst auf die örtlichen Abendstunden sowie auf eine Zeit, in der es beim angerufenen FTP-Server Nacht ist“, habe ich damals geraten – aus gutem Grund. Wer zur Unzeit FTPte, schaute manchmal stundenlang auf den blinkenden Cursor, aber es tat sich nix im Cyberspace! Und da Speicherplatz auf der Festplatte kostbar war (siehe oben), habe ich noch diesen Tipp auf Lager gehabt: „Kopieren Sie heruntergeladene Dateien auf Ihren eigenen Rechner oder auf Disketten, um die Grenzen Ihrer Speicherzuteilung nicht zu überschreiten.“
Das, was heute Facebook ist, waren damals Ende der 90er die „Mailinglists“. Man musste sich kompliziert anmelden mit Kommandozeilen wie <Listname>-REQUEST@<Hostname> oder <Listname-OWNER@Hostname>, und es galt als unhöflich, wenn man in der Gruppe angemeldet blieb, aber nichts hineinschrieb. „Don’t hog the bandwidth“, lautete das Motto. Weshalb ich anderen damals auch riet: „Wenn Sie länger als eine Woche unterwegs sind, melden Sie sich entweder aus der Gruppe ab oder lassen Sie Ihre Mitgliedschaft solange ruhen.“ Das wäre doch eine sehr nützliche neue Facebook-Funktion, finden Sie nicht? Sollten wir denen mal vorschlagen.
Ich habe das damals alles nicht aus purer Besserwisserei aufgeschrieben (okay, auch das…), sondern aus Idealismus. Nur so kann ich mir diesen Satz des jungen Cole erklären: „Sinn und Zweck der Netiquette ist einzig und allein, allen im unübersichtlichen Datendschungel der Netze das Leben und die Kommunizieren zu erleichtern. Da das Internet bis heute auf eine weisungsbefugte Zentralinstanz und verbindliche Vorschriften verzichten konnte, müssen sich alle Beteiligten um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Datenkommunikation kümmern.“
Andererseits lag ich damit vielleicht gar nicht so daneben. Jedenfalls täte es uns allen, die wir uns auf Facebook treffen, ganz gut, wenn wir uns auf ein paar einfache Grundregeln einigen würden. Wir brauchen sie auch gar nicht aufzuschreiben, sondern nur merken. Zum Beispiel: „Poste keine Schleichwerbung auf die Seite eines anderen, ohne ihn vorher gefragt zu haben!“
Ich denke, das Zusammenleben im Social Web wäre damit um einen möglichen Aufreger ärmer, und das wäre gut so.
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Nett im Netz – Netiquette2014.beta
Bisher erschienen:
#01: Muss ich Euch kennen? – von Tim Cole
#02: Papa, Du bist Scheiße – von Lutz Prauser
#03: “Oh … der Chef liest mit …” – von Michael Kausch
#04: Was darf in einer E-Mail stehen – und was nicht – von Tim Cole
#05: Lasst mich mit eurem Scheiss in Ruhe! – von Alexander Broy
#06: Eine Granate namens Hitler – von Lutz Prauser
3 Antworten
1.000 FB Freunde? Könnte ich nicht ertragen…
Als sozial eher minderbefähigter Mensch bin ich erstaunt, es überhaupt auf über 100 FB-Freundschaften gebracht zu haben. Aber ich nehme Freundschaftsanfragen auch nur sehr bedingt an, nämlich wenn:
– Ich die Menschen persönlich kenne und ich etwas mit ihnen zu tun habe(n möchte) oder
– Zumindest sie mir auf FB in einer der Interessensgruppen regelmäßig über den Weg laufen und ich sie da her kenne oder zumindest so den gemeinsamen Nenner erkennen kann
– Sie in keinem beruflich näheren Kontext sie mit mir stehen (falls doch, dann bitte Xing oder LinkedIn aber nicht FB)
Außerdem schmeiße ich rücksichtslos aus meiner TL Leute, die meine Posts kommentieren und dabei pöbelig-witzig sein wollen oder mir entsprechende Bildchen/Texte auf die Pinwand klatschen, die mich nerven. Das betrifft zum Beispiel Fußballangelegenheiten. Da fliegt schon mal einer, der unnötige Schmähposts gegen meinen Verein schreibt, aus meiner Liste ratzfatz raus. Kontakte kappe ich, wenn immer ich das meine, machen zu müssen, in Sekundenschnelle, ohne Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten. So lange ich mich dabei wohl fühle, ist alles gut.
Gern blockiere ich oder schalte ich auch auf stumm, wer hartnäckig Links auf Seiten streut oder Sinnsprüchlein bis zum „Ich-halte-es-nicht-mehr-aus“ weiterteilt. Das betrifft dann aber die Absender, nicht die teilenden FB-Freunde. Egal, ob vegane Ernährung, Weltverbesserlichkeiten, Tierrechtsfaschismus, Anti-Dies und Anti-Das… Ich glaube die Liste der FB-Seiten bzw. Sinnspruchposter, die ich stummgeschaltet habe, dürfte mittlerweile im vierstelligen Bereich sein.
So bleibe ich zwar im unteren quantitativen Freundschafts-Segment, aber auch das ist mir herzlich egal.
Ich habe mir gleich zu Beginn, bei der Anmeldung zu Facebook eine ganz persönliche Social-Media Guideline zurecht gelegt. Die ist nachvollziehbar und transparent. Wen ich persönlich kenne, der darf mein Facebook-Freund sein. Aus basta. Ist manchmal schmerzhaft, aber gerecht und Spam bleibt mir meist erspart. Die meisten Leute sind allerdings inzwischen auf „ignore“ aber das würde ich natürlich niemals zugeben.
Bei mir gelten die gleichen Regeln auf Facebook, auf XING, auf LinkedIn und überall sonst, wo ich entscheiden darf, wer mir folgt: ich muss ihn kennen ODER er arbeitet bei einem meiner Kunden bzw. Partner ODER er kann mir vernünftig erklären, warum er mich interessieren soll. Und ein Bild muss er auch hochgeladen haben. Und wer scheiße aussieht, fliegt raus – oder landet in einer dafür vorgesehenen Ignoranten-Gruppe, die bei meinem Ableben automatisch veröffentlicht wird. Man sollte sich das Anfragen also gut vorher überlegen … 😉