qqxsginternet-censorship

Trotz des massiven Einsatzes von Czyslansky-Jüngern an der TV-Front hält Familienministerin Ursula von der Leyen  an ihrem unsinnigen und gefährlichen Plan fest, die Zensur in Deutschland wieder einzuführen.

Gestern rief der Bonner TV-Sender Phoenix plötzlich an, ob ich als Internet-Fachmann etwas zur Sperrung von Websites mit kinderpornografischen Inhalten sagen würde. Ich rief daraufhin meinen Freund und Mit-Czsylansky Sebastian von Bomhard von Spacenet an, der als einer der betroffenen Internet-Provider bekanntlich strikt gegen einen solchen staatlichen Willkürakt ist (siehe „Zensur in Deutschland„), um mit ihm ein paar Zitate abzustimmen. Er war aber auf dem Sprung: „Ich muss zu RTL, die wollen mich in der Sendung haben.“

Auch ohne lange Absprache haben wir beide so ziemlich genau das Gleiche erzählt. Dass nämlich mit diesem unmoralischen Ansinnen an die Provider, bestimmte Inhalte und Webseiten zu sperren, egal welche und egal aus welchem Grund, in Deutschland die Zensur durch die Hintertür wieder eingeführt wird. Dass Poltiker dabei sind, eines der kostbarsten Errungenschaften der liberalen Demokratie, nämlich die Abschaffung der Informationskontrolle durch die Obrigkeit, fahrlässig oder vorsätzlich aufs Spiel zu setzen. Und dass sie dabei ganz unverhohlen auf den Wahltermin im September schielen (Frau von der Leyen hat den Wahlkampf schon eröffnet mit ihrem billigen Vorwurf an die SPD, nicht genug zum Schutz von Kindern tun zu wollen).

Und wir haben beide auf die technische Inkompetenz von Politikern geschimpft, die gerade noch wissen, wie man einen PC ein- und ausschaltet. Was im Grunde nicht so schlimm wäre; Politiker müssen nicht von allem etwas verstehen, um ihren Job machen zu können. Sie sollten aber ab und zu mal auf ihre eigenen Fachleute hören. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat bekanntlich die Aufgabe, komplexe Zusammenhänge so aufzubereiten, dass sogar eine Frau von der Leyen sie versteht. Im Januar diesen Jahres schrieb der Staats-Dienst:

„Sperrtechniken (können) mit einem vergleichsweise geringen Aufwand umgangen werden. Zum anderen bleibt … festzuhalten, dass eine dauerhafte und zielgerichtete Sperrung ohne erhebliche Nebenwirkungen nahezu unmöglich ist.“

Ich bekam bei Phoenix gerade vier Minuten, um all das dem deutschen Fernsehpublikum zu vermitteln. SvB durfte bei RTL ein bisschen länger reden. Wir waren aber beide eindeutige Exoten, eingepfercht zwischen der unkritischen Berichterstattung des gestrigen Tages über vdL’s  naßforschen Auftritt und den zaghaften, mit vorauseilenden Entschuldgungsfloskeln gespickten Nachfragen der Bundestagsabgeordneten, die höflich wissen wollten, ob die Sperren denn tatsächlich wirkungsvoll wären und ob da auch nicht versehentlich die Websites braver Bundesbürger oder – Gott bewahre – von Online-Läden betroffen sein könnten, die dann den Staat auf Schadensersatz verklagen könnten. Nein, nein, beruhigte vdL, das habe man gut im Griff. Schließlich stamme ja die Liste der zu sperrenden Websites vom BKA. Da sei man ja in guten Händen…

Am widerlichsten fand ich vdL’s ständiges moralinsaures Lamentieren darüber, dass jemand dabei zuschauen könne, wie Kinder vergewaltigt werden. Als ob die Vergewaltigung aufhören würde, sobald keiner mehr zuschaut. Unsere Familienministerin hat offenbar an der gleichen amerikanischen Uni studiert wie ich und dort den Kurs „philosophy 101“ belegt. Wir haben einen halben Semster lang die Frage erörtert: „Wenn ein Baum im Wald umfällt, und keiner ist da, der es hören kann – macht es dann überhaupt ein Geräusch?“ Alternativ könnte sie der Frage nachgehen, ob die Glühbirne im Kühlschrank ausgeht, wenn sie die Tür zumacht.

