Und ich dachte immer, die Geheimdienste lernen dazu. Tja, offenbar doch nicht. Jedenfalls berichtet bild.de, dass deutsche Fahnder vergangenes Jahr 37.292.862 Mails mit Hilfe von Filtersystemen nach so genannten Schlagwörtern durchsucht haben, 2000 davon im Bereich Terrorismus, 13.000 wegen „Proliferation“ (ein Begriff, den BILD zuerst mühsam seinen Lesern erklären zu müssen glaubte) und rund 300 Begriffen im Zusammenhang mit Illegaler Schleusung. Besonders hoch war die Ausbeute übrigens nicht: Gerade in 213 Fällen seien angeblich tatsächlich verwertbare Hinweise für die Geheimdienste angefallen.
Das mag man nun glauben oder – besser – nicht: Tatsache ist, dass Schlagwortspionage ein uralter Hut ist. 1998 flog schon auf, dass der amerikanische Geheimdienst NSA mit einem Computernetz namens ECHELON weltweit die elektronische Kommunikation routinemäßig nach „keywords“ absuchte, die auf terroristische oder sonst wie kriminelle Inhalte schließen ließen, beziehungsweise durch so genannte „assoziativer Indizierung versuchten, verdächtige Wortkombinationen wie „Palästina“ und „Freiheit“, zu identifizieren.
Ich habe daraufhin, wie viele von uns ganz frühen Internet-Nutzern, begonnen, meinen Mails regelmäßig eine Liste von Wörtern anzuhängen, von denen anzunehmen war, dass sie die roten Lichter im NSA-Hauptquartier in Fort Mead im schönen US-Bundesstaat Maryland würden aufleuchten lassen. Die Idee war, die Jungs mit Hits so zu überschwemmen, dass sie irgendwann entnervt aufgeben und uns braven Internet-Bürgern in Ruhe lassen würden.
Und jetzt, 14 Jahre später, kommt der deutsche Geheimdienst auf die gleiche Idee. Nicht nur, dass sie damit routinemäßig und automatisiert Verfassungsbruch begeht, indem sie die angeblich unantastbare Würde des Menschen verletzt durch unerlaubtes Eindringen in den digitalen Intimbereich (siehe das von Bundesverfassungsgericht definierte„Computer-Grundrecht“, laut dem mein Computer ein ausgelagerter Teil meines Körpers ist) – viel schlimmer noch: Sie machen sich lächerlich.
Ich jedenfalls werde jetzt erst mal die alte Anti-Spionage-Signatur von anno dazumals wieder herauskramen und eine Zeitlang an meine Mails anhängen. Dann sind die Damen und Herren vom staatlichen Spitzeldienst nämlich gezwungen, mich ständig zu überprüfen. Irgendwann, so meine Hoffnung, wird es ihnen zu blöd sein und sie lassen es wieder. Also nicht wundern, wenn Sie von mir E-Post bekommen mit lauter verdächtigen Wörtern am Ende.
Falls ich sie übrigens nicht finden kann: Vielleicht können unsere Leser ja weiterhelfen. Schickt mir Wörter, von denen Ihr glaubt, dass der deutsche Geheimdienst darauf anspringen könnte. Wir basteln daraus dann eine „Czyslansky-Signatur“, die immer mit den Worten endet: „Schöne Grüße an Big Brother!“
Hier schon mal ein paar Vorschläge meinerseits:
Bombe,Terrorismus,Anthrax,TNT,RDX, Massenvernichtungswaffen,Rakete,Kalaschnikow,Walther PPK,Glock 26
4 Antworten
Danke für den Artikel! Ich habe hier die erste Meldung von Bild.de kritisiert und bin der Ansicht, dass (unabhängig von der Frage, wie legitim solche E-Mail-Scans sind) die Berichterstattung über die Hintergründe schlecht ist.
Meiner Einschätzung nach scannen die Geheimdienste vor allem (13.000 Suchworte) nach der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation). Dass sie da im unverschlüsselten E-Mail-Verkehr nicht fündig werden, sieht ein Blinder. Die Quote ist dort noch viel schlechter als die Zahl „213 Fälle“ suggeriert: 12 E-Mails mit nachrichtendienstlich relevantem Inhalt wurden angeblich gefunden. Der Rest war Fax, Telefon u.a. Kommunikationswege. Dabei machen E-Mails den allergrößten Teil der gescannten Daten aus – vermutlich, weil sie so einfach zu scannen sind. Zum Thema Terrorismus und Schleuserbanden wurden gar keine E-Mails gefunden.
Meines Ermessens zeigt dies, dass diese Überwachungsmaßnahme absolut untauglich ist. Es zeigt aber wohl auch, dass eine weit verbreitete Czyslansky-Signatur keine Besserung herbeiführen würde. Denn auch bisher schon ist es ja so, dass quasi alle Treffer falsch positiv sind; das hält die Dienste offenbar nicht davon ab, weiter zu machen.
Na toll. Seit deinem Artikel parkt ein schwarzer Van vor der Tür unseres Rechenzentrums. Wir ziehen die Server am besten schon mal um auf eine Offshore Bohrinsel.
Übrigens: Das meiste was ohnehin Spam! http://bit.ly/A2LlAI
Vor ein paar Jahren, als gerade der Umzug des BND nach Berlin beschlossen wurde und ich zu dem Zeitpunkt ein Haus in Pullach gesucht habe, lies ich bei Telefonaten und E-Mails die Schlagworte: „Osama“, „Bombe“, „Palästina“, „Heiliger Krieg“ und „Suche ein Einfamilienhaus oder Doppelhaushälfte in Pullach oder Grosshesselohe“ fallen.
Leider hat es nicht geklappt, vermutlich stimmt das mit dem Überwachungsstaat nicht.