dies ater

Dies ater – ein schwarzer Tag. Der schwärzeste Tag für die Römer ist rund 2400 Jahre her. Um was es genau ging, kann man hier nachlesen. 

Für viele meiner Freunde und für mich ist heute so ein schwarzer Tag.

Fünf scheinheilige Firmen lassen sich vor den Propagandakarren der CDU spannen. Opfervereine (MOGIS) demonstrieren, seriöse Zeitungen schreiben über die Zwecklosigkeit des Verfahrens. Und gefühlt ausreichend Leute mit Ahnung haben nun kluge und weniger kluge, erklärende oder entsetzte, befremdete oder herablassende Artikel geschrieben. Genutzt hat das alles nichts. In Berlin „wird das jetzt durchgezogen“. Und doch gibt es immer noch Medien, die einfach die Pressemitteilungen der Regierung veröffentlichen: Fünf Internetprovider gegen Kinderpornographie. Sehr investigativ, danke.

Dazu passend ein Artikel in der FAZ. Zunächst das Misstrauen: Wie, einen Tag vor diesem schändlichen Hinterhofvertrag wird ein angeblicher Kinderpornoring ausgehoben? Aber wer den Artikel aufmerksam liest, merkt, dass dort geschildert wird, dass solche Fahndungserfolge in Zukunft Geschichte sind. Muss doch das BKA, wenn es von verbotenen Inhalten Kenntnis erhält, diese automatisch sperren. Oder will in Zukunft das BKA entscheiden, welche verbotenen Seiten doch noch feilgeboten werden dürfen?

Im Rahmen eines lesenswerten Interviews in der Süddeutschen steht zu lesen:

Dieter Gorny vom Bundesverband Musikindustrie spricht von einem „richtigen Signal“ und einer „gesellschaftlich gewünschten Regulierung im Internet“.

Natürlich. Daß die Musikindustrie solche Sperrmöglichkeiten spannend findet, das überrascht keinen. Und je lauter Politiker abstreiten, daß sie auch in diese Richtung denken, desto misstrauischer werde ich.

Dabei ist die Musikindustrie heute ohnehin beschwingt. Behauptet sie doch frech, Raubkopierer seien Verbrecher. Raubkopierer sind nicht einmal Räuber, geschweige denn Verbrecher (warum? steht hier). Bis heute. Aber nun wurden in Schweden vier Leute verurteilt, weil sie eine Tauschplattform betrieben. Hier steht mehr dazu. Ein Jahr Gefängnis? Für alle vier? Wo bleibt denn da die Verhältnismäßigkeit? Ich habe noch nichts gesehen, was mehr rechtfertigt als eine juristisch vielleicht fragwürdige „Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung“…

Echte Piraten hingegen sind eigentlich Verbrecher. Aber wir haben grosse Schwierigkeiten, wie geht man mit echten Piraten um? So wird nun die Bundesrepublik von einem mutmaßlichen somalischen Piraten verklagt, weil er an Kenia ausgeliefert wurde. In Deutschland wollten wir ihm nicht den Prozeß machen, damit er hier nicht Asyl beantragt. Genaueres steht in der Netzeitung:

Streit über Umgang mit Piraten

Deutsche Ministerien streiten schon seit längerem über den juristischen Umgang mit Piraten. Zuletzt ging es um die ebenfalls von der Fregatte «Rheinland-Pfalz» festgesetzten sieben Seeräuber, die versucht hatten, den deutschen Tanker «Spessart» zu kapern. Sie wurden ebenfalls an Kenia ausgeliefert. Anfangs hatte das Bundesverteidigungsministerium für einen Prozess in Deutschland votiert. Allerdings fürchtete das Innenministerium, dass die Männer Asyl beantragen könnten, und setzten sich für eine Übergabe an Kenia ein. 

Ohne Worte. Wenn nun die vier Schweden Asyl bei uns beantragen, bekommen sie es dann? Vermutlich nicht, und ich muss aufhören zu schreiben. Ich kriege das heute nicht hin mit der notwendigen journalistischen Distanz. Ich werde noch ein bisschen in meine Tastatur beißen. Aber vorher kappe ich für heute meinen Netzanschluß. Das war wirklich ein schwarzer Tag.

7 Antworten

  1. Ich hab mal n bisschen weitergeguckt, gab ja immerhin 300 Leute, die in Berlin gegen die Unterzeichnung von Frau von der Leyens Aktionsplan protestiert haben. Das wurde vom CCC organnisiert und von FoeBud.org. Das sind die Leute, die auch die Big Brother Awards verleihen. Sie haben das Folgende auf ihre Website gestellt:
    „Der FoeBuD e.V. sieht das Recht auf freie und unbeobachtete Kommunikation als eine Grundvoraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaft an. Der FoeBuD hat sich deshalb zu einer praktischen Gegenmaßnahme entschlossen und betreibt seit heute einen eigenen öffentlichen zensurfreien DNS-Server. Wer sich diesen als eigenen DNS-Server anstelle des vom Provider gelieferten Servers einträgt, kann damit die Internetsperren einfach umgehen. Die IP-Adresse lautet: 85.214.73.63. Eine ausführliche Anleitung findet sich in Kürze auf der FoeBuD-Webseite.“
    Da bin ich mal neugierig.