Vielleicht sollte Frau Ministerin sich statt dessen mal mit den gleichen Beamten von der Online-Fahndung unterhalten, mit denen ich gesprochen habe, als ich einen Artikeln über Kinderporno im Net recherchiert habe. Die hätten ihr nämlich gesagt, dass es in Wahrheit nicht um Pornobildchen geht, sondern um die Kinder selbst. Die einschlägigen Websites sind fast immer Marktplätze für Kinderprostitution. Zuhälter und Freier umkreisen sich dort über Wochen oder Monate hinweg ganz, ganz vorsichtig, tauschen ein paar Bilder oder Filme aus, lernen sich kennen, bauen Vertrauen auf, bis dann eines Tages die Kids Samstagmorgens am Münchner Hauptbahnhof vom netten Onkel in Empfang genommen und Sonntagsabends wieder abgeliefert werden.

Die Kripoleute, die ich kenne, treiben sich ebenfalls in der Online-Szene herum, und ich beneide keinen von ihnen um den Job, aber sie müssen es tun, denn sie wissen, dass die Lottel und die Päderastenschweine nirgendwo so verwundbar sind wie auf den Tauschbörsen. Sperrt man diese, verschwinden die Typen in den digitalen Untergrund, und die Polizei hat überhaupt keine Chance mehr, sie anzuködern und ihnen am Ende am Hauptbahnhof Handschellen anzulegen.

Frau von der Layen sagte gestern mehrmals, dass es ihr darum geht zu erreichen, „dass Websites mit entsprechenden Inhalten in Deutschland künftig nicht mehr aufgerufen werden können.“ Dass sie damit die Kripo ihres wirkungsvollsten Fahndungswerkzeugs beraubt, sagt sie nicht. Vielleicht weiß sie es auch nicht. Oder vielleicht doch. Aber dann ist es ihr egal, weil sie im Herbst eine Wahl gewinnen will. Die Kinder sollen schauen, wo sie bleiben. Wir anderen schauen dann derweil mal in die Röhre – oder weg…

21 Antworten

  1. Mir fällt zu deinem mit ehrlicher Empörung geschriebenen Beitrag der Spruch von Bert Brecht ein, den sich Fritz Vogt, der frühere Chef und einzige Angestellte der Raiffeisengenossenschaftsbank in Gammesfeld bei Rothenburg ob der Tauber, handschriftlich über seinen Schreibtisch gehängt hat: „Dass du dich wehren musst, wenn du nicht untergehen willst, wirst du doch einsehen.“
    Es ist schon klar, dass mit Kampfbegriffen wie „Kinderpornographie“ und „Killerspiele“ ganz durchsichtig Wahlkampf getrieben wird. Die Familienministerin weiß ganz bestimmt, was sie tut, und die Neben- und Auswirkungen der angestrebten Maßnahmen – Zensur im Allgemeinen – sind in ihren Kreisen ja durchaus erwünscht. „Wehret den Anfängen“ greift allerdings zu kurz. Über die Anfänge sind wir längst hinaus, wir sind bereits mittendrin.

  2. Sorry, mir ist das viel zu reflexhaft. Ich verabscheue Kinderpornografie zutiefst und ich bin froh darüber, dass endlich Schritte dagegen unternommen werden! Natürlich wird es sie nicht ausräumen, aber es wird weniger einfache Gelegenheiten geben. Der empörte Aufschrei: Zensur! Verhindert die Zensur! ist mir in diesem Moment wirklich völlig schnuppe. Kinderpornografie ist gesetzlich verboten und entsprechende Veröffentlichungen ebenfalls. Dieses Verbot muss der Staat auch versuchen im Internet durchsetzen, ob Wahlkampf herrscht oder nicht. Das Argument, nicht dagegen vorzugehen, damit Polizisten weiter recherchieren können, halte ich übrigens für extrem bedenklich. Das läuft mir zu sehr nach dem Motto: Lass die Schweine weitermachen, dann erwischen wir vielleicht welche.
    Noch eins: Ich bin absolut gegen eine Einschränkung der Pressefreiheit. Ich finde nur, dass man die Verbreitung von Kinderpornografie und Pressefreiheit nicht in einen Topf werfen kann.

