Heute war es also so weit: Zum ersten Mal in diesem Jahrtausend fiel in München großflächig der Strom aus, und zwar richtig. Eine kleine Panne in einem Umspannwerk, drei Transistoren mit je 100 kVA hat es zerlegt, wie man hört. So etwas ist durchaus spektakulär, das knallt richtig, es raucht und kleine Porzellanteile fliegen herum, aber andererseits sind diese drei Transistoren so groß auch wieder nicht: 300 kVA reichen bei weitem nicht, um auch nur eine einzige Firma wie SpaceNet zu versorgen.
Und doch: nach diesem Vorfall ging das Netz in die Knie und schon verbrachte geschätzt jeder zweite Münchener sein Frühstück bei Kerzenlicht. Für einen Internetprovider und Rechenzentrumsbetreiber ist das nicht lustig. Natürlich haben wir ein paar ordentliche Dieselaggregate. Natürlich haben wir einen ganzen Lagerraum voller Batterien, die reichen Stunden und werden doch nur benötigt, bis der Diesel angesprungen ist. Aber dennoch: geht der Strom aus, gibt es kein Internet mehr. Nicht für uns, nicht für unsere Kunden. An diese Abhängigkeit wird man erinnert, wenn so etwas passiert.
Alles glatt gegangen, kein Ausfall bei uns, und der Strom ist auch längst wieder da. Eine Stunde später, um neun Uhr vormittags, wird im Radio bereits mit Anrufern diskutiert, ob das die ersten Vorboten der Energiewende wären. Auf unser zuverlässiges Stromnetz zu verzichten fiele uns schwerer als wir zunächst annehmen. In den Sechzigern fiel bei uns oft der Strom aus. Kindheitserinnerung. Mein Vater hatte immer ein Päckchen Streichhölzer und einen Kerzenstumpen am Sicherungskasten deponiert. Lag die plötzliche Dunkelheit nicht einfach nur an einer der chronisch überlasteten Sicherungen, so kam er mit der Kerze zurück und bald brannten im Wohnzimmer sieben oder acht davon.
Heute hat wohl kaum einer noch so ein Notfallset griffbereit. Ausfälle haben wir nicht, fertig. So etwas haben Amerikaner und Italiener, aber wir nicht. Und das ändert sich jetzt? Nur wegen der Energiewende?
Gut, daß keine Panik aufkommt, aber wieso eigentlich? Niemand spricht über die großen Projekte, die schwer zu stemmen sein werden, neue Trassen, die gebaut werden müssen und die die Demokratie auf die Probe stellen werden, denn angesichts der schweren Durchsetzbarkeit öffentlicher großer Bauvorhaben spricht man heute schon von einer „Verkürzung“ des Rechtswegs. Also, wieso schweigt die normalerweise doch recht gesprächige Volksseele? Das mag einerseits seinen Grund darin haben, daß wir eben doch mehr Dichter und Denker haben als Elektroingenieure. Wir können zwar alle Papst, Nationaltrainer und Bundeskanzler, aber Energiepolitik ist nicht einfach. Auch nicht für Politiker. Die sind jedoch mit etwas anderem beschäftigt: Tarnen und täuschen, Ablenkung ist alles.
Und so kommt es zu einer grotesken Stromkostendiskussion, die seit Wochen nicht mehr abebben will. Bizarre Sache das, es scheint tatsächlich so zu sein, daß steigende Preise für wachsende Kosten verantwortlich sein könnten. Das will niemand vorhergesehen haben? War das nicht mal Sinn der Sache? Strom ist zu billig, lasst ihn uns teurer machen, dann kaufen die Leute freiwillig Energiesparlampen und sparen auch sonst Strom? Hieß das damals nicht so? Aber wieso sollte man die Leute zu Energiesparmaßnahmen ermutigen, wenn man das durch simple Verbote regeln kann – das zusätzlich eingenommene Geld entlastet ja trotzdem den Haushalt.
Und jetzt will es wieder keiner gewesen sein. Stattdessen wird darüber diskutiert, wie man doch alle Unternehmen dazu bringt, den teuren Strompreis zu zahlen. Keine Ausnahmegenehmigung mehr für KFZ-Zulieferer und Aluminiumerzeuger. Das könnte uns teuer zu stehen kommen, denn immer noch zeichnet sich nicht ab, daß uns irgendein Land auf diesem Weg folgen wird, und so leidet unsere Konkurrenzfähigkeit.
Male ich zu schwarz? Nun, in den USA entstehen gerade große Rechenzentren, in denen der Strom weniger kostet als bei uns nur die EEG-Abgabe: 2ct. für die Kilowattstunde. Im Internetrechenzentrum zählt die Stabilität, die Qualität der Anbindung und die Sicherheit. Physisch kann ein Server doch stehen, wo er will. Vielleicht sollten wir wirklich umziehen. Bevor unsere Kunden das ohne uns tun. Schauen wir also, welche Richtung diese Diskussion nimmt.
Nur, so werden wir nie erfahren, was höhere Kosten wirklich mit sozialer Gerechtigkeit zu tun haben. Die Politiker halten uns für zu blöd, zu erkennen, daß höhere Produktionskosten letztlich zu höheren Endverbraucherpreisen führen werden. Nicht nur auf der Internetrechnung, sondern bei allem, wo künstlich verteuerter Strom verbraucht wird. Dazu braucht man kein Studium.