Was noch fehlt: Das Geschenk Gottes

Achtung – Zynismus

zynismus

… und wieder ist die große Stunde der Heuchler, der Profiteure und der Stimmungsmacher gekommen.
Da macht einer für sie die Drecksarbeit, einen Scheißjob, der neun anderen Menschen das Leben kostet und 27 Menschen zum Teil schwer verletzt. Ein absoluter, mörderischer Scheißjob – und vollkommen unnötig noch dazu.
Und noch während niemand etwas Genaues weiß und die Münchner Polizei vorbildhaft agiert, ist sie da: Die Stunde der Hetzer und Heuchler. Und wie jedes Mal (oder jede Mal mehr) dauert sie länger, und jedes Mal wird es widerlicher zu lesen, was der besorgte Otto Normalmensch und der zutiefst erschütterte Otto Normalminister schon währenddessen oder danach so von sich geben. Denn sie alle instrumentalisieren scham- und pietetlos das schreckliche Ereignis, dass ein 18jähriger Münchner sich eine Waffe besorgt hat (illegal, wie sonst?) und erst wild um sich und dann in sich geschossen hat.

  • Der Bundesinnenminister nutzt die Gunst der Stunde, wieder einmal das Verbot von „Killerspielen“ zu fordern. Das haben seine Amtsvorgänger nach Winnenden und Erfurt auch gemacht. Wie praktisch, dass es endlich wieder einen Ansatzpunkt dazu gibt.
  • Der bayerische Innenminister kann endlich wieder den Hardliner heraushängen lassen und über die von der Verfassung verbotene Einsätze im Inland nachdenken. Endlich kann er wieder sprüche klopfen ohne jemals in die Verlegenheit zu kommen, dass das auch tatsächlich umgesetzt wird.
  • Der Ministerpräsident kann mehr Polizei versprechen, was der Polizei gefallen wird und ihm den schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung sichert. Er kann eine Krisensitzung einberufen und landesweite Beflaggung auf Halbmast anordnen. Das sind erste ganz wunderbare Tätigkeitsnachweise.
  • Die Abartigen Faschisten Deutschlands (Afd) können endlich wieder hemmungslos gegen Ausländer im Allgemeinen, Asylanten im Besonderen, gegen Flüchtlinge und Muslime hetzen. Dass der Amoklauf damit rein gar nichts zu tun hat, ist dabei egal.
  • Besorgte bildungsnähere Bürger können blumenreich davon sprechen, dass das Trojanische Pferg geöffnet worden sei – oder wahlweise die Büchse der Pandora.
  • Die Besonnenen können ihr Rechthaben beweisen, dass sie immer schon vor der sozialen Verelendung und Verrohung der perspektivlosen Jugend hingewiesen haben – da hätte doch längst was geschehen müssen. Sie können der verfehlten immer dünner werdenden Sozialpolitik in diesem Land eine gehörige Mitschuld in die Schuhe schieben.
  • Jutta Ditfurth kann endlich wieder polemisieren, polarisieren und einen Krümel vom großen aufmerksamkeitskuchen erhaschen. Sie äußert sich dass in München die Polizei während des Einsatzes die Pressefreiheit aushebeln will, indem sie die Bevölkerung aufgerufen hat, Bilder und Videos statt ins Netz auf den Server der Polizei hochzuladen, damit diese ausgewertet werden können.
  • Normalmenschen können ihrem SocialMediaLeben das „once in a lifetime“ Highlight hinzufügen. Das kann man sich doch nicht entgehen lassen. Also twittern und facebooken sie, was das Zeug hält.
  • Faker können endlich Bilder aus ganz anderen Zusammenhängen suchen und mit großer Begeisterung ins Netz streuen – egal, ob Sydney oder sonst wo: Schießerei, Blutspur, Einkaufszentrum. Hier ist das Bild. Ja noch mehr: Man kann Gerüchte und Spekulationen koloportieren, von Schießereien schreiben, die es gar nicht gibt. Man kann sogar eine Panik an einem ganz anderen Ort in der Millionenstadt auslösen.
