„Oh … der Chef liest mit …“ – Netiquette2014.beta #03

keep-calm-and-follow-netiquetteDies ist der dritte Text unserer kleinen Serie zumThema Nett im Netz – Netiquette2014.beta. Weitere Beiträge folgen in loser Reihenfolge. Eine Übersicht über die erschienenen Beiträge finden Sie jeweils am Ende des Textes.

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FatzebuckJa, in meiner Agentur haben wir uns alle lieb. Wir duzen uns natürlich. Die Hierarchien sind flacher noch, als meine Absätze – obwohl man mir in früheren Jahren schon mal zu höheren Absätzen geraten hat. Und ich meine nicht meinen Steuerberater, der schon mal seine Finger auf Absatzschwierigkeiten gelegt hat, sondern eine frühe Jugendfreundin, die sich immer zu mir bücken musste – Jungs sind ja Spätentwickler, wenn überhaupt.

Und doch stellt sich die Frage, ob man sich als „Boss“, selbst wenn man von seinen Mitarbeitern nicht immer als solcher angesehen wird, und zwar vor allem zumeist dann nicht, wenn man sein Chef-sein mal so richtig raushängen lassen möchte, darf man sich also als Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern und erst recht mit seinen Mitarbeiterinnen  auf Fatzebuck befreunden?

Dies ist eine Frage, die ich mit einem entschiedenem JEIN beantworten möchte:

Chef ist Chef, auch nach diesem Cliffhänger. Und in der flachsten Hierarchie schreit gelegentlich das Schweigen der Lämmer in der Kaffeeküche, wenn der Chef reinkommt. Und das ist auch richtig so. Ein Chef muss nicht alles wissen. Ein Chef macht sich nicht gemein mit seinen Mitarbeitern. Das wäre gemein. Ein Chef freundet sich deshalb auch nicht mit seinem Mitarbeitern an. Nicht auf dem Betriebsausflug und erst recht nicht in Facebook. Der Chef ist ein einsamer Wolf. Manchmal. Dann hört er Tom Waits, trinkt Single Malt und wenn’s ganz dicke kommt zieht er sich eine Aufzeichnung der letzten Club-Spiels rein. Und wenn er seinem besten Freund die ganz Notdürftigkeit des Lebens klagen will, erwidert dieser nur „Du kannst als Boss nicht in die Gewerkschaft gehen zum Weinen“. Und er hat nicht mal recht. Jedenfalls nicht ganz.

Ganz anders aber ist das, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin den Boss zur Facebook-Freundschaft auffordert. Dann stimme er freudig zu, der nette Chef. Die Kollegin weiß schon was sie tut. Jedenfalls sollte man davon ausgehen. Natürlich kann es dann zu interessanten Situationen kommen. Im Kino kommt es ja auch immer zu „interessanten Situationen“ wenn der Chef und die Sekretärin …, also wenn hierarchieüberspringende Sekretausschüttungen … na ja, wenn die Biene mit der Blume und so.

Aber das meine ich gar nicht. Ich meine, wenn zum Beispiel die Kollegin auf Facebook mit einer ihrer Freundinnen über die richtige Work-Life-Balance diskutiert und ich ihr dann in einem schmeichlerischen Kommentar Recht gebe und die völlig irritierte Freundin reagiert mit „Oh der Chef liest hier mit. Ich ruf dich mal an“ und die Kollegin kontert „Der darf das. Der ist ein Guter“ und man sich dann glücklich nach hinten lehnt und eine schöne Zigarre anzündet …

Oder wenn eine äußerst nette Kollegin – das ist schön formuliert: so fühlt sich jede angesprochen und niemand weiß, wen ich meine – wenn also die Kollegin auf Facebook über die großen Probleme mit „Private“ im letzten Jahr sich auslässt und der oberste Kümmerer im Unternehmen, also der Chef, sich schon mal auf das Mitarbeitergespräch vorbereitet, ob man denn im Beruflichen irgendwie auf die Probleme im Privaten einwirken könnte, mehr Zeit, mehr Geld, weniger Stress, und man habe selbst ja auch in schwierigen beruflichen Phasen seine Erfahrungen gemacht, wie sich das auf Partnerschaften auswirke und dieses und jenes … bis die Kollegin schallend lacht und von ihrem Hund namens „Private“ erzählt. Puhhh … da verquicken sich dann Privates und Berufliches, Kümmerndes und Verkümmerndes und dieses und jenes. Das muss man dann abkönnen. Und aus der Gehaltsnummer kommt man dann auch nicht mehr raus.

Also nochmal von vorne: darf sich der Chef mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen befreunden? Nur wenn er eingeladen wird. Und nur wenn er offen, ehrlich, verständnisvoll, sorgsam, tolerant, liebevoll und großzügig ist.

Ich darf das.

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Nett im Netz – Netiquette2014.beta

Bisher erschienen:
#01: Muss ich Euch kennen? – von Tim Cole
#02: Papa, Du bist Scheiße – von Lutz Prauser
#03: “Oh … der Chef liest mit …” – von Michael Kausch
#04: Was darf in einer E-Mail stehen – und was nicht – von Tim Cole
#05: Lasst mich mit eurem Scheiss in Ruhe! – von Alexander Broy
#06: Eine Granate namens Hitler – von Lutz Prauser

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