Es gibt ja so viele gute Gründe, nett Essen zu gehen. Und mit nett meine ich jetzt nicht das vernichtende nett im Sinne von:
– „Wie war der Abend?“
– „Nett“.

Denn das weiß jede: Nett ist, so ausgesprochen, der kleine Bruder von Scheiße. Zumindest aber ist es ein qualitativ bewertendes Adjektiv, das in den seltensten Fällen angebracht ist. So zum Bespiel gingen wir vor Kurzem zwei Ehepaaren auf dem Weg zur U-Bahn hinterher. Gemeinsam kamen wir aus dem Herkulessaal in der Münchner Resisenz, hatten ein großartiges Konzert gehört, das Mariss Jansons dirigiert hatte: Schostakowitsch, Prokovjev und Strawinsky. Zugegeben – nicht jedermanns Geschmack, nicht mal Klassikliebhaber müssen sich zwingend für diese etwas kantigere Musik begeistern. Es soll ja Leute geben, die schwelgen in Beethoven, lassen sich von Mozart umspülen aber lehnen alles, was moderner als Gustav Mahler ist, einfach ab. Bitteschön, sollen sie.

Die beiden Ehepaare vor uns – auch Konzertbesucher – unterhielten sich angeregt. Als aber der eine ältere Herr zu dem anderen Ehepaar sagte: „War doch ganz nett, oder?“ hätte ich ihm am liebsten in den A…h getreten.
Geht’s noch?
Ganz nett?
Was für eine unqualifizierte Bemerkung, was für eine Ignoranz, was für eine hinterweltlerische Dummheit mitten in der Großstadt. Schostakowitschs Symphonien sind ebensowenig nett wie Prokovjevs oder Strawinskys Ballett-Musik. Nett sind AndreaBocelli, Andre Rieu, Paul Potts oder David Garrett – um nicht zu sagen: ganz nett – also scheiße. Aber bitte nicht Mariss Jansons.
Manchmal ist man von echten Banausen umgeben.

Nicht so, wenn die Freunde Czyslanskys ihre Konklave abhalten. Dann ist der Abend alles andere als banausenhaft.
Man sitzt beieinander, plaudert angeregt, trinkt einen guten Schluck und erfreut sich bester Laune. Das Themenspektrum spannt sich von Frank Schirrmacher, an dessen neuestem Buch sich Christoph Witte gerade versucht, bis zur Lyrik von Peter Paul Althaus, die Tim Cole, der – wer hätte das gedacht – auch mal ein Skatturnier gewonnen hat, auswendig zu rezitieren weiß.

Man wird von der Wahl des neuen Papstes kurz unterbrochen, sinniert darüber, warum der Stuhl Petri so heißt, löst die Frage per Google und Wikipedia und lauscht bei Gefillte Fisch und dem besten Wiener Schnitzel Münchens dem einen oder anderen jüdischen Witz, über den Kollege Michael Kausch hier bereits geschrieben hat.

Hin und wieder zückt einer sein Smartphone um dem Gesprächsfluss die richtige Richtung zu weisen. Denn man hat ja soo viel vergessen mit den Jahren. Wir alle, außer Alexander Broy, werden ja nicht jünger. Schnelles Googlen hilft weiter. Und manchmal erlöst es die Besserwisser von der Sorge, sich trotz des besseren Wissens argumentativ nicht durchsetzen zu können. Dann ist ein schneller Blick auf das Display der Beweis der Stunde – sofern man denn Netz hat. Kurz: Ein netter Abend.
Die Speisekarte wird gereicht. Man wählt eine Köstlichkeit, verweigert sich dem Nachbarn und Mitbruder, die Vorspeisen zu teilen und dann könnte man eigentlich wieder zum Thema übergehen.
Wenn nicht…
Ja wenn nicht was…

Plötzlich hat Sebastian von Bomhard einen wunderbaren Lapsus in der Speisekarte entdeckt:
speisekarte

Wir alle zücken unsere Smartphones, dokumentieren das für alle Ewigkeit und nehmen uns vor, es bei passender Gelegenheit in einem Blogeintrag zu thematisieren. Nun, das sei hiermit geschehen.

Und nein, wir haben nicht den netten Kellner nach der Tagesspuppe (die man natürlich nicht mit zwei „s“ schreibt) gefragt. Das war uns dann doch zu peinlich. Und wie bereits erwähnt: Wir werden alle nicht jünger.

Gegessen haben wir gut, jeder von seinem eigenen Teller.  Und der Abend war auch so ganz nett…

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