Literarisches Quintett XII: Gereimtes von Bachmann, Fried, Hikmet, Neruda und Villon
Literarisches Quintett XII: Gereimtes und Ungereimtes von Bachmann, Fried, Hikmet, Neruda und Villon Man kennt das ja: „1,2,3, Test, Test, Test …“ So tönt es
Heute schaltet die Deutsche Telekom die letzten 12.000 Telefonzellen ab. Aber es sind ja zumeist schon gar keine Zellen mehr. Da stehen zumeist nackte magentafarbene Säulen ungeschützt im zugigen Wind. Groschen rattern da schon lange keine mehr durch den Apparat. Austricksen mit fremden Münzen aus fernen Ländern kann man die Technik auch nicht mehr. Ich hab vergessen, mit welchen Münzen das ging, aber es funktionierte zuverlässig: einige fast wertlose Münzen aus dem Urlaub wurden von alten Bundespostapparaten gerne für „bare Münze“ genommen und wurden im Fernsprechhäuschen 1 zu 1 in DM getauscht, bzw. in Ferngespräche mit entsprechendem Wert.
Die Hackerbibel des CCC von 1985 – ich besitze noch ein natürlich gelbes Exemplar – veröffentlichte einen Hack, mit dem man in den Achtzigern bei einigen gelben Zellen mit einem Fünf-Mark-Stück kostenlos telefonieren konnte: man warf die Münze ein, telefonierte eine Weile und kurz bevor das Vermögen verbraucht war musste ein Feuerzeug mit piezoelektronischer Zündung in der Nähe der Tastatur solange gezündet werden, bis der Fernsprechautomat das Ganze für eine Störung hielt und das Geldstück wieder auswarf. Vielen Dank auch Herr Schwarz-Schilling …
Viel wichtiger aber waren die alten gelben Zellen natürlich als warme und trockene Fluchtpunkte bei plötzlichen Regenschauern und an kalten Wintertagen. Wie viele fürchterliche Gewitter habe ich in den gelben Zellen überlebt? Wieviele lange Telefonate in kalten Winterstunden mit heißen Gefühlen mit liebsten Menschen vorwiegend weiblichen Geschlechts überstanden?
Draußen trommelten wild entschlossene Altenheimbesatzungen, drohend mit Regenschirmen und Spazierstöcken fuchtelnd an die Tür „Wie lange dauert denn das noch?“. Es dauerte. Unendlich lange. Trotz der abgestandenen Stinkeluft, die stets nur der leicht narkotisierene Nikotingehalt erträglich machte.
Und dann dieses dezente Ziehen an den Schuhsohlen, wenn man beim Verlassen der Zelle aus den Resten verschütteter Bier- und Schnapsreste trat.
160.000 deutsche Telefonzellen bildeten eine große nationale Gendatenbank. Hier kam zusammen, was nicht zusammengehörte. Aus und vorbei.
Angeblich lässt die Telekom einige der Zellen stehen – als Funkzellen, also als Verstärker für Mobilfunksignale. Im Umfeld dieser Zellen kann man dann im Internet surfen oder mit guter Verbindung mobil telefonieren. Damit wird endlich wahr, was immer schon mein Traum war: die Handy-Telefonzelle!
Die Idee, eine Handy-Telefonzelle aufzustellen habe ich mehrere Jahre lang versucht meinen Agenturkunden aufzuschwatzen. Nie ist einer darauf angesprungen. Ich wollte eine gelbe Telefonzelle ohne Telefon in der Münchner Innenstadt aufstellen und das ganze als kostenlosen Service des Agenturkunden für Mobiltelefonierer, die in Ruhe abseits des Straßenlärms telefonieren wollen, positionieren. Ich fand die Idee genial, meine Kunden hielten mich für, nun ja, ein wenig durchgeknallt. Jedenfalls führte die Idee dazu, dass meine Kolleg*innen mir eines Tages zum Geburtstag eine wunderhübsche gelbe Originaltelefonzelle der Deutschen Bundespost schenkten. Sie steht heute noch in meinem Garten.
Jetzt gibt es sie also tatsächlich. Die Deutsche Telekom wird meine Idee verwirklichen: in Deutschland entstehen Handy-Telefonzellen. Endlich!
Freilich werden sie nie so schön gelb (RAL 1005) sein, wie meine. Nie wieder. Niemals. Man wird sie vielleicht mit Bücherzellen verwechseln, die seit einigen Jahren überall aus dem Boden wachsen. Die Zeit der klassischen Telefonzellen ist irgendwie vorbei. Vielleicht sollte ich mir einen portablen Plattenspieler nehmen, „A letter home“ von Neil Young unter den Arm klemmen – die Scheibe soll er ja in einer Telefonzelle aufgenommen haben – und mir die Platte in meiner schönen gelben Zelle anhören. Ungestört, in aller Ruhe. R.I.P.
Illustrationen © Michael Kausch
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Czyslansky ist das Blog von Michael Kausch. Hier schreibt er privat über alles, was ihn interessiert: Literatur, Hifi, Musik, Reisen, Fotografie, Politik und Digitalkultur.
Beruflich ist er als Kommunikationsexperte spezialisiert auf strategische und konzeptionelle Unternehmensberatung und Coaching im Bereich integrierter Unternehmens- und Marketingkommunikation, Markenkommunikation, Reputationsmanagement, Krisen-PR, strategisches Social Media Marketing, Inbound Marketing und vertriebsorientierte Öffentlichkeitsarbeit.