Langsam hat es sich auch bis in die letzten Winkeln der Marketingabteilung herumgesprochen, dass die Tage der Gießkannenwerbung vorbei sind. Schließlich hat uns Amazon ja schon vor Jahren gezeigt, wie man mit Hilfe von Profilmarketing, kollaborativen Filtersystemen, Business Intelligence und CRM die totale Konsumententransparenz schaffen und dem Kunden vorauseilend alle Wünsche von den Augen ablesen kann. Ja, hier und dort erhebt noch eine Kulturpessimist müde die Stimme und beklagt den „gläsernen Verbraucher“, aber wir Insider wissen doch schon längst, wohin die Reise geht: „Jeder Kunde ist eine Zielgruppe“, so lautet die Losung in der Welt von Web 2.0 und „Personal Marketing“.
Doch halt! Kann es sein, dass wir mit der Personalisierung übers Ziel hinausgeschossen sind? Es gibt heute Online-Shops, in denen weiblichen Besuchern nur Frauenkleider zu sehen bekommen. Klingt doch einleuchtend, oder? Verschone mich mit Dingen, die mich nicht interessieren und biete mir nur noch Sachen, auf die ich ohnehin scharf bin, dann rollt der Rubel, so das Kalkül.
In Amerika verwendet mehr als die Hälfte aller Webhändler bereits Personalisierungssysteme von Anbietern wie MyBuys, RichRelevance, Monetate oder PredictiveInntent um ihre Kundendaten zu analysieren und in Segmente aufzuteilen. „Hypercustomization“ heißt das Stichwort – aber immer häufiger geht der Schuss nach hinten los. Es stellt sich nämlich heraus, dass manche Frauen gerne Männerhemden kaufen. Oder sie suchen online etwas für den holden Göttergatten. Wenn sie nur Weiberfummel zu sehen bekommen, sind sie frustriert und brechen ab.
Mein Freund Doc Searls, einer der Autoren des „Cluetrain-Mainfests“, der Bibel des Online-Marketing, stellt in seinem neuesten Buch „The Intention Economy“ das Gesetz von Angebot und Nachfrage auf den Kopf wenn er sagt: „Es geht nicht mehr darum, die Aufmerksamkeit des Kunden auf si ch zu ziehen, sondern darum, vorauseilend zu erahnen, was er morgen haben will.“
Ich denke, wer Personalisierung durch den Rückspiegel betreibt, macht den gleichen Fehler wie einer, der zur guten, alten Gießkanne greift: Er hat nicht verstanden, was der Kunde wirklich will – nämlich als Person – und als Persönlichkeit – ernst genommen und bedient werden. Daran hat sich auch im Online-Zeitalter nichts geändert.