Am vergangenen Mittwoch trafen sich die Freunde Czyslanskys in einem jüdischen Lokal in München zum Redaktionstrunk. So war es denn auch wenig überraschend, dass wir uns in Verbindung mit der gleichzeitigen Papstwahl einen redlich schwachen jüdischen Witz anhören mussten. Was angesichts der versammelten Herren allerdings verwunderte, war,  dass dies nicht sogleich in einen regen Austausch gepflegter Altherrenscherze ausuferte. Noch nicht einmal über den „jüdischen Witz“ als literarisches oder kulturelles Phänomen haben wir uns im Anschluss zerstritten.

Dabei ist der gute jüdische Witz eine Waffe des Widerstand, entstanden im Mittelalter mit den „Badchonim“, den wandernden jüdischen Minnesängern, die das – jüdische – Volk auf unterhaltsame Weise zu belehren trachteten. In Anbetracht der zahlreichen antisemitischen Pogrome – aber auch der häufig autoritären und vermachteten Strukturen in den jüdischen Gemeinden – durften Wahrheiten oftmals nur in komödiantisch verkleideter Form ausgesprochen werden. Insofern ist die gesellschaftliche Funktion des jüdischen Witzes durchaus mit dem deutschen Karneval zu vergleichen.

Carlo Schmid etwa schreibt treffend: „Der jüdische Witz ist heiter hingenommene Trauer über die Antinomien (Widersprüche) und Aporien (Unlösbarkeiten) des Daseins.“ (Quelle: DER SPIEGEL 51/1960)

Was aber ist ein guter jüdischer Witz? Na, das hier zum Beispiel:

Die israelische Zeitung Haaretz berichtet über den Absturz einer ElAl-Maschine über dem jüdischen Friedhof von Berlin Weißensee mit dem Hinweis, dass die geborgenen 10.000 Toten nach Israel überführt werden.

Was macht diesen Witz nun zu einem sehr guten?

Die zwei Wochen später erschienene Meldung, dass der Präsident der jüdischen Gemeinde in Berlin nun einen Käufer für das Grundstück des ehemaligen jüdischen Friedhofs Berlin Weißensee sucht.

Und was ist das ambivalente Moment eines guten jüdischen Witzes?

Dass ihn ein durchschnittlich reaktionärer Antisemit ebenso gut erzählen kann. Nur: er hat erheblich weniger Spaß dabei, als ein Mitglied der jüdischen Gemeinde. Abgesehen von deren Präsident natürlich …

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Nachtrag: Wer den wunderbaren jüdischen Friedhof in Weißensee nicht kennt, dem sei ein ebenso wunderbarer kleiner Film empfohlen: „Im Himmel, unter der Erde„.

5 Antworten

  1. Der schönste jüdische Witz geht folgendermaßen:

    Mosche und Joschele haben Streit. Mosche geht zum Rebbe und erzählt ihm die Gesichichte aus seiner Sicht.

    Rebbe sagt nach einigem Nachdenken: „Mosche, muss sagen: host Recht!“

    Mosche geht glücklich nach Hause. Ein paar Minuten später kommt Josche rein und erzählt dem Rebbe die Sache aus seiner Sicht.

    Rebbe sagt nach einigem Nachdenken: „Mosche, muss sagen: host Recht!“

    Joschele geht glücklich nach Hause. Da tritt die Frau des Rebbe, die das Ganze in der Küche gehört hat, ins Zimmer und schimpft mit ihrem Mann: „Rebbe, konnst nicht sogen das Moschele Recht hat und Joschele auch!“

    Rebbe sagt nach einigem Nachdenken: „Frau, host Recht!“

  2. Mein Favorit stammt aus der Abteilung „Ökumene“:

    Ein katholischer Prieser, ein Rebbe und ein evangelischer Pastor tauschen sich aus, wie sie es so mit der Kollekte halten.
    Der Protestant sagt natürlich: „Ich führe alles 1:1 an meine Landeskirche ab. Wie es sich gehört. Für mich bleibt da nichts. Das ist doch wohl selbstverständlich.“
    Der Prieser schüttelt ein wenig herablassend den Kopf und sagt: „Bei mir gehen 20% nach Rom. 60% bleiben in der Gemeinde und der Rest…“ Er lächelt wissend.
    Darauf der Rebbe: „Ich werf alles in die Luft und ruf: Elohim, nimm was Du brauchst. Was zurückkommt ist für mich.“

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