Manche Leute haben einfach zu viel Zeit. Namentlich solche, die sich dem neuen Internet-Volksport hingeben, nämlich der Suche nach dem Googlewhack. Es handelt sich dabei um eine Unterdisziplin des Web-Suchens, deren Ziel es ist, zwei Begriffe zu finden, deren Eingabe Google zum Ausspucken von nur einer einzigen Fundstelle führt. „To whack“ bedeutet im Englischen unter anderem „abhacken“. Ein Synonym wäre also „to chop off“. Dass „to whack off“ vulgärsprachlich so viel bedeutet wie Liebe machen mit jemandem, den man sehr, sehr gerne hat (siehe „Autoerotik“), erhöht nur den Reiz der Wortschöpfung.
Als eigentlichen Erfinder des Ausdrucks „Googlewhacking“ bezeichnet sich ein gewisser Gary Stock, im Hauptberuf CTO von Nexcerpt, einem Online-Clippingdienst mit Sitz in Kalamazoo, Michigan. Wie es dazu kam hat er selbst auf der Website „unblinking.com“ dokumentiert. Die erste Erwähnung des Wortes stammt, wie er schreibt, aus einer Mail vom 8. Januar 2002, in der steht:
„I’ve gotten addicted to looking for combinations of common words which have the lowest incidence of appearance on web pages, as indexed by google. So far, I have yet to find a set of two common english words which do not appear together on any web pages…“
Zu diesem Zeitpunkt war es ihm lediglich gelungen, erfolgreiche Dreierkombinationen zu ersinnen, zum Beispiel:
„flatness strawberries magnification”
“jeweler parkways pathways”
“florists parkways practiced“
Diese bezeichnete er als „Tripplewhack“. Er träumte aber damals schon von einem Zweier, dem „elusive Doublewhack“, wie er ihn nannte. Diese blieb einem Mensch mit dem reichlich unwahrscheinlichen Namen Cinnamon Brunmier vorbehalten, dem mit der Kombination „schadenfreude primp“ erstmals der große Wurf gelungen sein soll. Ich schreibe „soll“, weil es im Wesen eines Googlewhacks liegt, dass er nach seiner Entdeckung gleich wieder verschwindet, sobald der Erfinder ihn ins Internet stellt, wo die Google-Roboter ihn alsbald entdecken und in die große Datenbank aufnehmen, was eine zusätzliche Fundstelle erzeugt.
Googlewhacking ist inzwischen eine weltweit anerkannte Sportdisziplin und ein heißer Kandidat für die nächste Olympiade. Die Website googlewack.com listet nicht weniger als 35.000 Begriffspaarungen auf, die angeblich irgendwann zum raren Einzelergebnis geführt haben, darunter:
„illuminatus ombudsman“
„fetishized armadillo“ und
„unmerciless politician”
In Deutschland ist das Such-Spiel inzwischen unter den Namen “knackdengoogle“ bekannt geworden. Die einschlägige Website liefert unter der Rubrik „The Daily 10“ laufend neue Erfolgsbeispiele wie
„antarktis wüstenoase“
„boxenluder stilangebote“ oder
„blutegel streichelzoo“
Für diejenigen, denen die Suche nach Googlewhacks zu langwierig ist, gibt es zum Glück bereits eine entsprechende Software, GoogleWhack 1.4, die ein gewisser Adam J. Foxson programmiert und der Welt als kostenlosen Download zur Verfügung gestellt hat (danke, Adam!).
Die Tatsache, dass ein Googlewhack aufgrund seines flüchtigen Wesens in der Praxis nicht beobachtet werden kann, drängt geradezu eine Parallele auf zum Heisenberg’schen Unschärfe-Prinzip (das im Englischen bekanntlich „Heisenberg’s Uncertainty Principle“ heisst, was ich viel treffender finde als das Original, weil sich darin die ganze Unsicherheit widerspiegelt, unter der die moderne Physik und die Physiker leiden, wenn sie einem Laien versuchen sollen, das Standardmodell zu erklären).
Für diejenigen, die in der Vorlesung über Quantenphysik mal wieder Schiffeversenken gespielt haben statt aufzupassen sei hier nochmal der einschlägige Wikipedia-Eintrag wiederholt:
Unter dem Begriff des Unschärfeprinzips werden die folgenden drei Aussagen zusammengefasst, die zwar miteinander verwandt sind, jedoch physikalisch unterschiedliche Bedeutung haben.[2] Sie sind hier beispielhaft für das Paar Ortsmessung und Impulsmessung notiert.
