Frau, Leben, Freiheit – Zur Lage im Iran
Frau, Leben, Freiheit – Zur Lage im Iran Seit meiner Reise mit dem Zug durch den Iran vor nun schon sechs Jahren verbindet mich mit
Das N-Wort verfolgt uns überall: in den Büchern unserer Jugend – jedenfalls wenn wir ein wenig älter sind – in Filmen, in den Debatten der aktuellen Medien. Die meisten bemühen sich um eine korrekte Sprache und selbst jene, die es nicht tun, sind in meinen Augen oftmals eher weiße Opfer des jahrhundertealten Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft, denn bewusste Rassisten. In ihnen nagt der Rassismus, aber sie sind weit davon entfernt sich in eine rassistische Ausbeutergesellschaft zurück zu wünschen. Sie bemerken vielleicht nicht, dass es noch immer rassistische Elemente in unserer Gesellschaft gibt, wenn der Anteil der Weißen unter den Hotelgästen in Berlin besonders hoch ist, der Anteil der Schwarzen unter den Barkeepern extrem hoch ist und der Anteil der PoC unter den Reinigungskräften bei 100 Prozent liegt. Und wenn der bayerische Innenminister Joachim Herrmann Roberto Blanco öffentlich einen „wunderbaren Neger“ nennt, dann darf man davon ausgehen, dass er den Sänger immerhin nicht in Privatbesitz und Leibeigenschaft überführen will.
Im Großen und Ganzen und jenseits bayerischer Regierungs- und Stammtischparolen bemüht sich unsere Gesellschaft wenigstens in der Sprache stärker um den Abbau von Rassismus, als in der sozialen Realität.
Ein besonders eindruckvolles Beispiel für eine bemüht aufklärerische Sprache – und dies meine ich ganz aufrichtig – ist mir vor wenigen Tagen im Kirchenmuseum Bad Windsheim begegnet. Hier versuch man nicht einach das berüchtigte N-Wort zu vermeiden, sondern man deckt die eigene Sprachgeschichte als Museum und Kirche auf. Man macht sich nackt – für eine kirchliche Einrichtung ein unerhöhrter und beispielhafter Vorgang, dem Anerkennung gebührt.
Das Museum Kirche in Franken ist Teil des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim und das erste Kirchenmuseum im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Es zeigt neben einer Dauerausstellung zur Geschichte des Protestantismus in Franken auch immer wieder spannende Wechselausstellungen, zur Zeit eine ganz wunderbare Ausstellung über die Geschichte kirchlicher Migration, über die Einwanderung von Hugenotten aus dem katholischen rankreich und der Exulanten aus Österreich ins evangelische Franken des 17. Jahrhunderts, also in die damaligen freien Reichsstädte und die beiden brandenburgischen Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth bzw. Kulmbach.
Ein Exponat der Ausstellung ist eine Missionsspardose in Gestalt eines Schwarzen Mannes. Früher nannte man eine solche Figur einen „Nickneger“. Das N-Wort muss zum besseren Verständnis dieses eine Mal genannt werden. Die Bezeichnung erklärt sich aus einer eingebauten kleinen Mechanik: warf man eine Münze in den Einwurfschlitz, so sorgte eine versteckte mechanische Einrichtung im Innern der Figur dafür, dass der Kopf des Mannes nickte. Solche dankende Figuren als Spendenbehälter gab es früher in Form aller möglicher Ethnien, aber auch in Engelsgestalt, häufig ergänzt um Zitate wie „Willst du den Heiden Hilfe schicken, so lass mich Armen freundlich nicken“. Siehe hierzu einen Artikel in der Zeitung „volksfreund“ über einen Sammler solcher Spardosen.
