Ihr werdet noch Augen machen!
Die Welt durch andere Augen sehen – diesen uralten Menschheitstraum will uns der Suchmaschinenriese Google künftig mit einer besonderen Brille erfüllen: „Google Glasses“ nennt sich ein Forschungsprojekt, das aus dem SciFi-Thema „Augmented Realtity“ endlich ein Alltagsprodukt werden lassen soll. Über eine kleine Kamera, die auf dem Rahmen einer normalen Sonnenbrille sitzt, lassen sich computergenerierte Informationen direkt in die Retina projezieren.
Ein YouTube-Filmchen, das die angeblichen Vorzüge der neuen Wunder-Brille demonstriert, wurde binnen etwas mehr als einer Woche schon über 80.000 Mal heruntergeladen. Ein junger Mann gießt sich Kaffee ein, schaut aus dem Fenster und bekommt die aktuellen Wetteraussichten eingeblendet. Er beißt in ein Frühstücksbrötchen, und schon poppt das Gesicht eines Freundes vor seinem Blickfeld auf, der fragt, ob man sich nicht vielleicht treffen will. Er geht zur U-Bahn, aber ein virtuelles Warnschild informiert ihn darüber, dass heute leider keine Züge fahren. Stattdessen blendet die Brille einen Routenplaner ein, der ihm den Fußweg zu seinem Ziel weist. Lauter nette, nützlich Infos, die das Leben erleichtern, und das ganz ohne Laptop oder Smartphone – ja sogar ohne eigenes Zutun. Der Mensch badet sozusagen in einem Meer von Informationen, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgen. Das Ganze endet auf dem Dach eines Hochhauses, wo der junge Mann seiner Angebeteten ein Ständchen auf der Ukulele spielt und dabei in einen wunderschönen Sonnenaufgang blickt. Was für eine schöne neue Welt…
Was ich aber am schönsten fand war die Reaktion der Netzgemeinde.
Sie sorgte nämlich dafür, dass binnen weniger Stunden ein ganzer Schwarm von Parodien ebenfalls auf YouTube hochpoppten. Ein gewisser LeeJdotJohn hinterließ folgende mögliche Fortsetzung des Drehbuchs unter dem Video:
2:00 „Goggles, I’m going to jump…“
Goggles: „Don’t do it Dave…“
Dave: „Life is so confusing!“ (jumps)
Goggles: Distance to ground: 13m…12m…11m…
Dave: „Thanks Goggles“
Unter dem Titel “ADmented Reality by Google” hinterließ ein gewisser redchillymasala ein Video, das auf die potentiell gefährlichen Nebenwirkungen der Brille hinweist, nämlich die Ablenkung im Straßenverkehr: Der Träger prallt ständig gegen irgendwelche Straßenlaternen und stößt dauernd mit anderen Passanten zusammen – sehr witzig gemacht!
In einem Video von LessFilms unter dem Titel „Cheating Wife Parody“ fragt sich der Brillenträger: „Wo ist wohl meine Frau jetzt?“ Ein Stadtplan von GoogleMaps wird eingeblendet, der den aktuellen Standort der besseren Hälfte anzeigt. Nächste Frage: „Wo ist wohl mein Freund Steve gerade?“ Google findet ihn – peinlicherweise genau neben der Ehefrau. „He’s going to die!“, brüllt der Brillenträger, springt hoch und rennt los. Er trifft die beiden engumschlungen auf der Straße. In der letzten Kameraeinstellung sieht man, wie sich die Hände des Bebrillten um den Hals des Nebenbuhlers schließen und zu würgen beginnen…
Ja, man kann eine Menge Spaß mit Google Glasses haben. Immer vorausgesetzt, man trägt sie nicht selber, sondern betrachtet die Welt durch die Augen jener Unglücklichen, die sie wirklich anhaben…
Eine Antwort
Hier, lieber Tim, spottet ganz und gar nicht der Richtige! Hast Du nicht stolz nach dem Marathonlaufen von der Smartphone-App erzählt, bei der man Twittern kann und gleichzeitig durch den Twitterscreen noch die Strasse sieht, damit man nicht den Vordermann umrennt? Nachdem es Dir ja nicht mehr zeitgemäß erschien, die kompletten knapp 2 Stunden oder was Du grad so wieder an Ehrfurchtszeiten läufst, zu rennen ohne zu twittern! Um wie viel einfacher wird nun die Welt dank Google Goggles!
Wer aber nun glaubt, das Handy wegwerfen zu können, der irrt: Die Googletechnik ist nicht standalone, sie setzt auf ein mitgeschlepptes CPÜchen auf. Wir wollen ja nicht, daß der Brillenbügel so dick wird wie ein Oberschenkelknochen…