  3. Harte Worte. Höchst ehrenwert, aber daneben. Es geht nicht um die Frage „Schutz der Grundrechte versus Schutz von Kindern“. Es geht um die Frage „Wird etwas so schutzbedürftiges wie Kinder missbraucht für schnöden Wahlkampf und blinden Aktionismus?“ Ermitteln statt ausblenden. Hinschauen statt weggucken. Server stillegen statt zensieren. Das ist der Ansatz. Die meisten IP-Adressen, um die es hier geht, führen in zivilisierte Länder, in denen Kinderpornographie verboten ist. Viele in Deutschland, die meisten in den Niederlanden. Worauf warten wir?

    Statt dessen wird perfide in der Öffentlichkeit behauptet, den Providern ginge es hier ums Geld. Wie erbärmlich wird hier vom bisherigen eigenen Versagen abgelenkt? Wenn der Chef von Europol unbekümmert behauptet, die Sperren seien wirksam, weil sie nur von technischen Experten geknackt werden könnten, dann wird klar, dass der Kampf an der eigentlichen Front verloren ist.

    Aber das muss nicht sein. Lasst uns was unternehmen, Aufklärung hilft hier viel. Lasst Euch nicht von Propaganda einwickeln: Schauen wir, wie wir den Kindern wirklich helfen können!

    War das jetzt auch reflexhaft?

  4. @Christoph: Es ist natürlich der gleiche Topf! Inhalt ist am Ende des Tages Inhalt. Wenn wir, wie es SvB so treffend in einem Interview der „Süddeutschen“ gesagt hat, Zensur „salonfähig“ machen, dann ist Polen offen. Principiis obsta!

  5. @SvB: Wir sind uns völlig einig. Ich habe ja auch nicht Kinder und Grundrechte gegeneinander abgewogen, im Gegenteil. Aber ich zitiere mich gerne selber (mache ich sowieso am liebsten ;-):

    „Vielleicht weiß sie es auch nicht. Oder vielleicht doch. Aber dann ist es ihr egal, weil sie im Herbst eine Wahl gewinnen will.“

    Ich fürchte nur, dass wir auf verlorenem Posten stehen. Wenn sogar Christoph Witte (siehe oben) sagt, Zensur sei ihm in diesem Zusammenhang „völlig schnuppe“, dann weiß ich ehrlich gesagt auch nicht mehr weiter.

  6. Mir lässt Christophs Satz („Zensur ist mir in diesem Moment wirklich völlig schnuppe“) keine Ruhe. Ich will versuchen, mein „Bauchgefühl“ zu diesem Thema mal mit einer kritischen Theoriediskussion zu untermauern.

    Zu den Meilensteinen in der Geschichte der liberalen Demokratie westlicher Prägung gehören die Abschaffung von Dingen wie Zensur und Folter. Über die Folter schrieb der ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Kühling: „Das Folterverbot verdankt seinen Absolutheitsanspruch seiner Ableitung aus dem Menschenwürdeprinzip. Seine inhaltliche Reichweite ergibt sich aus diesem Prinzip. Zu fragen ist daher, wie weit der Schutz der Menschenwürde reicht, der durch keine Abwägung mit anderen Rechtsgütern relativiert werden kann.“

    Auch die Zensur verletzt die Menschenwürde. Bereits 1997 schrieb der Wiener Universitätslektor in Kommunikations- und Politikwissenschaft, Dr. Haimo L. Handl: „Für Zensur werden meist Schutzgründe angeführt. Bei uns wird besonders der Jugendschutz als Vorwand genommen, um gegen bestimmte Inhalte und deren Verbreitung vorgehen zu können…Die strikte Zurückweisung von jeder Art Zensur ist nicht gleichbedeutend mit dem Akzept oder gar der Unterstützung dessen, was nicht zensuriert wird.“

