Business as usual, also, bei NSA & Co. Barack Obama hat, wie kaum anders zu erwarten, die Praktiken seiner Datenschnüffler verteidigt und versprochen, weiterhin weltweit Telefone und E-Mails abhören zu lassen, wann immer es den Amerikanern in den Kram passt. Warum er das weiterhin tun will, hat er auch, wie in der New York Times zu lesen stand, mit entwaffnender Ehrlichkeit verraten: Weil er’s kann! O-Ton:
„The power of new technologies means that there are fewer and fewer technical constraints on what we can do.“
Dass man vielleicht den einen oder anderen Zügel („curbs“) anlegen müsse, sei richtig, aber dafür seien andere – der Congress, die Geheimdienste selber – zuständig: Sollen die es doch bitteschön untereinander austragen.
Und dann sagte Obama etwas, das im Grundrauschen der Empörung der Nichtamerikaner beinahe untergangen ist:
“When you cut through the noise, what’s really at stake is how we remain true to who we are in a world that is remaking itself at dizzying speed.”
Und da hat er ja sowas von Recht! Wir sind gerade dabei, unsere Welt von Grund auf umzuformen. Wie Ossi und ich in unserem Buch „Digitale Aufklärung“ und dann nochmal hier auf dem Czyslansky-Blog gleich in der allerersten These gesagt haben:
„Alles, was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert. Alles, was sich vernetzten lässt, wird vernetzt. Und das verändert alles!“
Wir können also noch so sehr lamentieren und mit dem Zeigefinger nach Fort Mead deuten: Wer die Mittel besitzt, die weltweite Kommunikation zu belauschen, der wird es auch tun. Die Amis machen es nur besser als die anderen, und das ärgert die.
Wenn es jemanden stört, dass Big Brother seine E-Post mitliest, hat genau zwei Möglichkeiten: Er kann sich entweder an den Gedanken gewöhnen, oder er kann aktive Gegenmaßnahmen ergreifen. Wobei Alternative zwei vielleicht am Ende auch nur der eigenen Beruhigung dienen wird, denn der Einsatz von Chiffriersoftware, zumindest wenn sie aus den USA stammt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach eher sinnlos, weil die NSA natürlich einen Nachschlüssel besitzt. Und wenn die wirklich wollen, dann können sie unsere Computer auch aus der Ferne ausspähen, selbst wenn sie nicht ans Internet angeschlossen sind.
Wie gesagt: Sie können es halt besser als die anderen.
Die werden natürlich mit der Zeit nachziehen, und wenn in ein paar Jahren jeder seine eigene Spionage-Drohne bei Conrad kaufen kann, ist es sowieso aus mit der Privatheit.
Die Frage ist also nicht, ob wir das wollen oder nicht, und auch nicht, ob wir es verhindern können oder nicht. Wir sollten lieber darüber reden, wie wir mit dieser Veränderung unserer Wirklichkeit umgehen wollen, ob wir uns davon schalu machen lassen wollen oder ob wir es nicht einfach als gegeben hinnehmen müssen. Und jetzt sage bitte keiner: „Der Cole ist dafür, dass alles abgehört wird.“ Der Cole hat da gar nichts zu sagen, und alle anderen auch nicht.
Es geht auch nicht darum, jetzt alle Viere von uns zu strecken und willig an die digitale Schlachtbank führen zu lassen. Genauso wenig wie Sascha Lobos plötzlicher Defätismus uns einen Schritt weiter bringt (höchstens einen Schritt zurück in die Resignation!). Klar müssen wir alle demokratischen Stränge ziehen, um einen Rest von Aufsicht sicherzustellen und wenigstens die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Dafür wählen wir schließlich Politiker in die Parlamente; dann müssen wir eben die richtigen wählen. Wenn es überhaupt welche gibt.
Aber Hand aufs Herz: Wenn uns das Ganze wirklich so wichtig wäre, dann hätten wir doch längst schon etwas gemacht, oder? Jedes Volk bekommt in einer Demokratie die Volksvertreter, die es verdient. Und diejenigen, die heute am Ruder sind, wissen ganz genau, dass uns die Abhörerei eigentlich am Arsch vorbei geht. Sonst wären wir schon längst auf die Straße gegangen.
Obama hat ein feines Gespür für das, was seine Wähler wollen. Und er hat am Freitag zu ihnen gesprochen, nicht zu uns hier in Europa. Nur, weil wir in ihm anfangs eine Lichtgestalt gesehen und ihm vorschnell den Nobelpreis verpasst haben, ist er nicht auf einmal Präsident der ganzen Welt geworden, sondern bleibt der Präsident Amerikas. Und die können es eben besser als die anderen – das Abhören. Und deshalb tun sie’s auch und werden es weiterhin tun. Das hat er jetzt nur etwas deutlicher gesagt als früher. Neu ist es nicht. Immerhin war es ja sein Wahlspruch:
„Yes we can!“
Er hat uns also rechtzeitig gewarnt…