Das Museum Kirche in Franken klär nun nicht nur über den klar rassistischen Hintergrund von Mission und Spardose auf, sondern zeigt auch offen, wie mühsam die Entwicklung der Ausstellungsverantwortlichen hin zu einer nicht-rassistischen Sprache verläuft. Neben der Spardose steht nämlich – ohne jeden weiteren Kommentar – eine ältere Originalbeschreibung zum Objekt und eine aktualisierte und korrigierte Fassung der Beschreibung. Die ältere Version stammt vermutlich noch vom Leihgeber, dem Landeskirchlichen Archiv Nürnberg, die aktualisierte Version vermutlich von den Ausstellungsverantwortlichen in Bad Windsheim. Beide Texte habe ich unten wiedergegeben:
„Missionskassen, wie sie seit der 2. Hälfte des 19. Jhs. in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen aufgestellt wurden, um für Almosen zur Finanzierung der Mission zu werben. Sie existierte auch mit Figuren anderer Völker, wie Inder, Eskimos und Chinesen. Die europäischen Missionare sahen es im 19. Jahrhundert als Verpflichtung an, diesen „rückständigen“ Menschen die christliche Religion und Kultur nahe zu bringen. Das Nicken der Figur beim Einwurf einer Münze gilt als Danksagug an den Spender. Es symbolisiert den Erziehungserfolg der Missionare und die klare Rollenverteilung von großzügig Gebendem und dankbar Nehmendem. Noch in den 1960er Jahren war diese Art von Sammelgefäß v.a. in Kindergottesdiensten, Kindergärten und Schulen verbreitet.“
„Eine der vielen Missionskassen, wie sie seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen aufgestellt wurden, um für eine Spende zur Finanzierung der Mission zu werben. Sie existierte auch mit Figuren anderer Ethnien, wie z. B. die auf Grönland und im arktischen Nordamerika lebenen oder in China beheimateten Menschen. Die europäischen Missionare sahen es im 19. Jahrhundert als Verpflichtung an, Zugehörigen anderer Kulturkreise die christliche Religion und Kultur nahe zu bringen.
Das Nicken der Figur beim Einwurf einer Münze galt als Danksagung an den Spender. Es symbolisiert damit den (sic!) Stereotyp des weißen großzügigen Heilsbringers und gleichzeitig des passiven, unterwürigen und hilfebedürftigen schwarzen Menschen. Noch in den 1960er Jahren war diese Art von Sammelgefäß v.a. in Kindergottesdiensten, Kindergärten und Schulen verbreitet.“
Die Ausstellungsmacher in Bad Windsheim bemühten sich redlich. Nicht nur haben sie das N-Wort komplett gestrichen, auch der „Eskimo“ kommt nicht mehr vor. Auch dieser Begrif ist heute umstritten und wird von einigen – nicht von allen – häufig so bezeichneten Menschen als diskriminierend empfunden. Der neue Text nutzt das Wort Almosen nicht mehr, denn faktisch handelte es sich um eine Spende für die Missionsarbeit. Das Geld diente nicht der Linderung von Not, sondern der Missionierung, also Zwecken, die von den Gebenden vordefiniert waren. Viele editorische Arbeiten machen den Mühsal der Ausstellungsmacher deutlich.
Und doch ist ihnen ein kleiner Fehler unterlaufen. Wenn sie von „hilfebedürtigen schwarzen Menschen“ schreiben muss es eigentlich „hilfebedürftigen Schwarzen Menschen“ heißen. „Schwarze Menschen“ ist eine Bezeichnung, die sich die Betroffenen selbst gegeben haben und sie meinen nicht die Farbe der Haut, sondern sie bezeichnen ihre Betroffenheit von Rassismus als Gruppe. Um dies deutlich zu machen wird „Schwarz“ in diesem Zusammenhang immer groß geschrieben. Wir reden von Schwarzen Menschen, nicht von schwarzen Menschen. Der Kaminkehrer ist schwarz, der vom Rassismus Betroffene ist Schwarz. Seine Haut hat mehr Farben, als das schwarze Töpfchen im Farbkasten.
Aber das werden die Ausstellungsmacher in Bad Windsheim sicherlich auch noch ändern. Sie machen einen tollen Job.
Illustrationen © Michael Kausch
Frau, Leben, Freiheit – Zur Lage im Iran Seit meiner Reise mit dem Zug durch den Iran vor nun schon sechs Jahren verbindet mich mit
Da muss einer so alt werden, um schreiben zu lernen wie der junge Böll. Erst wollte ich es ja nicht lesen. Es muss ja nun
Die aktuelle Hochtemperaturdebatte um den Auftritt von Elke Heidenreich bei Markus Lanz bringt das Problem des alltäglichen kleinen Rassismus ja mal wieder in die Klatschspalten.
Czyslansky ist das Blog von Michael Kausch. Hier schreibt er privat über alles, was ihn interessiert: Literatur, Hifi, Musik, Reisen, Fotografie, Politik und Digitalkultur.
Beruflich ist er als Kommunikationsexperte spezialisiert auf strategische und konzeptionelle Unternehmensberatung und Coaching im Bereich integrierter Unternehmens- und Marketingkommunikation, Markenkommunikation, Reputationsmanagement, Krisen-PR, strategisches Social Media Marketing, Inbound Marketing und vertriebsorientierte Öffentlichkeitsarbeit.