Regensburg ist nun nicht gerade die Stadt in Deutschland, die einem als erstes in den Sinn kommt, wenn man gefragt wird, wer wohl hierzulande die Verbrechensstatisik anführt. Einmal im Jahr veröffentlicht das Bundeskriminalamt ein umfassendes Werk über Art und Häufigkeit der polizeilich erfassten Straftaten, über die prozentuale Zu- oder Abnahme im Vergleich zum Vorjahr und wie häufig Kriminalität in welchen Städten vorkommt.
Regensburg findet in dieser Statistik nicht statt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Donaustadt besticht eher durch pittureske Altstadtfassaden, einen behäbigen Strom und eine weltkulturerbliche Steinbrücke, als durch Gesetzesverstöße – ein Provinzidyll.
Der wahre Grund alledings, dass Regensburg nicht auftaucht, ist nicht, dass die Menschen der Oberpfalz besonders gesetzestreu wären. Der Grund ist weitaus banaler. Denn die Statistik zeigt nur Städte mit über 200.000 Einwohnern. Und da ist die Bezirkshauptstadt mit nicht ganz 140.000 Einwohnern einfach zu klein.
Wer jetzt meint, freihändig zu wissen, welche Städte diese Statistik 2011 angeführt haben, mag sich vielleicht schnell eines besseren belehrt fühlen: Berlin ist es nicht, auch nicht Köln. Die beiden Spitzenplätze (gemessen am Verhältnis Straftaten pro Einwohner) gehen an Frankfurt und Düsseldorf. Und das wiederum hat viel mit Wirtschaftskriminalität zu tun, die in den Börsen- und Bankenstädten häufiger zur Anzeige gebracht wird.
Während also an Rhein, Main und Spree schon lange die Gesetzeslosigkeit tobt (denn Berlin ist natürlich unter den Top 5), scheint die Verbrechenswelle mittlerweile auch an der Donau angekommen zu sein. Eben in Regensburg. Und das, obwohl sich Bayerns Innenminister Hermann rühmt, der Freistaat sei das sicherste Pflaster in ganz Deutschland. Felix Schilling allerdings macht da eine ganz andere Erfahrung.
Felix wer?
Felix Schilling. Genau.
Den müssen Sie nicht kennen, werte Czsylansky-Leser. Herr Schilling ist Inhaber des Fachgeschäfts Corvus Wohnitäten, also eines Ladens, in dem Steh-Rümmchen, Unnützitäten, Staubfänger und anderer den Wohnraum verzierender Nippes angeboten wird.
Während man auf der betriebseigenen Internetseite nur spärliche Informationen erhält, ist Inhaber Schilling gerade bei Facebook besonders umtriebig: Dort nämlich präsentiert er nicht nur die Ware, die neu ins Sortiment gekommen sind. Vielmehr hat er zeitweilig veröffentlicht, welche Ware aus dem Bestand verschwunden ist – uns zwar durch Ladendiebstahl. Das nennt er „Klau.TV“.
Auf Facebook veröffentlichte Schilling eine zeitlang Videoaufzeichnungen von Ladendiebstählen und rief dazu auf, man möge ihm den Namen der dort gezeigten Personen mitteilen, sofern man sie erkenne. Einzelbilder der Kamera wurden ins Schaufenster gehängt.
Der Schaden, der ihm jedes Jahr durch Diebstähle entstehe sei groß genug und heute wegen Ladendiebstahls Anzeige zu erstatten, wenn man nicht Name und Adresse des Täters habe, bringe nichts, so teilt Schilling dem Regensburger Portal regensburg-digital.de mit. „Das kostet den Steuerzahler nur Zeit und Geld.“
Von der Veröffentlichung der Bilder versprach Schilling sich einen deutlichen Rückgang der Diebstähle. Sein Vorgehen, das mittlerweile in der Netzgemeinde intensiv diskutiert wird, habe Schilling mit seinem Anwalt abgeklärt. Juristisch sieht er keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der dargestellten Personen, auch nicht die der in den Videos gezeigten anderen unbescholtenen Kunden. Die seien schließlich frei in der Entscheidung, seinen Laden zu betreten oder nicht.
So ganz einfach aber, wie Schilling sich das gedacht hat, funktioniert das nicht. Die ortsansässige Polizei sieht die Sache kritisch, der Sprecher betonte in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, Strafverfolgung sei immer noch Aufgabe der Polizei.
Auch die Netz-User stehen der Aktion zwiegespalten gegenüber. Zustimmung auf der einen Seite, aber auch viele kritische Kommentare und vor allem auf Regensburg-Digital auf der anderen Seite. Es gibt nicht wenige, die Schilling deutlich gesagt haben, auf weitere Einkäufe in Corvus-Wohnwelten in Zukunft zu verzichten.
Das Thema nimmt Fahrt auf seit die Presse aufmerksam geworden ist. Schilling hat reagiert und die Videos mittlerweile aus dem Netz genommen. Er kündigt aber an, sie umgehend wieder hochzuladen, sobald er die technische Möglichkeit hat, unbeteiligte Kunden zu verpixeln. Im Schaufensteraushang kann ja so lange Kollege „Edding“ helfen, Gesichter Dritter zu schwärzen.
Bleibt abzuwarten, ob das Beispiel Schule macht und wann sich erstmals Gerichte damit beschäftigen müssen, wenn unbeteiligte Kunden gegen die Veröffentlichung ihrer Bilder im Netz oder im Schaufenster vor Gericht gehen oder gar ein Ladendieb Gegenanzeige erstattet. Oder wenn Kunden vielleicht selbst eines Diebstahls angeprangert werden, weil sie eine Ware aus dem Regal genommen und dabei gefilmt wurden, die Ware aber nicht kaufen und vielleicht an einem anderen Ort im Laden wieder abstellen. Dann sieht’s nämlich ganz wie Diebstahl aus. Ist dann mal ein Foto im Regensburger Schaufenster oder ein Clip im Facebook, dann kann schnell eine Klage wegen übler Nachrede daraus erwachsen.
Und was wird dann, Herr Schilling?
2 Antworten
Man kann von Herrn Schillings Aktion halten, was man will, aber in einem hat er natürlich recht: Wenn man der Polizei nicht Namen, Adresse und idealerweise auch noch die Zeiten übermittelt, wann der Delinquent zuhause anzutreffen ist, wird sie meist nicht tätig, wenn es nicht gerade um Mord und Totschlag geht. Begründung: Nicht Faulheit, sondern Personalnotstand. Vermutlich zahlen wir zu schlecht für unsere Polizei.
Ich wüsste offengestanden nicht, was ich Herrn Schilling raten würde. Vermutlich irgendwas mit RFID … aber da ist der Ärger mit den Datenschützern vorprogrammiert.