Das Bild einer Frau war auf dem Webserver ihres Arbeitgebers abgelegt. Dort wurde es von einer Personensuchmaschine gefunden und bei entsprechenden Suchen als Ergebnis präsentiert. Die Frau hatte ihrem Arbeitgeber die Erlaubnis gegeben, das Bild zu zeigen, aber nicht der Suchmaschine. Daher wollte sie von der Suchmaschine Geld sehen. Entschädigung.
Das Landgericht Hamburg hat am 15.06.2010 ein Urteil gesprochen (Az.: 325 O 448/09). Weise Entscheidung: Wenn die Frau gewonnen hätte, wäre es bald dunkel bei den Bilder- und Personensuchmaschinen. Es mußte nicht geprüft werden, ob die Frau verlangen konnte, dass die Suchmaschine ihr Bild unterdrückt – das hatten die Betreiber bereits erledigt. Aber darum ging es der Frau wohl nicht, sie wollte ja Geld für die Vergangenheit.
Klare Sache also, vor allem im Licht der aktuellen höchstrichterlichen Entscheidung zum Thema (BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 69/08). Detail am Rande: Die Klägerin brachte vor, daß sie zwar wisse, dass man ganz einfach technisch verhindern könne, daß Suchmaschinen einen Server durchsuchen, aber es sei ja nicht ihr Server. Das war eine Finte, denn sie mußte ja nur ihren Arbeitgeber darum bitten und bei Verweigerung ihre Erlaubnis zur Veröffentlichung zurückziehen. Das Interessante daran: Eine Argumentation, das böse böse Internet sei so kompliziert, da könne man als Laie keinen Einfluß nehmen, wurde nicht einmal versucht.
Wie geht man vor? Der blutige Laie greift zu Google, fragt „Suchmaschinen“ und „aussperren“ und erhält sofort übersichtlich jede Menge Erklärungen und Hinweise und lernt spätestens jetzt die Datei robots.txt kennen. Und daß man suchen kann, darf heute vorausgesetzt werden. Und selbst die Klägerin räumt durch ihre Argumentation ein:
Das ist heute also bereits Allgemeinbildung.
Ich denke, da wird dem Laien doch mehr Technikkompetenz abverlangt, als er oder sie normalerweise zu leisten vermag. Ich selbst (rudimentäre HTML-Kenntnisse, mehr als 20 Jahre Internet-Erfahrung) habe es bis heute nicht geschafft, „robot.txt“ auf meiner Website vernünftig zu implementieren. Ich WILL ja, dass die Roboter mich finden, ich WÜRDE nur ganz gerne granular entscheiden, was sie weitermelden dürfen und was nicht. Ich bin vor dieser Aufgabe kapituliert.
Die Alternative heißt: aufgeben! Sich damit abfinden, dass künftig im Zweifel alles über mich bekannt ist, respektive googlebar ist. Das bedeutet im Edeffekt: alle sind nackt. Aber Nacktheit ist an sich ja nichts Schlimmes, erst recht nicht, wenn alle um mich herum auch nackt sind. Gehe einfach mal um diese Jahreszeit mal an die Isar und lege dich dort in Badehose hin. Du bist schlicht overdressed!
Übertragen auf den alten Traum der Libertinäre, zu denen ich mich gerne zähle, heißt das: Information ist ein Menschenrecht. Wer sie unterdrückt oder geheim hält, macht sich schuldig. Ein schöner Traum, der aber nur funktioniert, wenn er für alle gilt, beispielsweise auch für den Staat. Keine Staatsgeheimnisse mehr! Die Polizei muss mir jederzeit sagen, was sie über mich alles an Daten gesammelt hat, aber auch über jeden anderen.
Die einen werden jetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen und vom Zusammenbruch der Gesellschaft reden, vom aufziehenden Informations-Chaos. Andere, Nachdenklichere, werden vielleicht sagen: Man muss sich nur daran gewöhnen, dann fällt es einem gar nicht mehr auf. So, wie ich nach zehn Minuten am Isarstrand gar nicht mehr merke, dass ich nichts anhabe…
Ui ui. Da juckt es mich in den Fingern 🙂
1. In einer Zeit, wo man Stunden im Internet verbringt, bevor man zu einem Arzt geht, um dann dort mit einer mittleren Facharztausbildung aufzutrumpfen („Was macht Sie so sicher, dass es nicht Lupus ist? Ich würde Steroide geben“), ist es jedem, den es ernsthaft interessiert, auch möglich, den Zugriff auf seine Seiten für Suchmaschinen zu sperren.
2. Die Granularität ist Dein Wunsch, wird aber von den Suchmaschinen nicht geschuldet. Die Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen, gilt nur ganz oder gar nicht. Genauso könntest Du Deine Bilder veröffentlichen und verlangen, dass sie jeder nehmen darf, es darf nur keine Bierwerbung auf der selben Webseite erscheinen. Vorstellbar ist, dass jemand klagt, der daraufhin eben nicht mehr erscheint, ob mit oder ohne Bierwerbung, aber ich schätze, er verliert.
3. Was eine Information ist, die im selben Zusammenhang wie Menschenrechte genannt werden darf, ist ein spannendes Thema für ein separates Czyslansky-Seminar. Beispiel: Meine private Telephonnummer steht nicht im Telephonbuch – das hat mir so manchen lästigen Telephonverkäufer von Leib gehalten. Unterdrücke ich eine Information, auf die die Menschheit ein Recht hätte? Das kannst Du nicht wirklich meinen 🙂
4. Und wenn wir davon reden: Darf ich verlangen, dass die Telephonauskunft meine Nummer ausschließlich an meine Freude weitergibt und nicht an die anderen? (Granularität). Ok, das war nicht fair, also verlange ich, dass nur die ersten 5 Ziffern weitergegeben werden, der Rest nicht. Mit Erfolg?
5. Ich bin nie overdressed. Es kann höchstens sein, daß alle anderen erheblich underdressed sind. Und nach 10 Minuten an der Isar könnte ich vergessen, dass ich nackt bin (was ich nicht wäre), aber ich könnte niemals vergessen, dass die anderen alle nackt sind. Schönen Gruß von Adrian Monk 🙂 Auch runzlige Hintern sind keine Information, bei der ich ernsthaft über Menschenrechte nachdenke, nur bei den Hintern selbst: Ästhetik sollte ein Menschenrecht sein, nicht nur eine oft vernachlässigte Pflicht.
Es strapaziert meine libertinäres Gesinnung bis zum Zerbersten, aber ja: Auch Telefonverkäufer sind Menschen und haben Menschenrechte.
bei nackten telefonverkäufern an der isar hören menschenrechte und ästhetik aber auch so was von auf …
im ernst: ich denke, das recht, sich jederzeit und überall über die am jeweiligen ort von einem gespeicherten daten zu informieren, ist essentiel. das „Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften“ vom vergangenen jahr geht ja auch bereits in diese richtung. wir alle werden uns bis zum ende der umsetzungsfrist in zwei jahren hier noch drauf einrichten müssen. und gut ist das.