Man kann zu Horst Seehofer stehen, wie man will, aber eines ist er sicher nicht: Ein stilsicherer Redner. Das ist auch nicht so einfach, wie es sich anhört. Will ich Chef der CSU sein? Nicht, daß mir dieser Posten angeboten worden wäre, aber abgelehnt hätte ich ihn gewiß.
Jedes Jahr zur selben Zeit gibt es kein Pardon: In Passau spricht alljährlich der CSU-Chef. Dort ist nicht der Ort für sensible Töne, für vornehm-diplomatische Formulierungen. Der Politische Aschermittwoch hat in Bayern seit 1580 Tradition, aber erst Franz-Joseph Strauß prägte das Bild, das wir heute von dieser Veranstaltung haben. Übrigens, das war bereits 1953.
Man mag zu Strauß stehen, wie man will, allmählich erreicht ihn ja die Verklärung der Geschichte, aber bis zu seinem Tod war er der Redner, der die Massen bewegte. Da war die Welt noch in Ordnung. Bayern an der Spitze Deutschlands, die CSU bei 100% minus Epsilon für hinreichend kleines Epsilon. Stoiber hatte es schon schwerer, die Schuhe waren doch recht groß.
Ein Populist wie Seehofer betritt so eine Bühne also sicher schwankend zwischen Enthusiasmus und Befürchtungen. Also müssen ein paar starke Sprüche her, dem Volk aus Maul schauen. Das ist nichts für Leichtmatrosen. Zu einem Ritual gehören natürlich immer zwei Gruppen. Die eine, die versucht, die Erwartungen zu erfüllen, und die andere, die bereits hyperventilierend zuhört, wissend, daß jetzt gleich irgendetwas Ungeheuerliches gesagt werden würde.
Heute war es also wieder einmal so weit: Seehofer erzählt, daß nichts gegen den Zuzug von Ausländern spräche. Fleißige Helfer können wir brauchen. Will aber jemand zu uns kommen, um unsere Sozialsysteme anzuzapfen, müssen wir uns dagegen wehren, da sind sich alle Stammtische von Passau bis Flensburg einig. Und wie formuliert das Seehofer? Er werde sich bis zur letzten Patrone sträuben. Aha, das also war die Stelle.
Die Rede war noch nicht vorbei, da gab es bereits die ersten Tweets und Blogbeiträge. Jeder Tweet wurde sofort retweetet, und die Rede wurde immer aggressiver, wenngleich nur ex post. Aus dem Sträuben wurde „Kampf bis zur letzten Patrone“ und später sogar „Verteidigung von Berlin bis zur letzten Kugel“. Aus „Schmarotzern“ wurden generell alle Einwanderer – wer ist da eigentlich der Schelm? Wer hat da eigentlich die bedenklichen Assoziationen?
Eine Anzeige wegen Volksverhetzung finde ich nun doch übertrieben. Für eine mißglückte Metapher? Für Epigonales anstelle von Epochalem? Niemand sträubt sich mit Patronen. Bis zur letzten Patrone kämpfte nur einer. Sei es, daß er als Ringo eine Höllenfahrt nach Santa Fe überlebte, sei es, daß er als Captain York das Fort Apache bis zur letzten Kugel, ja sogar bis zum letzten Mann hielt. Das war John Wayne. Noch jemand, dessen Schuhe ein bisserl groß für Epigonen sind.
Meine Assoziation ist nicht halb so cool. Als bekennender Füller-Fan denke ich an Tintenpatronen und daran, daß wir heute auch ohne die CSU gewaltige bürokratische Hürden gegen unerwünschten Zuzug haben – sind das die „letzten Patronen“?
3 Antworten
Mir stoibt sich da die letzte Patrona Bavariae!
Das wollen wir nicht, liebe Freunde!
Wie tröstlich ist es doch zu wissen, dass ich, der ich ein Anhänger von Kolbenfüllern bin, dereinst noch kampf- und schreibfähig sein werde, wenn der große Ingolstädter längst seine letzte Patrone verbraucht haben wird.