Jetzt ist amtlich: Internet-Nutzer werden Tag für Tag von ihren Providern belogen und betrogen. Die Bundesnetzagentur hat in dem bislang größten Test von so genannten „Hi-Speed“ Internet-Anschlüssen festgestellt, dass nur jeder fünfte Kunde tatsächlich die versprochene Übertragungsleistung, für die er bezahlt, auch abrufen kann. Knapp 69,2 % der Nutzererreichten 50% der vermarkteten Datenübertragungsrate oder mehr.
Eigentlich sollte uns das nicht überraschen. Unsere Provider sagen uns beim Vertragsabschluß, jedenfalls wenn wir nachfragen, dass wir unsere Anschlüsse in der Regel mit anderen teilen müssen. Nein, sie sagen uns nicht, mit wie vielen wir teilen müssen. Aber man merkt es schon: Morgens, wenn alle mit der Kaffeetasse am Rechner sitzen und Mail ziehen oder sich einen Nachrichtenüberblick verschaffen wollen, ist „das Internet“ oft quälend langsam, abends zwischen 19 und 22 Uhr meist noch langsamer. Wenn wir wirklich schnell surfen wollen, dann müssen wir uns den Wecker stellen, am besten auf 3 Uhr morgens oder so. Das lutscht es meistens. Wir älteren Netznutzer sind da klar im Vorteil: Die senile Bettflucht treibt uns oft zu nachtschlafender Zeit an den Computer, wenn Ihr Jungen (ja, @michael, damit bist du gemeint!) noch mit dem Sandmännchen unterwegs seid.
Es gibt im Internet eine Menge Möglichkeiten, sich selbst von dem Wahrheitsgehalt der Werbeversprechen unserer Provider zu überzeugen. Meiner, die Salzburg AG, bucht mir Monat für Moant 50 Euro für die Flatrate vom Konto und verspricht mir dafür „bis zu 51.200 Kilobit pro Sekunde. Laut dem Speedtest von Computer-Bild bin ich gerade mit mickrigen 2.854 kbit/sec online unterwegs. Von wegen Hi-Speed auf die Alm, wie die österreichische Bundesregierung vor ein paar Jahren großspurig verkündete.
Oder vielleicht doch nicht? Wenn ich auf die Seite der „Initiative Netzqualität“ wechsele und deren Test laufen lasse, meldet mir die Maschine eine Download-Geschwindigkeit von 51.417 kbit/sec. Da fehlen ja nur lächerliche 583 Bits in der Sekunde!
Kann es also sein, dass es an den Tests liegt, dass Deutschlands Internet lahmt?
Oder ist es vielleicht vielmehr so wie immer, dass man nur einer Studie trauen darf, die man selbst gefälscht hat? Die Autoren der Studie arbeiten bei der Firma Zafaco in München, die davon lebt, für Firmenkunden Benchmarking-Services anzubieten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aber es sei doch die Frage erlaubt, ob man hier nicht den Bock zum Gärtner macht, denn es wäre eigentlich nicht im Interesse eines solchen Dienstleisters, wenn am Ende herauskäme, das alles Bestens ist. Zafaco lebt, etwas vereinfacht ausgedrückt, vom Misstrauen der Internet-Nutzer ihren Providern gegenüber. Und eine ruckelnde Netzverbindung kann viele Ursachen haben, einschließlich die eigene Hardware oder der allgemeine Netzzustand zu einem gegebenen Zeitpunkt.
Außerdem ist Geschwindigkeit immer etwas Relatives und hängt häufig stark vom subjektiven Empfinden ab. Ich habe den Wechsel vom Akustikkoppler zu meinem allerersten „Hi-Speed“ Modem mit 57 bit/sec damals als den Umstieg vom Käfer zum Turbo-Porsche erlebt. „Mehr Bandbreite, bitte“ war die Mantra der frühen Internet-Generation, und sie ist es bis heute geblieben.
Nicht, dass ich damit die Provider reinwaschen will. Die haben sich tatsächlich auf den Vertrieb von Wunschkennzahlen verlegt, die auf dem Mist der Marketingabteilungen und nicht der ihrer Techniker beruhen. Als viel ärgerlicher empfinde ich die hohlen Versprechen von Telekom-Chef René Obermann & Co., die uns mit dem Versprechen von schnellem Internet „wo du gehst und stehst“ ködern. Ich habe ihn auf der CeBIT gefragt, ob er schon mal versucht hat, zwischen Rosenheim und Salzburg oder zwischen Memmingen und Lindau im Auto Mails zu ziehen. Ja, das Internet ist allgegenwärtig, aber nur, wenn man das Glück hat, im Bereich eines entsprechenden Sendemasts zu sein. Das angeblich „beste Netz Deutschlands“ (O-Ton Obermann) ist löcherig wie ein Schweizer Käse, und das weiß er auch. Wie viel schlimmer muss es bei den anderen sein?
Wir sind vom Traum des Digitalen Beduinen, der auf einem Kamel durch die Wüste reitet von einer digitalen Oase zur nächsten, ist noch lange nicht Wirklichkeit. Bis es soweit ist, werden wir uns wohl oder übel mit Werbesprüchen trösten müssen – oder ein bisschen früher aufstehen.