Das siebentorige Theben

Bertold Brecht hat mindestens ein Gedicht geschrieben, das mich bereits zu Schulzeiten genervt hat. Ein gutes Beispiel ist das folgende Gedicht:

Fragen eines lesenden Arbeiters

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
usw. usf.

Das muss ich jetzt nicht nochmal zur Gänze hinschreiben, ich fürchte ja, daß man bei uns ohnehin kaum bis zum Abitur kommen kann, ohne von einem enthusiastischen Deutschlehrer mit diesem platten Propagandastück genervt worden zu sein. Was will uns der Autor damit sagen? Brecht wollte sagen, daß kein König ohne Arbeiter irgendetwas bauen könnte. Ich hätte damals ja gerne eingewendet, daß es Arbeiter ohne einen König auch nicht weiter gebracht hätten, aber unser Deutschlehrer war damals auf gruselige Art linksreaktionär.

Spätestens jetzt wissen wir natürlich, daß Brecht den Nagel weit weg vom Kopf getroffen hat. Wer wirklich etwas bauen will, braucht vor allem die Fähigkeit, allfällige Bürgerinitiativen zu überstehen. Ein siebentoriges Theben hätte heute keine Chance mehr, nicht einmal einen Kölner Dom könnten wir heute noch bauen. Eine Flughafenstartbahn? Niemals. Mit ein bisschen Glück reicht es nun zu einem Bahnhof in Stuttgart. Immerhin war eine Mehrheit dafür. Aber Spaß wird das keiner. Bei jeder Kostenüberschreitung werden sich wieder grimmige Bürger transparentschwingend auf der Baustelle versammeln – was sich sicher nicht kostensenkend auswirken wird.

Hoffentlich werde ich nicht falsch verstanden. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß in Stuttgart einiges recht ungeschickt angestellt worden war. Der Widerstand war für mich durchaus nachvollziehbar, das Vertrauen war nicht grundlos dahin. Andererseits kämpfen die S21-Gegner auch mit harten Bandagen, und mit Demokratie hat dort alles eher wenig zu tun. Nachdem ja nun die Bürger ein eindeutiges Votum abgegeben haben, beschweren sich die unterliegenden Bahnhofsgegner: Die Fragen auf dem Wahlzettel seien unverständlich formuliert, ein Ja sei eigentlich ein Nein und umgekehrt und das verwechsle man schnell.

Ganz logisch ist das nicht, die Bahnhofsgegner haben über den Intelligenzquotienten der Befürworter wenig schmeichelhafte Vermutungen angestellt. Somit erhebt sich aber die Frage, inwiefern dann die komplizierte Formulierung auf dem Wahlzettel nicht die angeblich Schlaueren begünstigte. Schlechte Verlierer. Andererseits bin ich auch nicht besser – ich akzeptiere immer noch nicht, daß wegen ein paar kurzsichtiger Spießer bei uns lange noch kein Transrapid fahren wird.

Bildquelle: flickr.com

4 Antworten

  1. Lieber Sebastian, du darfst bei deinen Ausführungen keines Falls vergessen, dass sich unsere jüdisch/christliche Kultur auch auf ein Bürger(auf)begehren gegen ein großes Bauprojekt gründet.

    War es nicht der Wutbürger Moses, der seine Mit-Gastarbeiter (mit Migrationshintergrund) aus lauter Protest durch das (rote) Meer von ägyptischen Wasserwerfern führte?

    Eine frühlinke Arbeiterbewegung interpretierte diesen Exodus zu einem Aufbegehren gegen die schlechten Arbeitsbedingungen auf der Pyramidenbaustelle um und feiert Moses als eine Art ersten Gewerkschaftsführer. In Wahrheit sollten aber für die Pyramiden einige wunderschöne alte Dattelpalmen gefällt werden und das war für das Volk Mose einfach nicht hinnehmbar.

  2. Lieber SvB,

    ich merke: Du hast den Schachzug der Süd-West-Grünen nicht verstanden: es geht gar nicht um einen Bahnhof – es geht um ein Endlager!
    Es ist doch wohl kein Zufall, dass ausgerechnet einen Tag vor der Volksabstimmung über die Grabungen in Stuttgart der grüne Minipräsident auf dem grünen Parteitag Baden-Würtemberg wieder als möglichen Standort für ein atomares Endlager ins Spiel bringt. Ich zitiere die Deutsche Welle (nicht zu verwechseln mit der Wester Welle): „Nüchtern (*) erklärte der 63-Jährige den Delegierten, dass es auch in seinem Bundesland geeignete geologische Formationen für ein nationales Endlager gebe. Auch diese kämen selbstverständlich in Frage. Natürlich habe er mit diesem Angebot keine Hurra-Rufe in Baden-Württemberg ausgelöst. ‚Aber es geht nicht um Geografie, sondern um Geologie‘, argumentierte Kretschmann, der für sein Wirken als Landesvater bisher viel Zustimmung bekommt. ‚Das einzige Kriterium kann sein: Was ist der sicherste Standort? Und da kommt das Endlager dann hin!'“
    Und was könnte sicherer sein, als der Unterbau der schwäbischen Landeshauptstadt? Kein Nachtleben, aber regelmäßige Kehrwochen-Happenings. Und was ist schon die ehemalige Zonengrenze bei Gorleben gegen die schwäbische Sprachgrenze – eben!
    Kein vernünftiger Mensch kann auf die Idee verfallen, dass es sinnvoll ist, Stuttgart mittels moderner Bahntechnologie ein paar Stunden früher zu erreichen. Und um Stuttgart zu verlassen braucht es keinen Durchgangsbahnhof, sondern nur die Abfahrtsgleise eines Sackbahnhofs. Das weiss auch Kretschmann. Wer Stuttgart aufgräbt sucht etwas ganz anderes.
    Nun also bekommen die Grünen, wogegen sie sich freilich öffentlich noch ein wenig sträuben müssen: ein lukratives atomares Endlager bei gleichzeitiger Befriedung des Wendlands. Die Kehrwoche hat eine strahlende Zukunft!

    * Über einen bayerischen Landesvater würde man so etwas nie schreiben …

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