Da hilft nur noch die Selbsthilfegruppe …

„Hallo, ich bin der Alexander und ich habe früher die FDP gewählt.“ Klatschen, verständnisvolles Nicken, die Selbsthilfegruppe anonymer Liberaler heißt mich willkommen. „Danke, dass du dich geöffnet hast, Alexander“, freut sich der Leiter der Gruppe. Entschuldigend führe ich an, dass als noch Grafen und gelbe Pullunder in der Partei zu finden waren, das nicht verwerflich war, aber spätestens als die Fallschirmspringer und Guidomobilfahrer auftauchten, wurde es peinlich und ich habe es nicht bemerkt, wie so viele Andere, die sie in die jetzige Regierung gehoben haben.

Aber ich habe NIE inhaliert, ich habe nie ein Parteibuch besessen, immerhin …
Seit ein paar Jahren bin ich jetzt relativ aktiver Pirat und es ist Wahnsinn, was man sich als ein solcher ausserhalb der IT-Nerd Kreise anhören muss.

„Ihr kämpft doch für die Legalisierung von Kinderpornografie, für die Einführung eines Einheitslohnes und die Abschaffung des Urheberrechtes“, bekomme ich zu hören. Da braucht man schon viel Humor und ein paar Engelszungen (also nicht Marx und Engels), um diesen von den „Etablierten“ aufgehetzten Menschen zu erklären, dass es um die Ablehnung von Zensur, das Grundeinkommen und eine Reform des Urheberrechts geht … Mühsam.

Und jetzt noch Westerwelle, der den Unterschied zwischen Urheberrecht und Markenrecht ignorierend, vom Schaden der Piratenpartei für die deutsche Exportwirtschaft faselt.

Warum erzählt ihr nicht gleich, dass Piraten auch kleine Kinder fressen?
Aber die Menschen sind nicht mehr so dumm, euren Verleumdungen zu glauben. Das Diskreditieren politischer Gegner klappt nicht mehr so gut wie damals. Jeder Dreck, der auf die Piratenpartei geworfen wird, bringt ihr ein Prozentpünktchen mehr bei der nächsten Wahl und die BWLer Partei unter „Sonstige“.
Nur die Scham, sie ein paar Mal gewählt zu haben, bleibt, aber dafür habe ich ja meine Selbsthilfegruppe.

7 Antworten

  1. Keine Panik. Stell Dir vor, Du wärst Österreicher und in den 70ern in der Ära Kreisky in die FPÖ eingetreten, weil Dir Freiheit wichtig ist. Da reicht dann die Selbsthilfegruppe nicht mehr, wenn Du nicht ganz schnell spätestens 86 wieder ausgetreten bist.

  2. Lutz hat mich gerade indirekt darauf aufmerksam gemacht, dass das Internet kein Kommaregelfreier Raum sein darf. Danke für die liebevolle Zensur.

  3. Ich habe gaaaaanz früher die FDP für eine wichtige Partei gehalten und zwar in der sozialliberalen Koalition, weil sie damals die freiheitlichen Aspekte relativ gut eingebracht hatte. Ich habe der FDP allerdings niemals verziehen, dass sie den einen Helmut (Schmidt) durch den anderen Helmut (Kohl) ausgetauscht hat und uns damit 16 Jahre Kohl-Regierung aufgezwungen hatte.

    Mit Parteien hatte ich fast immer Pech. Vor 30 Jahren war ich aktiv bei den Grünen und was ist aus dieser einstigen Partei mit guten Ansätzen geworden? Eine Spießer- und Verbotswahnpartei, schlimmer als das „Etablissement“, was vor 30 Jahren bekämpft wurde, jemals war.

    Jetzt bin ich Pirat. Mal schaun ob die auch mal „normal“ (korrupt, macht- und verbotsgeil) werden und dann durch eine neue Bewegung auch wieder abgelöst werden.

  4. Mei, Werner, die Partei bleibt wichtig, auch wenn sie derzeit bald nur noch unter „Sonstige“ sichtbar ist . Die Schmidt-Kohl-Erfahrung habe ich genauso wie Du gemacht, die Werte der FDP waren verdientermassen ähnlich grätig wie heute, und Otto Graf Lambsdorff habe ich immer sehr scheel (hihi, was für ein Wortspiel) angeschaut, aber heute ist durch die Gründung der Piraten das Potential an Leuten nicht mehr greifbar, das man gebraucht hätte, um die FDP wieder zu der Bürgerrechtspartei und Freiheitspartei zu machen, die sie mal war. Parallel sehe ich viel zu viele extremistische Umerzieher und Paternalisten bei den Piraten, so daß das mit den Bürgerrechten für mich keineswegs dort sicher aufgehoben ist. Einige der Piraten nennen sich „links“, was ich in der heutigen Zeit schon recht retro finde.

    Was die Grünen angeht: Die waren schon immer spießig unterwandert. Wundert mich nicht, daß die Dich nicht halten konnten. Wundert mich schon mehr, daß noch so viele von damals dabei sind 🙂

    Was ich mir nicht verkneifen kann: Schmeiß Deine Rechtschreiberkennung weg, wenn sie aus Establishment Etablissement macht. Wenn es auf Deinem Mist gewachsen ist: HIHI.

  5. Die Mechanik ist doch so simpel, werter Kollege Broy. Mangels profilierter, medien- und bevölkerungsbekannter Gesichter bei den Piraten wird jede Äußerung eines selbigen mit maximaler Empörung quittiert. Egal, ob von einem – analog zu den Parlamentsparteien – Hinterwäldler oder einem höheren Funktionär. All das wird von mit größtmöglicher Aufregung von den politischen Gegnern in den Medien kommentiert, und rumms, raschelt’s im Blätterwald:

    + Mangelnde Abgrenzung gegen Rechts -> Piraten also national
    + Emmaverbrennung -> Piraten sind Bücherverbrenner
    + Äußerungen zum Karfreitagstanzverbot -> Piraten gegen Kirche, Tradition & Werte
    usw. usw.

    Jeder öffentlich geäußerte Unfug einer jeden noch so unbedeutenden Piraten-Person wird zur Steilvorlage einer groß angelegten Diskreditierungskampagne. Man muss weder Pirat sein noch mit ihnen sympathisieren, aber so langsam ekelt mich das politische Gebahren der Polit-Agitatoren verschiedenster Coloeur nur noch an…

  6. Hallo Sebastian,

    ich hab hier gar keine Rechtschreibprüfung drin, ich tippe dummerweise nur schneller als meine Tastatur das mitbekommt und dann gehen ab und zu einzelne Buchstaben ab ins Nirvana.

    Was die Piraten betrifft, versuchen natürlich jetzt Lobbyisten, Wichtigtuer und Möchtegern-Politiker dort Fuß zu fassen. Nirgendwo ist es derzeit einfacher, ein Landtagsmandat zu bekommen als momentan bei den Piraten. Ich erinnere, dass derartige Übernahmeversuche verschiedener Leute auch bei den Grünen am Anfang stattgefunden hatten – Gruhl z.B. hat es nicht geschafft und dann die ÖDP gegründet.

    Daher muss man bei den Piraten durchaus aufpassen, wer sich da nach vorne drängt bzw. wer versucht, diese Partei zu dominieren. Wenn die Piraten aus dieser Situation gut rauskommen und sich vor allem von den entsprechenden Fanatikern und Lobbyisten distanzieren, könnte aus dieser Partei durchaus etwas werden. Zumindest die Grünen haben die Hosen gestrichen voll und die anderen Parteien haben – um im Bild zu bleiben – mehr als nur ein Tropferl in der Hose, und das ist auch gut so ™.

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