1. Es ist nicht möglich, ein Quantenobjekt in einem Zustand zu präparieren, bei dem die Position und der Impuls beliebig genau definiert sind. Diese Unschärfe lässt sich als unmittelbare Konsequenz der Wellennatur der Materie in der Quantenphysik interpretieren.
2. Es ist nicht möglich, die Position und den Impuls eines Quantenobjektes gleichzeitig exakt zu messen.
3. Die Messung der Position eines Quantenobjektes ist zwangsläufig mit einer Störung seines Impulses verbunden, und umgekehrt.
Jedes dieser drei Unmöglichkeitstheoreme lässt sich quantitativ in Form so genannter Unschärfe-Relationen formulieren, die eine untere Grenze für die minimale erreichbare Unschärfe der Präparation bzw. Messung angeben.
Kurz zusammengefasst heißt das ja, dass der Beobachter eines Googlewhack die Realität durch seine Beobachtung verändert. Und das ist auch gut so!
Im Übrigen wissen wir aus dem Tagebuch von Niels Bohr, ein langjähriger Freund und Trinkkumpane von Czyslansky, dass dieser sich offenbar intensiv mit der Vorstellung einer „linguistischen Singularität“ befasst haben soll, also eines Wortes, das nur einmal auf der Welt vorkommt – etwas, das Gary Stock übrigens als „Uniwhack“ bezeichnet.
Die beiden saßen jedenfalls wieder einmal in ihrer Kopenhagener Stammkneipe beisammen, diesmal um Bohrs Verleihung des „Atoms for Peace Award“ mit einigen Fläschen Aquavit zu begießen, da soll Czyslansky gegen Mitternacht der entscheidende Durchbruch gelungen sein. Er sei, wie Bohr am nächsten Morgen mit etwas zittriger Hand schrieb, plötzlich aufgestanden, habe ein Wort in den Saal gerufen und anschließend verkündet: „Das ist sie! Meine Singularität!“ Dann sei er zusammengebrochen und unter dem Tisch liegengeblieben, von wo ihn Bohr aufsammelte und schwankend nach Hause brachte.
Bedauerlicherweise konnten sich weder er noch der geniale Vordenker des digitalen Zeitalters (den Mitsäufern war das Ganze sowieso egal) später noch daran erinnern, wie das Wort geheißen hat. Und so müssen wir wohl auf immer darauf verzichten, das größte Geheimnis unserer Zeit zu entdecken, denn Czyslansky hat nie wieder den zum Erklimmen dieses geistigen Himalayagipfels notwendigen Grad der Erkenntnis und der Alkoholisierung erreicht.
Es sollte uns aber alle zu denken geben, dass Google selbst offenbar die Suche nach Czyslanskys Singularität aufgenommen hat und mit Hochdruck vorantreibt. Sie hat dazu gemeinsam mit der NASA im Februar 2009 die „Singularity University“ ins Leben gerufen, deren Studenten ausschließlich aus Superbegabten bestehen sollen und deren Ziel es ist, die Menschheit auf den Tag vorzubereiten, an dem Maschinen intelligenter sein werden als sie selbst. Die Idee dazu stammt angeblich von Peter Diamandis, dem Gründer der X-Prize Foundation und Ray Kurzweil, dem Autoren u.a. von „The Age of Spiritual Machines“ (auf Deutsch als „Homo S@piens“ bei Econ erschienen), die beide befürchten, dass die künstliche Superintelligenz die größte Bedrohung des Menschen in seiner Geschichte darstellt, da sie zur Versklavung des Menschen durch seine Maschinen führen wird.
Die Suche nach Czyslanskys Zauberwort ist also von existenzieller Bedeutung für jeden von uns. Und jeder kann dazu beitragen. Fangt also bitte alle schon mal an zu whacken!
mein lieber tim,
zu diesem überaus wertvollem beitrag fällt mir nur eine winzig kleine und fast schon unbedeutende kritik ein: deine unterstellung, auch nur irgendein leser deines postings hätte, während im physik-unterricht heisenberg dran gewesen sei, „schiffe versenken“ gespielt, kann so nicht stehen bleiben. ich selbst habe, mit bleistift, radiergummi und geschickte handhaltung die heisenbergsche unschärfetheorie mit hilfe umfangreicher praxisstudien zum spiel „schiffe versenken“ geradezu final verifiziert: meine schiffe waren da und auch wieder nicht, jedenfalls stellte jeder vermeintliche treffer neue unsicherheiten über die genaue lokation meiner kleinen flotte her. sicher gab es den ein oder anderen „gegner“, der das ganze für ebenso plumpe wie regelwidrige ausweichmanöver hielt, ich beharrte in solchen situationen immer auf meinen freund heisenberg, von dem ich das spielt einst erlernte.