Auf dem Hamburger Flughafen kostet eine Tasse Milchkaffee € 3,80. Das ist ein angemessener Preis, wenn ein Milchkaffee mit viel Sachverstand, Liebe und Handarbeit von einem Barista zubereitet wurde. Selbst, wenn man keinen Latte Macchiato, Espresso doppio oder Cappucino bestellt sondern nur einen ordinären Milchkaffee, der auch nicht immer Café au Lait heißen muss, legt sich ein Barista mit Berufsehre ins Zeug. Und dann ist der Preis gerechtfertigt.
Als ich meinen Milchkaffee in Hamburg bezahle, komme ich nach kurzem Nachdenken zu dieser Bilanz:
- Ob der Milchkaffee mit Sachverstand gemacht wurde, weiß ich nicht. Es gehört allerdings nicht viel dazu, eine Tasse unter zwei Maschinen zu stellen und auf zwei Knöpfe zu drücken.
- Ob der nette Herr am Snackstand eine Barista-Ausbildung gemacht hat, weiß ich auch nicht. Aber ich glaube nicht. Kein Barista mit Ehre bedient Vollautomaten.
- Ob der Milchkaffee mit Handarbeit gemacht wurde, kann ich definitiv ausschließen.
- Aber er wurde mit Liebe gemacht. Der Mann hinter der Theke ist nicht nur ausgesprochen freundlich, es seint auch, als habe er gute Laune und Spaß an seinem Job. Selbstverständlich lege ich ihm die retounierten 20 Cent auf den Trinkgeldteller. Er kann ja nichts dafür. Und er ist eben sehr nett.
Ich wünsche ihm einen schönen Abend, nehme mein Tablett und nehme Platz. Endlich wieder sitzen.
Was soll ich auch sonst im Wartebereich auf dem Hamburger Flughafen machen?
Meine Termine in der Hansestadt waren etwas eher zu Ende als geplant, der Flieger geht erst in eineinhalb Stunden.
Bis der Flieger geht möchte ich ein wenig mit der Welt via Twitter und Co. kommunizieren. Doch es kommt arg: Mein Akku teilt sich das Schicksal mit dem Dollarkurs im Juli 2011 – historischer Tiefstand.
Und das ist ehrlich gesagt der einzige Grund, weshalb ich mir überhaupt einen Milchkaffee kaufe. Denn der Hamburger Flughafen hat – wie die meisten anderen – noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt und bietet in den Wartezonen keinen Strom an. Unentwegt kreisen Menschen mit Smartphones, Tablets oder Laptops in der einen und Ladekabeln in der anderen Hand auf der Suche nach Steckdosen durch das Gate – wie Parkplatzsucher in der Innenstadt am Samstag Vormittag.
Von meinen vorherigen Besuchen weiß ich, wo sich nachts die Putzleute verstromen – sprich: Ich weiß, wo ein paar Steckdosen versteckt (Achtung: Wortwitz!) sind. Ich will mich aber nicht einfach auf die Erde setzen. Also muss ich in den Gastrobereich. Dort gibt es eine Dose direkt unter einem Tisch, einem Katzentisch. Und der ist sogar frei. Also kaufe ich einen Milchkaffee, warte ängstlich, ob niemand anderes den Tisch okkupiert (wie bei der Parkplaktzsuche) und atme erleichtert auf, als ich endlich den Kaffee auf dem Tablett mitnehmen kann.
Es dauert ja auch, erst die Tasse unter den Milchschaumautomaten zu stellen und dann unter einem anderen das Ganze mit Kaffee zu injizieren. Und der gute Mann weiß nichts um meine Seelennot, bedient mich freundlich und lässt sich Zeit.
Als ich endlich sitze – es sind so wenig Gäste da, das nicht wirklich Gefahr bestand – stöpsle ich mich in die Steckdose und greife kostenneutral ein paar Kilowattminuten vom Flughafenbetreiber ab. Muss ja nicht lang halten; nur noch für die Wartezeit am Gate und die Viertelstunde im Flieger, bevor das Ding abhebt. Danach ist sowieso Offline angesagt.
Ahh… Endlich. Strom. Mein Handy saugt sich voll wie eine Büropflanze, die man wie üblich viel zu lang nicht gegossen hat.
Ich nippe am Milchkaffee. Er schmeckt nach gar nichts: Nicht nach Milch, nicht nach Kaffee, nicht nach Barista-Arbeit, nicht mal nach Vollautomat. Aber das ist mir längst egal. Es geht nur darum, dass ich endlich wieder online gehen kann. Ich bin sicher, die Bürgergerkriege der Zukunft werden nicht um Wasser, nicht um den wahren Glauben und nicht um die Sitzplätze bei der Champions League geführt – es wird um den Zugang um Strom gehen. Das ist aber ein anderes Thema.
Jetzt erst mal bin ich wieder angekommen am Tor zur Welt.
Und damit meine ich keineswegs den Flughafen.
Eine etwas längere, noch grantigere Fassung des Textes erschien bereits in meinem Zwetschgenann-Blog
Danke, Lutz, für diese wunderbare Wortschöpfung: „Versteckdoese“. Gibt es überall in öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfe, Rathäuser, etc. Architekten: Bitte aufhorchen!