Gedankenhehlerei Teil 2. Es darf spekuliert werden.

„Wir als Verlag leben vom Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb wollten sie alles tun, um etwaige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Wir bitten alle Twitterer, die einen selbst erfundenen Spruch von sich auf dieser Facebook-Seite entdecken, uns dies mitzuteilen, damit wir den Urheber nennen können oder, falls dieser an einer Veröffentlichung nicht interessiert ist, den Spruch aus dem Manuskript zu entfernen.“

Pressemitteilung des Riva Verlages, so zu lesen 2012 unter anderem auf wwww.boersenblatt.net, der Online-Ausgabe des Börsenblatts, Magazin für den Deutschen Buchhandel.
Mit dieser Pressemeldung trat der Münchner Riva Verlag im September 2012 an die Öffentlichkeit und stoppte die Auslieferung des Buches „Nachts um 3 Uhr klingelte der Nachbar. Mir ist vor Schreck fast die Bohrmaschine aus der Hand gefallen“ von Rolf Hohenhaus. Der Grund: Dem Autor Hohenhaus wurden Plagiate aus dem Internet vorgeworfen…
Erinnert sie das an was?
Richtig:MadyMyDay? MadeByTwitter?

mmd1Es wird immer absurder, darum greifen wir das Thema noch einmal auf.
Wir erinnern uns. Vor einigen Tagen erschien das Buch „Ich brauche einen neuen Wecker. Meiner klingelt immer, während ich schlafe: Sprüche, die dir den Tag retten“ . Seitdem herrscht Aufregung im Twitterland. Dem anonymen Autor wurde vorgeworfen, Tweets zusammengesucht und unter eigenem Namen/Label bei Facebook veröffentlicht zu haben und aus diesem Material nun ein Buch erstellt zu haben. Veröffentlicht wurde es im Münchner Riva Verlag, eben dem, der eigentlich 2012 hätte lernen können, dass Diebstahl von Geistesblitzen in sozialen Netzwerken in selbigen gnadenlos abgestraft wird. Aber, so lässt sich in der mittlerweile veröffentlichten rechtlichen Einschätzung des Anwalts zum Tweetklau nachlesen, steht der Verlag ja auf dem Standpunkt, nichts Unrechtes begangenn zu haben: Legt man die oben ausgeführten Grundlagen auf die üblicherweise bei Twitter veröffentlichen Beiträge an, so ist davon auszugehen, dass der weit überwiegenden Zahl von Tweets – gerade auch wegen der Beschränkung auf 140 Zeichen – wohl kein Urheberrechtsschutz zugebilligt werden kann. Entscheidend ist dabei, dass die Rechtsprechung entsprechend kurzen Sprüchen Urheberrechtsschutz eben nur im Ausnahmefall und nur dann zubilligt, wenn der Urheber mit Hilfe der Auswahl, der Anordnung und der Kombination verschiedener Wörter seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen vermag (vgl. EuGH ZUM 2009, 945 (947) – Infopak/DDF). Allein die Tatsache, dass ein Spruch einen gewissen Witz entfaltet, führt nach der Rechtsprechung jedenfalls nicht zu einem Urheberrechtschutz.