    Wer Zensur befürwortet, handelt laut Handl „zutiefst inhuman, menschenverachtend und faschistoid“. Er schreibt: „Die Unterdrückung sogenannt gefährlicher Meinungen, Lügen (Auschwitzlüge!), Heräsien, (nicht nur in der röm.kath. Kirche) Gotteslästerungen, staatsgefährdender Ideen usw. geht einher mit der Hatz auf Porno, Sex und jener Sozialformen, die nicht gerade der herrschenden Moral entsprechen.“

    Dagegen behauptet beispielsweise der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnse: „Wer ein Stopp der Kinderpornographie im Internet zur Zensur erklärt, dem sind offensichtlich geschäftliche Interessen wichtiger als die Menschenwürde.“

    Beide Seiten der Debatte bemühen also die Würde des Menschen, die laut Bundesverfassung bekanntlich „unantastbar“ ist. Aber haben beide recht? Ich glaube nicht.

    Die Darstellung von Kinder, denen sexuelle Gewalt angetan wird, ist in der Tat menschenverachtend und verdient es, verfolgt und auf das Strengste bestraft zu werden. Dafür stehen dem Staat geeignete Mittel und Methoden zur Verfügung. Die Zensur gehört nicht dazu, ebensowenig wie die Folter eventuell gefasster, aber nicht geständiger Täter.

    Der Schutz von Kindern ist im Sinne Kants ein hypothetischer Imperativ. Diese bezeichnet eine Handlung, die Mittel zum Zweck ist. Das heißt, sie ist gut im Hinblick auf ein Ziel, dass ich erreichen möchte.

    Juristisch ist Kinderpornografie ein Gefährdungsdelikt. Diese ist nach dem deutschen Strafrecht einen Deliktstyp, bei dem es nicht auf die Verletzung eines Rechtsgutes ankommt, sondern auf die Schaffung einer Gefahr.

    Im Gegensatz dazu sind Zensur- und Folterverbot kategorische Imperative, Die Handlung ist also Zweck an sich selbst, ohne eine Beziehung auf einen anderen Zweck. Kant bezeichnet dies als apodiktisch-praktisches Prinzip.

    Artikel 5 des Grundgesetzes („eine Zensur findet nicht statt“) beschreibt eindeutig ein Rechtsgut, dessen Schutz den höchsten möglichen Rang genießt. Auch wenn zum Beispiel die Meinungsfreiheit ihre Grenzen beim Jugendschutz findet, ändert das nichts an dem Absolutheitsanspruch des Zensurverbots als Prinzip des politischen Handelns. Im Sinne Kühlings kann der Zensurverbot also durch keine Abwägung mit anderen Rechtsgütern relativiert werden.

    Ich weiß, dass angesichts dessen, was einzelnen Kindern hier angetan wird, es schwer ist, die Wut im Bauch zu unterdrücken und leidenschaftslos über allgemeingültige Prinzipien und unverletzbare Rechtsgüter zu diskutieren. Aber das ist genau der Sinn eines solchen notwendigen Diskurses.

  7. @Tim und SvB
    noch einmal: Ich sehe die Einschränkung der Pressefreiheit und das Verbot von Kinderpornografie als zwei verschiedene Dinge an. Was hat Meinungsfreiheit mit Kinderpornografie zu tun? Meiner Ansicht nach nichts! Pädophile nutzen das Web, um Bilder und Videos von Kindesmissbrauch zu verbreiten, ja die gequälten Opfer selbst auszutauschen. Daran, diese Ungeheuerlichkeiten zumindest zu erschweren, kann ich nichts Verwerfliches finden. Einschränkungen von Meinungsfreiheit, lehne ich genauso ab wie Ihr. Aber diese Leute verbreiten keine Meinung, es sind einfach Kriminelle, die ein an sich absolut freies Medium missbrauchen, um ihren Machenschaften nachzugehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Artikel 5 des Grundgesetzes das meint, wenn er vom Recht auf Meinungsfreiheit spricht:

    (1)Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

    (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

    (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

    Die Diskussion, ob die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung geeignet sind, die Verbreitung von Kinderpornografie zu verhindern, halte ich dagegen für absolut notwendig. SvBs-Beitrag cetereum censeo zensur und zetern gibt da sinnvolle Hinweise. Auch die Meinung, dass es nicht reicht, gegen Kinderpornografie im Internet vorzugehen, teile ich. Aber wenn es schwieriger wird, im Web an solche Sachen ranzukommen, begrüße ich das ausdrücklich.

