Als ich und das Internet noch jünger waren, gab es keine WLANs. Man suchte sich eine Telefondose, fummelte mit diversen Kabeln und Adaptern rum, schloss sein Modem an und surfte – hoffentlich – los in einem Tempo, bei dem der heutigen Online-Jugend die Gesichtszüge vermutlich nach kurzer Zeit einschlafen würden.
Dann kamen die ersten WLANs auf. Es war eine unschuldigere Zeit, damals, und niemand wäre auf die Idee gekommen, sein WLAN per Passwort abzuschließen. Ich war damals gerade in New York, und die Leute setzten sich mit dem Laptop ins Café, suchten den nächstbesten privaten WLAN in der Nachbarschaft, loggten sich ein und surften los.
Es war die große Zeit der großen Visionäre. Einer von Ihnen war Nick Negroponte, der legendäre Chef des MIT in Boston, der eine Kolumne in „Wired“ schrieb, dem Kultmagazin für die neue Leserschicht der „Digerati“. Das WLAN werde die Welt der Telekommunikation von Grund auf verändern, schrieb er damals. Das Netzwerk von Morgen werde aus Millionen von Hotspots bestehen, die ganz normalen Menschen gehören und deren Bereiche sich eines Tages so dicht überlappen werden, dass wir immer irgendwo Empfang haben werden. Er nannte es das „Wasserlilien-Netzwerk“: Wenn man in einem Teich Wasserlilien anpflanzt, schwimmen anfangs nur ein paar einsame kreisrunde Blätter auf der Oberfläche. Im nächsten Jahr sind es schon viel mehr, und irgendwann ist der Teich komplett zugewachsen.
Wenn aber erst einmal die WLANs zu einem weltweiten Teppich zusammengewachsen sind, so der gute Nick, dann wären die großen Netzwerke der telefonfirmen überflüssig. Mails und Sprachkommunikation könnten einfach von Blatt zu Blatt hüpfen wie ein digitaler Frosch. Ein solches Netzwerk wäre autonom, das heißt es würde sich selbst verwalten: eine Art basisdemokratisches Netzwerk, das uns allen gehört und niemandem, so nach dem Motto: „Wir sind das Netz!“
Ach, was war das für ein schönes Traum, damals. Und wie sieht heute die brutale Realität aus?
Ich bin zufällig wieder mal in New York, und hier im West Side wimmelt es geradezu vor WLANs. Hier in der West 75th Street, einem typischen Mehrfamilienhaus aus Backstein, wohnen acht Parteien, und die Nachbarhäuser sind alle ungefähr genauso groß. Wenn ich die Liste der empfangbaren WLANs öffne, zähle ich irgendwo zwischen 18 und 25 Stück mit Namen wie „Cinderelly Network“, „GirlsOfEast13th“, „Guiness88“ oder „AllThatJazz“. Und hinter jedem einzeln dieser verdammten Hotspots ist ein Schloss zu sehen das symbolisiert: „Dieses WLAN ist abgeschlossen und ist nur mit Hilfe eines Passworts zugänglich“.
So viel zum Negropontes Wasserlilien. Da hilft nur eines: Ich gehe jetzt ins MOMA und schaue mir das Triptychon von Monet an. Seine Wasserlilien sind immer noch die schönsten, die je gemalt wurden, und man muss kein Passwort haben, um die zu sehen. Nur Eintritt zahlen…