Er hat es wieder getan. Mein langjähriger Freund und Mitgründer dieses Czyslansky-Blogs Tim Cole hat ein neues Buch geschrieben. Und dieses Mal ist es ein Western. Na ja, fast. Eigentlich geht es um das, um was es immer bei ihm geht: um uns und unsere Zukunft im und mit dem Internet. Dieses Mal aber zieht er große Parallelen zwischen dem World Wide Web und dem Wilden Westen. Ein W5-Buch sozusagen. Es geht um Macht und um Macher, um digitale Revolver- und andere Helden. Es geht ums Ganze.
Am 5. November 2018 um 11:00 Uhr wird er sein Buch im Münchner PresseClub (Marienplatz 22/IV, Eingang Rindermarkt) vorstellen.
Falls Sie sich mit ihm duellieren wollen, sollten Sie dabei sein und mit ihm diskutieren. Ich werde mir die Chance nicht entgehen lassen. Aber Vorsicht: er zieht schnell.
Schon vor der Buchvorstellung gibt es (m)eine kleine Buchbesprechung von mir: Zur Buchbesprechung Tim Cole Wild Wild Web.
Zur Einstimmung hat er mir einen kleinen Text geschickt, den ich nur ein klein wenig überarbeitet hier wiedergebe: eine Art Klappentext für die große Klappe:
Wer will denn schon im Wilden Westen leben?
Was haben der Wilde Westen von damals und das Internet von heute gemeinsam? Der Deutsch-Amerikaner Tim Cole, Experte für alle Themen rund um das Internet und Blogger der ersten Stunde, führt uns zurück in den amerikanischen Wilden Westen, der geprägt war von Gesetzlosigkeit und dem Recht des Stärkeren. Er zieht eine Parallele zum Aufstieg der Räuberbarone im sogenannten „Blattgold-Zeitalter des 19. Jahrhunderts“ – zu den Rockefellers, Vanderbilts, Carnegies und Morgans und vergleicht sie mit den „modernen Räuberbaronen“ des Digitalzeitalters, also mit Leuten wie Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Larry Page, Bill Gates und „dem größten Räuberbaron von allen“ Steve Jobs.
Die großen Monopole am Ausgang des Wilden Westens mussten mühsam eingebremst und zerschlagen werden – und diese Aufgabe steht uns – laut Tim Cole – im Zeitalter des World Wide Web noch bevor. GAFA – Google, Amazon, Facebook und Apple – haben eine Machtfülle um sich versammelt, die unsere Gesellschaft in eine gefährliche Schieflage bringt. Noch nie in der Geschichte lag so viel Geld und Einfluss in den Händen so weniger einflussreicher Geschäftsmänner – und es sind alles Männer! – die mit ihren Apps und Anwendungen das Leben der Menschen unter ihre Kontrolle bringen wollen und die sich hemmungslos an unseren Daten bedienen, um damit geradezu obszöne Gewinne zu scheffeln.
Im Wild Wild Web gilt heute das Gesetz des Stärkeren genauso wie damals im Wilden Westen. Statt der Browning regiert heute der Browser, statt der Eisenbahn sagt uns Google, wohin die Reise gehen soll.
Amazon will nicht nur Bücher verkaufen, sondern alles – und nebenbei die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren, von der Herstellung über den Handel bis zum Inkasso und der Auslieferung. Alles liegt in der mächtigen Hand von Jeff Bezos, die überall im Spiel ist und die eine Macht in sich ballt, die einzigartig ist.
So wie John D. Rockefeller und Standard Oil einst Lampen nach China verschenkten, um die Leute wie Drogenhändler für ihr Öl anzufixen, dreht uns Apple iPhones an und macht uns damit süchtig nach Apps und Anwendungen, von denen wir die meisten gar nicht brauchen und die uns nur unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit stehlen.
Es wird Zeit, die Macht der „Big Four“ zu brechen.
Das wird ein hartes Stück Arbeit werden. Wir müssen unser Rechtssystem ans digitale Zeitalter anpassen. Aber Regulation ist nicht die einzige Antwort auf die Übermacht von GAFA. Die Digitalindustrie muss selbst den Scherbenhaufen aufsammeln, den sie mit Datenklau und Datenmissbrauch angerichtet hat und Wege finden, sich selbst zu regulieren. Dazu müssen wir alle – die Netizens der digitalen Gesellschaft – den Druck auf GAFA erhöhen und dafür sorgen, dass sie ihre Macht und ihre Technologie nicht nur dazu verwenden, gierig Geld zusammenzuraffen, sondern ihren angemessenen Beitrag zu Wachstum und Wohlstand aller beitragen.
Vor allem müssen wir uns selbst klar werden, in welcher Welt wir leben wollen und ganz schnell die Weichen stellen, bevor es zu spät ist. Das wird nicht ohne eine neue Vorstellung davon abgehen, was in einer Welt, die von Digitaltechnik geprägt ist, als anständig und moralisch gelten soll. Wir brauchen eine Ethik für das Digitalzeitalter, denn im Gegensatz zu Technologie braucht die Gesellschaft ethische Leitlinien, wenn sie funktionieren soll.
Das Buch endet mit dem Aufruf, sich der Macht von GAFA und den anderen Technologiekonzernen in den Weg zu stehen – notfalls, indem wir auf die Straße gehen und unser Recht auf eine gerechte Zukunft einfordern – so wie wir die Parlamentarier auf beiden Seiten des Atlantik im Juli 2012 durch unsere Massenproteste gezwungen haben ACTA ad acta zu legen und die Rechte der digitalen Bürger zu stärken.
Für Europa sieht Cole heute eine Führungsrolle im Kampf gegen den digitalen Datenmissbrauch. Um die viel geschmähte Datenschutz-Grundverordnung – so dilettantisch sie zustande gekommen sein mag – beneiden uns heute viele, besonders in der Heimat des Wilden Westens.
Tim Cole und seine digitale Bande
Tim Cole ist kein einsamer Rächer der Enterbten. Ihm zu Seite stehen in diesem Buch namhafte Gastautoren, die sich mit ihrem Sachverstand eingebracht haben und Wege in eine bessere digitale Zukunft aufzeigen, zum Beispiel
- BDI-Präsident Prof. Dieter Kempf, der eine neue digitale Ethik und neue Umgangsformen im Web einfordert
- der FDP-MdB und ehemalige Daimler- und Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger, wie Tim Cole in den Sechzigern Mitglied der APO
- Dr. Heinrich Arnold, CEO von Detecon International, einer führenden Management- und Technologieberatung „Made in Germany“, der für einen eigenständigen europäischen Weg in die digitale Zukunft plädiert
- und der renommierte Grazer Nationalökonom Prof. Heinz D. Kurz, der dazu aufruft, die Macht der Tech-Giganten zu brechen, um die wirtschaftliche Effizient und politische Stabilität unserer Gesellschaft langfristig zu sichern.
Sie alle wollen nicht im Wilden Westen leben, sondern in einer digitalen Welt, in der es sich zu leben lohnt, oder, um im Bild zu bleiben, „in der freie Männer noch ein freies Leben führen können“. Und Frauen schon gleich gar.