  8. ich sags nur einmal, aber dafür ganz laut:

    JA – ICH BIN FÜR ZENSUR!

    und nicht nur im internet. ich glaube in der tat, dass eine demokratische gesellschaft einen kanon an delikten gegen grund- und menschenrechte für sich definieren darf, der einer allgemeinen zensur unterworfen wird.

    aus unserer historischen erfahrung und verantwortung mit faschismus und holocaust ist eine zensur nazistischer parolen und zeichen angemessen. die demokratie muss nazi-terror nicht schützen.

    und gewalt und ihre darstellung, die offensichtlich auf die befriedigung entsprechender individueller bedürfnisse zielen, sind von der meinungs- und informationsfreiheit nicht gedeckt.

    es geht hier nicht darum, ob zensur in diesen fällen zielführend ist. sie ist es vermutlich nicht „direkt“. es geht darum, dass wir als gesellschaft laut und vernehmlich NEIN schreien dürfen; dass wir sagen dürfen: wir akzeptieren dies in unseren reihen nicht; dass wir dies verbindlich machen.

    es geht hier auch nicht darum, dass sich irgendwelche politiker mit solchen forderungen wahltaktisch verhalten. eine aussage wird nicht dann falsch, weil sie von den falschen unterstützt wird.

    und natürlich gibt es grauzonen, dick wie erdinger bodennebel. deshalb braucht es klare gesetzliche grundlagen und ein restvertrauen in unsere rechtsprechung.

    das ist blauäugig? ja natürlich. anders ist demokratie nicht machbar.

  9. @michael kausch: „die demokratie muss nazi-terror nicht schützen.“ Hm. Hat das schon mal jemand gefordert? Sind „parolen und zeichen“ Terror? Und sollte man nicht ganz entschieden zwischen Gewalt und ihrer Darstellung unterscheiden? Oder, falls es da keinen Unterschied gibt, endlich „Grimms Märchen“ auf die Liste der jugendgefährdenen Medien setzen? Und Tom-und-Jerry-Filme? Und die Tagesschau mit ihren Berichten von Bombenangriffen auf Zivilisten in Gaza?
    Ich frag ja nur.

  10. Reden wir doch bitte nicht so heftig aneinander vorbei! Auf den Punkt gebracht:

    1. Wenn es darum geht, Kinder auf Kosten der Meinungsfreiheit zu retten, kann ich mich gut gegen die Meinungsfreiheit entscheiden. Aber diese Entscheidung steht hier nicht an.

    2. Es wird nicht schwieriger, an solches Material heranzukommen. Schaut doch mal:

    Dass das geht, stand schon in der BILD(!). Nichts wird verhindert.

    3. Solange „irgendwas“ gemacht wird, irgendwas Unwirksames, wird nicht das Richtige gemacht.

    4. Auch die, die gute Vorschläge machen, werden diskriminiert als Sympathisanten der KiPo-Szene oder weltfremde Spinner und Weltverbesserer.

    Ich rede hier nicht von abstrakten Bürgerrechten, ok?

  11. Interessant: Es steht im Augenblickbei Czyslansky 2:2 für Zensur. Wahrscheinlich sind wir damit wesentlich repräsentativer, als ich gedacht hätte.

    Was meinen die anderen?

  12. Für diejenigen unter uns, die offenbar zwischen Zensurdebatte und Kinderschutz nicht unterscheiden können oder wollen, hier ein wunderbares Zitat von SvB auf seinem aktuellen Blog

    Heute war nach­zulesen, was von den Vorschlägen der Ministerin von der Leyen in den Köpfen hängenblieb: Wir müssen die Kinder­porno­graphie bekämpfen. Er­staun­licher­weise war davon nicht die Rede gewesen, es hieß nur: Wir müssen die Kinder­porno­graphie im Internet bekämpfen. Aber das reicht nicht. Es lenkt vom wahren Ziel ab. Sinnvoll und wichtig wäre es doch, im wirklichen Leben Kinder­schänder aus dem Ver­kehr zu ziehen. Sie sind unter uns und davor darf man seine Augen nicht ver­schließen. So wird eine Schein­debatte geführt, heftig, polemisch, unsachlich, natürlich von beiden Seiten.

