(c) Ammer in Wiener Zeitung / CWS/Cartoon Arts International
Chinas Weigerung die „Great Chinese Firewall“ wenn schon nicht einzureißen, dann doch wenigstens für die (Olympischen) Spiele(r) ein wenig zu öffnen, beherrschte den wochenendlichen Blätterwald wie das TV-Programm und so gut wie alle medienaffinen Websites und Blogs. Daher stellvertretend hier nur ein Link auf den entsprechenden Artikel bei Spiegel Online. Und angesichts der globalen Aufregung fragt man sich unwillkürlich: Ja, was habt Ihr denn gedacht, wehrte Kollegen?
War Euch nicht klar, dass China eine Diktatur ist, die Jahr für Jahr tausende von Menschen in Gefängnisse oder, schlimmer noch, die berüchtigten „Umerziehungslager“ steckt, nur weil sie das Internet so nutzen wollten, wie wir alles es gewöhnt sind? Habt Ihr chinesischen wie olympischen Funktionären geglaubt, die sich gegenseitig die größten Spiele aller Zeiten, (fast) freie Berichterstattung und den himmlischen Frieden auf Erden und in den Medien versprachen? Oder anders gefragt: Wie naiv dürfen Journalisten eigentlich sein?
Doch eine andere Frage drängst sich angesichts dieser und der sicher noch kommenden Ereignisse noch deutlicher auf: Was tun? Die (öffentlich-rechtliche!) Übertragung der Eröffnungsfeier absagen? Die Spiele mit Missachtung strafen? Täglich gegen die Zensur bloggen? Oder einfach die eigene Ohnmacht eingestehen? Oder doch wieder „business as usual“ praktizieren?
Wortmeldungen sind diesmal nicht nur erwünscht, sondern notwendig.
Ich werde die Spiele mit weit gehender Missachtung, sprich: einem privaten Boykott, strafen. Vor allem werde ich versuchen, mich von Olympiasponsoren fernzuhalten; das erscheint mir langfristig am vielversprechendsten zu sein.
Ich werde auch diese Olympischen Spiele mit einem totalen Fernsehboykott strafen, wie schon alle anderen zuvor. Dafür werde ich noch mehr und noch länger im unzensierten Internet surfen. Das haben sie nun davon!
Wie wäre es denn, die in dieser Diktatur gefertigten IT- und Telekommunikationsprodukte zu ächten? Da bietet sich doch einiges an: Mobile Telefone, Computer, Digicams, Navis, Internet-Hardware etc. Bis hin zum Ipod werden wir doch überschwemmt mit China-Produkten, deren Gebrauch China inside zensiert und mit hohen Strafen belegt wird. Evtl. hat noch jemand alte „Nein, danke …“-Sticker im Keller …
Vielleicht sollten wir die olympischen Spiele abschaffen! Was ist denn schon vom Traum Coubertins gelieben, die olympische Fackel möge „das freundschaftliche Verständnis zwischen den Völkern mehren?“ Olympia stiftet unterm Strich schon seit Jahren mehr Schaden als Nutzen.
Nur zur Erinnerung: Seit der Neugründung der Weltspiele 1894 durch den Baron Pierre de Coubertin waren die Weltspiele der Jugend das Ziel von Terrorangriffen (München 1972), von unverblümter kommerzieller Ausbeutung (die “Coca-Cola-Spiele“ von Atlanta 1996), von Dopingskandalen (Athen 2004), von politischem Boykott (Moskau 1984) und Gegenboykott (Los Angeles, 1988) und immer wieder auch von propagandistischer Inszenierung wie 1936 in Berlin und jetzt in Peking.
Wer nicht bereit ist, diese Konsequenz zu ziehen, dem bleibt aus Gründen der Selbstachtung ja nur noch übrig, für sich eine strikte Trennung, sozusagen eine Chinese Firewall im Kopf, zwischen dem politischen Mega-Event Olympia und der unbestreitbar postiven Funktion der Spiele als Begegnungsstätte für junge Sportler aus aller Welt. Mehrere Wochen lang werden tausende von jungen Menschen mit mehr oder weniger demokratischem Kulturhintergrund in dieses ideologisch verschlossene Land einfallen, und es wird Gespräche geben zwischen ihnen und ihren chinesischen Sportskollegen sowie mit vielen einfachen Menschen auf der Strasse. Vielleicht bringen diese Gespräche etwas, vielleicht auch nicht. Die Alternative ist Schweigen.
Die olympischen Spiele haben als Kommunikationsplatttform für mich vielleicht noch eine Daseinsberechtigung. Sonst nicht.
Eine interessante Kombination, Tim: wie schaffen wir eine Kommunikationsplattform, ein „Mega-Event“, ein „Massen-Ritual“ von der Tragweite der Olympischen Spiele, ohne ihre politischen Implikationen, wie sie von Dir dargestellt wurden. Die Reichweite hat das Internet sicher zu bieten (jedenfalls dort, wo es frei nutzbar ist), aber Event und Ritual verlangen die persönliche Anwesenheit, den direkten Austausch nicht nur von Daten und Informationen, sondern ebenso von Gefühlen und Werten, eine „Atmosphäre“ und „Kultur“ des Austauschs. Wenn das entsteht, werden unsere „Mediokratien“ allerdings nicht umhin können (und wollen), es auch medial zu „verwerten“, um damit den Kreis zur unseligen Kombination am Anfang wieder zu schließen. „There’s no easy way outta here“ – stammt das eigentlich von Bob Dylan oder von Czyslansky?
Bob Dylan hat es wahrscheinlich von Czyslansky – mehr darüber vielleicht demnächst unter der Rubrik „Czyslansky-Forschung“?
…und ja, nur weil es ein „Maga-Event“ ist, müssen wir ihm nicht eine Mega-Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen. Die Kommunikation, die ich meine, würde im Kleinen, sozusagen F2F stattfinden. Das Medium ist doch schittejal – Pyramus und Thisbe genügte ein Loch in der Wand. Merke: Der Mensch ist ein Kommunikations-Wesen.
PS: Die „Süddeutsche“, die besonders laut und heftig über die mediale Aufwertung des Regimes in Peking schimpft, hat heute eine 14-seitige Beilage zu „Olympia Peking 2008“. Was kümmert mich mein saudummes Geschwätz von gestern…