  • Andere können schon wieder ihre Twitter- und Facebook-Avatare durch Betroffenheitsbilder austauschen.
  • Die Medien können sich auflagen- und klickzahlenstützender Schlagzeilen sicher sein: „Heute wieder kein Amoklauf und kein Terroranschlag“ lockt schließlich keine Leser her.
  • Augenzeugen, Anwohner, Nachbarn können das Erlebte schldern, Terrorexperten ihre Meinung abgeben.
  • Frauke Petry kann endlich wieder sagen, dass Deutschland nicht mehr ihr Land ist, sie könnte doch langsam daraus die Konsequenzen ziehen und vielleicht den Gedanken der Auswanderung in sich reifen lassen.
  • Antifaschisten können zumindest eine Zeitlang die Hoffnung haben, dass es statt eines Amoklaufs ein Terroranschlag von rechts war, damit sie endlich auch wieder mal einen Trumpf in die Hand gespielt bekommen.
  • Islamisten können wieder eine Bluttat für sich reklamieren und erzählen, dass sie die Welt mit Terror überziehen werden – ganz gleich, ob diese Tat im unmittelbaren, mittelbaren oder gar keinem Zusammenhang steht. Die Abartigen Faschisten Deutschlands können danach endlich wieder sagen, dass sie das ja gleich gewusst haben, und die Aussagen der deutschen ermittelnden Polizei in Frage stellen. Denn natürlich glaubt man lieber dem IS als dem BKA.
  • Merkelgegner können mal wieder das Scheitern ihrer Politik belegen, denn mehr oder weniger hat die Kanzlerin den Amokläufer ja persönlich nach Deutschland eingeladen und für seine sichere Einreise gesorgt.
  • Bürger, die doch wohl noch mal Fragen stellen dürfen,  können das tun und sich erkundigen, wie es angehen kann, dass sich ein 18jähriger illegal eine 9mm Pistole organisieren kann.
    Verschwörungstheoretiker können selbige Waffe zum Anlass nehmen und die absurdesten Theorien entwerfen – und auf Anhänger dafür hoffen.
  • Ausländische Regierungsangehörige können sich revanchieren und sich auch mal mit Deutschland solidarisch erklären, dass sie dicht an unserer Seite stehen und uns alle denkbare Hilfe anbieten.
  • Rechtspopulistische ausländische Politiker können die wunderbare Stadt Deutschland bedauern und Konsequenzen für ihr eigenes Land fordern, damit so etwas niemals nicht bei ihnen passiert.
    Terroristen können am Folgetag ungestört und ohne großes Interesse 80 Menschen in Kabul umbringen – und niemanden interessiert es.

So ein Amoklauf kann – will man das zynisch gesehen – nämlich auch ganz praktisch sein, ein Geschenk, das einem in den Schoß fällt.
Einer macht die Drecksarbeit und jeder schlägt je nach seinen Interessen Kapital daraus: Schnell, laut, polemisch.

Nur eine Äußerung fehlt noch in der Schwemme der sich des Amoklaufs bedienenden Stellungnahmen: Der Satz

Es ist ein Geschenk Gottes.

So nämlich hat der größte Präsident aller Zeiten Erdogan den Putschversuch in seinem Land bezeichnet, bevor er anfing, diesen gnadenlos zu instrumentalisieren.

Ein Geschenk Gottes.

Wenigstens war der türkische Tierfreund entlarvend damit ehrlich.

Also sagt es doch einfach und dann haltet den Mund. Mich kotzt Ihr alle nur noch an… Twoff.

 

Text inspiriert von hunderten Tweets und aktuellen Pressemeldungen sowie einem Facebook-Post von Mik Kausch.
Meme von gute Zitate.de unter Verwendung eines Wikipedia Commons-Bildes.

 

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