Jetzt schreien sie wieder, die emsigen Verfechter der Meinungsfreiheit, seit Justizminister Heiko Maas sich mit Vertretern von Facebook getroffen hat. Ziel des Gesprächs sollte ein effektives Eindämmen der Hassbotschaften in dem sozialen Netzwerk sein. Eine Taskforce wird nun gegründet, was das bringt und ob das überhaupt hilft, wird die Zukunft zeigen.
Für die Verteidiger der unbedingten Meinungsfreiheit ist dieser Plan ein rotes Tuch. Sie fordern, was sie immer tun: Ihr uneingeschränktes Recht, ihre Meinung kund zu tun. Und dieses Recht bitteschön für alle – selbst wenn es der besorgte Bürger ist. Oder der Hassbotschafter. Sie wittern Zensur und Einflussnahme und machen sich so ungewollt zum Fürsprecher einer Entwicklung, bei der freie Meinungsfreiheit fehlgedeutet wird als Freibrief für strafrechtlich relevantes Handeln. Denn im Digitalen wiederholt sich nur, was in der Medienlandschaft wie auch in allen anderen öffentlichen Diskussionen schon immer Usus war: Das Recht auf freie Meinungsäußerung war und ist schon immer eingeschränkt gewesen durch Bürgerliches Recht und Strafrecht.
Welch eine Überraschung, wenn plötzlich im Netz umgesetzt werden muss, was Common Sense im realen Leben ist.
Nun kann man sagen: Jeder kann immer und überall in unserem Land seine Meinung äußern, er muss eben nur mit entsprechenden straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen leben. Aber so ist es nicht und so war es nie. Schon früher haben Gerichte Urteile gefällt, dass bestimmte Aussagen öffentlich nicht (mehr) getätigt werden dürfen… nämlich immer dann, wenn sie strafrechtliche Relevanz haben.
Dabei ist das Spektrum einigermaßen groß. Das fängt an mit der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) an, geht über den Aufruf zu einer Straftat (§ 111 StGB) bis hin zur Volksverhetzung (§ 130). In diesen gesetzlichen Rahmen fällt übrigens auch die Holocaustleugnung, die keinen eigenen Strafbestand darstellt sondern nach den bereits erwwähnten § 189 und ggf. § 130 geahndet wird.
Und das ist noch lange nicht alles. Da wären zum Beispiel noch Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186) oder Verleumdung (& 187 StGB), die ebenfalls Straftaten sind und das Recht auf unbedingte, freie Meinungsäußerung erheblich einschränken. Was auch richtig ist.
Noch einmal: Das ist nicht neu.
Also wird man eben doch nicht dieses oder jenes sagen dürfen – zumindest nicht öffentlich. Und hier liegt das große Problem der Facebook-Nutzer. Vielen will es einfach nicht in den Kopf, dass jeglicher Post bei Facebook von deutschen Gerichten als eine öffentliche Äußerung angesehen wird, ganz egal, wie man seinen Account eingestellt hat und ganz egal, ob es ein Post im eigenen Profil oder mit Hilfe der Kommentarfunktion auf anderen Seiten ist.
Auch das ist nicht neu.
Das gilt auch nicht nur für besorgte Bürger. Das gilt für alle. Es ist völlig egal, ob sich die Hassbotschaft gegen Ausländer, Kinder, Asylsuchende, Schwule, Fans des gegnerischen Fußballvereins oder wen auch immer richtet.
Wer ein wenig willens ist, aus der Geschichte (auch der digitalen) zu lernen, der sollte wissen, dass sich bereits vor Jahr und Tag die deutsche Justiz diese Sicht der Dinge angeeignet hat. Das geschah, als Shitstorms groß in Mode kamen und Facebook-Nutzer völlig bar jeglicher Vernunft anfingen, wüsten Beschimpfungen über ihre aktuellen Arbeitgeber ins Netz zu stellen. Selbige reagierten verschnupft mit sofortiger Kündigung, was die Angestellten nicht nachvollziehen konnten und mti der Begründung, es handle sich um ihre Privatmeinung, und die werde man doch mal äußern dürfen, zum Arbeitsgericht marschierten.
Nun. Eben das durfte man nicht – also seine Meinung in dieser Form öffentlich kund tun.
So sahen es vor einigen Jahren schon die Gerichte und gaben den Kündigungen Recht. Facebook war eben immer schon eine öffentliche Bühne. Auch wenn es damals eher um Beleidigung, üble Nachrede, oder Verleumdung ging, entscheidens ist, dass eine in einem sozialen Netzwerk getätigte Meinungsäußerung immer als öffentlich gewertet wird.
Es ist mittlerweile zu einer Flut an Anzeigen gekommen, Polizei und Staatsanwaltschaft haben alle Hände voll damit zu tun, denn zahlreiche Facebook-Gruppen und Einzelpersonen begnügen sich schon lange nicht mehr damit, Hassbotschaften zu dokumentieren, Facebook zu bedrängen, diese zu löschen und über die kruden Äußerungen zynisch zu spotten.
Angezeigt wird, was auch nur irgendwie in Verdacht steht, strafrechtlich relevant zu sein. te längst die Hundertermarke überschritten haben.Die erste Runde der Verurteilungen ist durch – für ein Hasspost werden schnell mal 4.800 Euro fällig.
Die Anzeigenflut dürfte auch ein Grund für Heiko Maas gewesen sein, darauf zu drängen, dass Facebook schneller und konsequenter solche Inhalte von seiner Seite herunterschmeißt. Was nicht da ist, kann nicht nur nicht gelesen werden, es kann auch nicht angezeigt werden.
Es wird sich zeigen, ob die Taskforce irgendetwas bringt oder nicht. Bis dahin wird eben weiter die Staatsanwaltschaft bemüht. Denn die Hassbotschaften werden aktuell trotz bereits einschlägigerer Verurteilungen durch deutsche Gerichte nicht weniger sondern mehr.
Gegen die Dummheit der sich in Facebook äußernden User ist eben kein Kraut gewachsen… das wird man doch wohl noch sagen dürfen.
Eine Antwort
Was diese straf- oder zivilrechtlich relevanten Aussagen angeht, gebe ich dir völlig recht. Was analog Unrecht ist, ist auch digital Unrecht.
Ich als selbst ganz und gar unbesorgter Bürger, finde es aber bedenklich, wenn die Besorgten ihrer Besorgnis nicht Ausdruck verleihen dürfen, ohne zum Beispiel eine Entlassung zu fürchten.
Wie Jan Böhmermann Gestern in der Vice sagte: „Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Leute beim Arbeitgeber verpfiffen werden“ http://www.vice.com/de/read/ich-moechte-nicht-in-einem-land-leben-in-dem-leute-beim-arbeitgeber-verpfiffen-werden-jan-boehmermann-206
Man muss keine Ausländer mögen, auch keinen Flüchtlingen helfen und kann ganz allgemein einfach ein Arschloch sein … das ist wichtig!