  13. Ich werfe jetzt mal ein freundliches „Hallo“ in die aufgeregte Runde. Und wage zu bemerken, dass es in den diskutierten Zusammenhängen meines Erachtens weder um Zensur noch um Kinderpornos oder gar die Verhinderung des Missbrauchs von Kindern geht. Sondern schlicht und ergreifend um Symbolpolitik.

    Die ja momentan allenthalben angewandt wird, wo die Politik ansonsten nicht weiter weiß oder kann. Wie angesichts des Amoklaufes in Winenden, wo man statt das offensichtliche Versagen von Eltern, Lehrern und gesellschaftlichem Umfeld anzusprechen, gegen „Gewaltspiele“ vorgehen will, obwohl jeder einigermaßen vernunftbegabte Mensch weiß: „Weapons kill, not games.“

    Und so jetzt auch in Sachen Kinderpornos: Statt die Täter (Vergewaltiger, Kinderschänder) dingfest zu machen, verbietet man kurzerhand das Medium, das ihre Taten zeigt. Und da die verantwortlichen dieses Medium überhaupt nicht kennen, geschweige denn verstehen, schlägt man auch noch auf das falsche Medium ein, nämlich auf das Web. Wobei jeder, der auch nur ansatzweise etwas von solchen kriminellen „Szenen“ und ihrer Internet-Nutzung weiß, auch wissen sollte, dass der Austausch von Kinderpornos weitaus öfter über temporär offene FTP-Server und allenfalls noch über Torrent-Netzwerke läuft als ausgerechnet über Web-Server.

    Und weil’s grad so schön ist beim Teufel-Austreiben, erfindet man auch noch eine „millionenschwere Kinder-Porno Industrie“, worauf Lawblog schon ausführlich hingewiesen hat: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/03/25/die-legende-von-der-kinderpornoindustrie/. Nur um dann gleich weiter zu machen: Nicht mehr nur Kinderporno-Sites sollen „blockiert“ (Danke für die dringend notwendige Aufklärung, @SvB!), also zensiert werden, sondern auch noch ominöse „Gewalt-Websites“ und ähnliches Geschmeiß.

    Es geht also darum, die eigene Gesinnung zu demonstrieren, und zwar an Hand und bei Gelegenheit von symbolträchtigen „Ereignissen“. Das wird sich bei der nächsten Wahl in jedem Fall bezahlt (sic!) machen. Es sei denn, der Charakter der Symbolpolitik wird schon vorher publik: Etwa weil die globale Krise auch bis dahin nicht durch die symbolische „Rettung“ einer zukunftsunfähigen Branche wie der Auto-Industrie überwunden wurde. Machen wir uns also nichts vor: Es geht nicht um Recht oder Moral (oder gar Ethik @Tim Cole), sondern um Symbole und deren wahlrelevanten Wert.

  14. Dieser Kommentar wurde zensiert!
    Ich schwanke nämlich zwischen zwei widerstreitenden Gefühlen in meiner Brust: Eierabschneiden für Kinderpornografen und freie Rede für freie Menschen in einem freien Netz. Deshalb sollte dieser Kommentar lieber zensiert bleiben #selbstzensur

  15. Zensur im Internet wird nicht funktionieren, es wird immer Wege geben, sie zu umgehen. Zensur ist schädlich, weil sie „Das Böse“ oder „Das in und von der Gesellschaft Geächtete“ nicht sichtbar macht. Zensur verhindert konsenzschaffende Empörung. Zensur macht das verlockend, an das vorher noch nicht einmal gedacht wurde. Zensur ist ein Verstärker. Daher gibt es nur eins: Sichtbarmachen, Aushalten und aus Basis eines breiten und informierten gesellschaftlichen Konsenz bekämpfen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.