Da ist er wieder, der alte Wettstreit zwischen alter und neuer Welt um die wahren kulturhistorischen Errungenschaften und Erfindungen, der Streit zwischen den Gebrüdern Wright und dem Leutershausener Gustav Weisskopf über die Erfindungsrechte am Flugzeug, zwischen Edison und Berliner um die Erfindung der frühen Schallplatte, zwischen Rockefeller und Marx um die Erfindung des Kapital.
Unbestritten ist sicherlich die Erfindung der modernen Vinyl-Schallplatte durch den Deutsch-Ungarn Peter Karl Goldmark – der leider in den Dokumenten auch zumeist als Amerikaner und „Carl“ statt „Karl“ geführt wird – im Jahr 1948 für die amerikanische CBS. Allein: was hätte die Welt mit Schallplatten gemacht, wenn sich nicht in Deutschland gleichzeitig ein junger Pionier um die Erfindung des modernen Schallplattenspielers bemüht hätte? Ungezählte und ungespielte Schallplatten würden überall herumstehen. Gut, dass es Czyslansky gab.
Die Älteren unter uns erinnern sich noch (Hallo Tim!): Ende der vierziger Jahre lag Deutschland in Schutt und Asche, Rohstoffe waren teuer, das Metall war verschossen und so blieb unserem verehrten Czyslansky nichts anderes übrig, als auf den deutschesten aller deutschen Rohstoffe zurückzugreifen: Im Land der Wälder und Forsten war Papier schon immer der Stoff der Träume.
Exkurs und by the way: noch heute sind es Deutsche, die die Papiertechnologie immer wieder über ihre bekannten Grenzen treiben. Man denke nur an die Profis von Voith, die vor einiger Zeit im chinesischen Huatai die weltgrößte Papiermaschine installieren durften – ausgerechnet im Lande der Erfinder des Papiers!
Aber zurück zu Czyslansky: Pünktlich zur Einführung der ersten Vinyl-LP im Jahr 1948 bastelte der enthusiasmierte Generalgelehrte und Pfiffikus Czyslansky mit Bogen, Lineal und Klebestift (natürlich „Uhu“) am ersten Vinyl-Plattenspieler, der in der Tat komplett aus Papier bestand. Das erste gebrauchsfähige Muster ging in den Wirren der fünfziger Jahre (Czyslansky-Freunde wissen, was ich meine!) leider ebenso verloren, wie alle Skizzen und Aufzeichnungen. So dachten die Experten der Czyslansky-Gesellschaft zumindest noch bis vor kurzem. Tatsächlich aber scheinen Kopien dieser Arbeiten in die Hände des amerikanischen Vinyl-Enthusiasten Simone Elvins gelangt zu sein, der vor wenigen Tagen der überraschten Öffentlichkeit einen originalgetreuen Nachbau des ersten Czyslanskischen Vinyl-Spielers vorstellte (mein Dank an dieser Stelle den Kollegen von http://de.engadget.com/, die mich auf diese Vorstellung aufmerksam machten):
Der spielbereite Nachbau des berühmten „Papyrophons“, entwickelt von Czyslansky, hier noch in Mono-Technik.
Das Modell zeigt eindrücklich, dass Czyslansky nicht nur Elemente des Grammophons geschickt in seinen technischen Ansatz zu integrieren wusste, sondern dass er augenscheinlich auch das später weltweit gefeierte und durch seine bestechende Schlichtheit verzaubernde Braun-Design vorausdachte. In seiner farblichen Zurückhaltung mögen manche gar eine frühe Ausformung der modernen iPod-Gestaltung erkennen.
So verdanken wir Simon Elvins, dass eine der größten Pioniertaten Czyslanskys nun endlich die Würdigung erfahren wird, die ihr zusteht: die Erfindung des „Papyrophons“!
3 Antworten
Es ist allgemein bekannt, dass Czyslanskys Bemühungen um die lebensecht wirkende Audiowiedergabe deutlich über die reine Erfindung des Vinylabspielers hinaus ging.
In den frühen 1970er Jahren experimentierte unser geschätzter Meister mit vier dieser Abspielgeräte auf der Suche nach dem perfekten Raumklang.
„Vier Ecken hat meine Kammer, vier hat die Zahl der Tonquellen zu sein“, forderte er damals und entwickelte den Vorläufer der so genannten Quadrophonie.
Grosse Künstler wie Ozzy Osbourne, Herbert von Karajan und nicht zu vergessen die deutschen Technopioniere von Kraftwerk konnte er für seine Idee gewinnen und sie nahmen große Werke auf Vinyl für ihn auf.
Da Czyslansky auch der Erfinder des „Rapid-Prototyping“ war (das werde ich an anderer Stelle noch genauer ausführen) war seine „vier Platten, vier Ecken, vier Papiertüten-Abspieler Konstruktion“ meist am Donnerstag einer jeden Woche verschwunden, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass seine treue Perle Agathe immer Mittwochs sein Werkstatt-Salon-Studio-Labor reinigte und gründlich aufräumte.
@alexander
„rapid prototyping“ ist eigentlich hinlänglich bekannt. spätestens seit edi bauer die mannschaft von rapid wien 1928 im mitropapokal zum denkwürdigen spiel gegen ferencvárosi torna club nach ungarn führte. die rapid verlor 7:1, was daran lag, dass die spieler nach der ansage des stadionspielers „willkommen liebe zuseher zum spiel österreich-ungarn“ ein halbe stunde auf den vermeintlichen gegner warteten. es stand 6:0, als sie merkten, dass die ungarn nicht mehr zur monarchie und folglich auch nicht zur eigenen mannschaft zählten. ach, das ist heute alles geschichte …
Obwohl ich zum Kreis der Czyslansky-Freunde zähle (Danke!), bin ich doch manchmal geradezu schockiert über den Schaffenseifer des großen Meisters. Die Bandbreite seines Genies ist eines Goethes würdig. Ach was! Das Denken Czyslanskys geht weit über Goethes Dimension hinaus, weil es auch vor technischen Fragen nicht haltmachte.