Seitdem hagelt es nicht nur Schelte, Vorwürfe und Häme, seitdem läuft auf der Amazon-Seite auch ein Bewerterkampf, bei dem die wütenden Twitterer mittlerweile über 100 Negativ-Bewertungen eingestellt haben, bzw. Amazon Nutzer motivieren konnten, Selbiges zu tun. Dem stehen derzeit 10 Extrem-Positiv-Bewertungen gegenüber, denen nachgesagt wird, sie stammten aus den eigenen Reihen, also dem Verlag oder diesem zumindest nahestehenden Personen. Auffällig ist: Es gibt nur schwarz (1 Stern) oder weiß (5 Sterne). Es fehlen, wie man es eigentlich erwarten dürfte, Bewertungen von Käufern mit zwei oder drei Sternen, also Leuten, die das Buch „eher so na ja…“ finden. Man kann also fast vermuten, dass noch niemand das Buch bewertet hat um der Bewertung oder des Buches willen, um seine eigene und ehrliche Meinung über die Qualität kund zu tun. Es geht schon lange nicht mehr um das Produkt selbst, wenn dem jemals so war. Es geht um’s Prinzip.
Auffällig auch: Die Negativbewertungen sind nicht von Amazon verifiziert, das heißt: Die Kritiker haben zumindest dort das Buch nicht gekauft, der Tenor ihrer Bewertungen legt das auch nahe. Vermutlich hat es auch keiner überhaupt in der Hand gehabt. Aber da es hier ja wie gesagt um’s Prinzip geht, ist das wohl auch nicht notwendig.
Der harschen Kritik stehen die guten Bewertungen von Käufern gegenüber, die überwiegend von Amazon verifiziert wurden. Wenn diese also fingiert sind, so haben diese Leute das Buch doch zumindest zuvor erwerben müssen.
Absurder und dubioser wird auch die Rolle, die die gemeinnützige Organisation „Ärzte der Welt“ bei dem Ganzen einnimmt. Die Organisation hat, das wirft ihr die Digital-Gemeinde vor, viel zu lange gewartet, sich von dem Buch zu distanzieren. Auf der Seite der Organisation selbst findet man (Stand der Veröffentlichung dieses Beitrags) auch keine offizielle Stellungnahme. Mittlerweile, so kann man zumindest auf Twitter lesen, hat sich Ärzte der Welt“ dann doch von dem Buch distanziert und die Zusammenarbeit mit dem Riva-Verlag beendet. mbt1

Schöner und glaubwürdiger wäre es, wenn „Ärzte der Welt“ hierzu eine etwas umfangreichere Presse-Erklärung veröffentlicht hätten. Das die fehlt, lässt Vermutungen lautwerden, dass diese Organisation selbst Drahtzieher des Ganzen ist. So spekuliert unter anderem die Bloggerin Anke Wernicke. Sie vermutet  sogar, dass das Buch selbst von „Ärzte der Welt“ in Auftrag gegeben wurde, damit die Organisation, von der zuvor kaum jemand irgendetwas gehört hat, Spendengelder generieren kann: „…es gibt in deutschland gemeinnützige organisationen, unterstützt von der bundesregierung, gesponsert von banken, biermarken, fussballvereinen und pharmakonzernen, denen jedes mittel recht ist, um an unser geld zu kommen. man tischt uns eine geschichte auf, die unser herz rühren soll oder lässt ein lustiges buch zusammenklaun. bloss welcher verlag gibt sich für sowas her? mit seriösen verlagen kann man keine schmutzigen geschäfte machen; mit dem rivaverlag schon.“
Ob dem nun so ist oder nicht, sei dahin gestellt. Jedenfalls scheint die Rechnung für „Ärzte der Welt“ zu 100% aufzugehen, auch wenn die Spenden aus den Buchverkäufen jetzt entfallen. Denn den Empfehlungen der Twitterer und Blogger, wenn, dann der Organisation direkt zu spenden, sind nicht auf taube Ohren gefallen. Im Gegenteil. Nach der Devise Jetzt erst Recht solidarisieren sich Twitterer und Blogger mit den Ärzten und machen die Geldbeutel auf, wohl auch in der Absicht, gegenüber MadeMyDay ein Zeichen zu setzen. Und die Ärzte nehmen’s dankbar an. Warum sollten sie auch nicht?mbt2

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
A propos Schelm…
Hat der Riva-Verlag bereits reagiert und den Spendenhinweis von der Amazon-Seite entfernt?
Nein – zumindest nicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes:

mbt3Bleibt die Frage, was eigentlich mit den Büchern und dem netten aufgebrachtem Bapperl unten rechts in der Ecke passiert, jetzt, da diese Spendenaktion geplatzt ist. Müssten die nicht allesamt zurückgezogen werden, denn nun wird ja hier der Verkauf mit etwas beworben, was gar nicht stattfindet? Ist das wettbewerbsrechtlich überhaupt noch zulässig, solche Bücher zu verkaufen?
Es bleibt spannend.

Teil 3 finden Sie hier.

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