Darauf hat die Welt gewartet – oder?
Die Forscher bei IBM haben wie die meisten von uns am Jahresende ganz tief ins Glas geblickt und glauben dort, zumindest in vagen Umrissen, erkannt zu haben, wohin die technologische Reise in Zukunft gehen wird. Herausgekommen ist (wieder einmal) eine seltsame Mischung aus atemberaubender Innovation Ideen und absoluter Banalität. Schauen wir die so genannte 5/5 List“ an – fünf Entwicklungen, die unser Leben in den kommenden fünf Jahren grundlegend verändern werden.
1. 3D-Telepräsenz: IBM hat’s mit den Avataren. Sie haben viel Geld in den Sand von Second Lift gesetzt, aber das hält sie nicht davon ab, immer wieder zu behaupten, dass es wichtig ist, dass der Mensch seinen astralen Leib mitnimmt, wenn er sich auf die digitale Reise macht. „Holography Chat“ nennen es die IBM-Forscher: Beim Meeting sitzen lauter Projektionsbilder um den Tisch herum und unterhalten sich. Ich fände es wichtiger, wenn sie eine Möglichkeit erfinden würde, Meeting überhaupt überflüssig zu machen, aber so weit reicht bei denen wohl die Fantasie nicht. Stattdessen glauben sie, dass Entwickler in Zukunft als Hologramme in ihren eigenen Computermodellen herumspazieren werden, weil ihnen dann viel klarer wird, was sie tun – 3D statt 2D und so.
2. Batterien mit Luftantrieb: Die Energie, die wir zum Betrieb unserer Computer, Smartphones und Spielekonsolen brauchen, werden wir uns in fünf Jahren aus der Luft holen, sagen sie bei IBM. Die Luft, die wir atmen, wird demnach mit Kondensatoren aus energiereichen Metalllegierungen agieren und so viel Strom liefern, wie wir brauchen. Was ist aber, wenn einer reinpustet, nachdem er gerade einen kräftigen Schluck Bommerlunder zu sich genommen hat. Entweder fährt das Nintendo-Rennauto noch schneller – oder ihm fliegt die ganze Batterieanlage um die Ohren.
3. Ein Netz von Datensammlern: Statt wie früher hinaus zu gehen und Proben zu sammeln, werden sich Wissenschaftler laut IBM demnächst Millionen oder gar Milliarden von Sensoren bedienen, die in Handys, Smartphones, Kreditkarten, Laptops oder Autos eingebaut sind und sich nach Bedarf zu riesigen Informationskollektoren zusammen schalten lassen, etwa um flächendeckend Wetterdaten oder Smogwerte einzuholen. Wie nennen wir sowas? Der Begriff „Social Science“ ist als „Gesellschaftslehre bereits besetzt. IBM spricht deshalb von „Citizen Science“ – Bürger als Forschungsreisende. Kriegen wir dann auch alle etwas von den Fördermitteln ab?
4. Maßgeschniederte Nachhausewege: Als mich mein Navisystem kürzlich in Weimar in eine Sachkgasse führte und partout wollte, dass ich trotzdem weiterfahre, habe ich mir dringlichst ein schlaueres System gewünscht. Gesagt, getan, meint IBM: Die nächste Generation von digitalen Wegweisern wird Daten aus vielerlei Quellen holen und zu einem intelligenten Gesamtbild verdichten. Wo wird gerade die Straße aufgebuddelt? Von wann bis wann ist eine Frohleichnamsprozession angesetzt? Die Super-Navis werden uns einzeln und in Echtzeit alternative und individuelle Fahrtrouten vorschlagen, damit wir uns nicht alle auf der gleichen Ausweichroute stauen. Und wenn gar nicht mehr weitergeht, wird uns das System sagen, wann und von wo der nächste Zug abfährt. Das ist Fortschritt!
5. Computer-Abluft als Energiequelle. Ein Computer ist ein kleines Kraftwerk, dass ständig die heiße Luft, die es beim Rechnen erzeugt, hinten rausbläst. In einem Rechenzentrum, wo viele Tausend Rechner zusammenkommen, ist das ein echtes Problem: Erfahrungsgemäß kostet es nochmal so viel, die Luft in den Server-Farmen abzukühlen wie es kostet, die Computer am Laufen zu halten. IBM-Forscher wollen diese Abluft „ernten“ und recyclen, indem sie die Computerchips mit Wasser kühlen und diese durch einen Wärmetauscher jagen. Gähn! Das Leibnitz-Rechenzentrum in Garching bei München heizt längst das ganze Institut mit der Abwärme ihres Supercomputers. Bitte ein bisschen mehr Fantasie, liebe IBMler!
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