  2. kinderpornografie ist verboten und deshalb sind natürlich auch seiten, die der kinderpornografie dienen nicht legal. im prinzip spricht also nichts gegen eine sperre. deshalb habe ich verständnis für einige der befürworter.

    aber es gilt zwei dinge abzuwägen:
    a) die sperre, die nun eingeführt wird, ist ein nur wenig taugliches mittel, da die technische umgehung der sperre allzu einfach ist.
    b) svb hat auf seinem blog eindrücklich an hand konkreter beispiele darauf hingewiesen, dass allzuhäufig „sabere“ aber politisch ungewollte web-angebote im generalverdacht der kinderpornografie oder aber vielleicht auch mal aus „versehen“ (wollen wir an das gute im menschen, selbst wenn er in behörden haust, glauben) gesperrt werden. und dass die musikindustrie an ihre verwertungsinteressen denkt, und nicht an die kinder, ist ebenso klar wie im übrigen auch legitim. aber die verbindung der debatte um copyrights und um kinderpornos ist doch arg „unter der tischkante“.

    die neue regelung zur sperrung von websites ist wie vor jahren schon die rasterfahndung ein diabolisches ding, deren inhärentes gefahrenpotential für die freie meinungsäußerung im internet die positive wirkung im kampf gegen kinderpornografie übertrifft.

    eine sperrung von internetseiten halte ich auf behördliche anweisung grundsätzlich für legitim (hier unterscheide ich mich vermutlich von den meisten meiner czyslansky-freunde) – aber nur nach einzelfallprüfung, auf der basis klarer und eng ausgelegter regelungen und auf anordnung von justizbehörden. die gegenwärtige regelung ist gefährlich. und da bin ich dann auch wieder mit meinen czyslanskys zusammen. denk ich mal.

  3. So ganz kann ich die Aufregung nicht verstehen. Die gloreichen anarchistischen Zeiten des Internets sind doch schon seit vielen, vielen Jahren vorbei. Spätestens seit Anfang dieses Jahrtausends surfen Ermittler durchs Netz und Provider geben der Staatsanwaltschaft Namen und IPs ihrer Kunden heraus.

    Das Internet der frühen Neunziger war ein Spielplatz von Geeks und Freaks, da war noch keine Staatsmacht und Polizei von Nöten, da hat es noch Spaß gemacht sich in Newsgroups u.ä. zu tummeln, da war die Netiquette Macht genug .

    Mit dem Beginn des Massenphänomens Internet, kamen die Geschäftemacher, die legalen und die illegale und dann folgt auch immer gleich der Ruf nach den Gesetzeshütern, nach Papa-Staat. (In dem Fall Mama-Staat)

    Was interessiert mich jetzt noch die Sperrung von irgendwelchen Seiten?
    Ich habe das „echte“ Internet noch erlebt, dass es vergänglich war, habe ich immer geahnt. Diese Erinnerung kann mir niemand nehmen und ich werde sie für meine Enkeln einmal wieder herauskramen.

  4. @Michael: Das, was mich bei dieser ganzen Zensursula-Diskussion mit am meisten aufgeregt hat, ist die bornierte Nebelkerzentaktik der Verantwortlichen in dieser Sache. Es geht einfach nicht darum, ob Kinderpornographie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ist sie nicht. Das sehen gefühlt fast 100% der Menschen so.

    Ich persönlich bin nicht gegen Sperren von Seiten. Es muss nur rechtsstaatlich überprüfbar sein und sinnvoll. D.h., es muss auch möglich sein, einer Sperrung zu widersprechen. Das BKA ist eine hierfür nicht geeignete Institution. Über „sinnvoll“ sind sich alle denkenden und lesenden Menschen einig.

    Dasselbe gilt auch für Pirates Bay. Ich meine *nicht*, dass jeder das Recht hat, andere vorzuführen und zu glauben, das ganze sei *deshalb* schon straffrei. Wer darüber diskutiert, verliert den Blick darauf, dass die Strafen auffällig und unverhältnismäßig drakonisch waren. „Drakonisch“ nannten es die Kommentatoren beinahe einmütig. Drakonisch? Schon wieder ärgerlich. Der Athener Drakon hätte vermutlich die Musikindustrie enteignet. Die Marke „drakonisch“ steht für mich nicht für „unangemessen hoch“, sondern für „hart aber gerecht“. Aber was solls, man sehe sich mal an, wer sich die Domain hartabergerecht.de gekrallt hat.

  5. Bernd Graff von SZ-Online ist erklärtermaßen nicht mein Lieblingsautor, wenn es um Internet-Themen geht (sein altkluges Geschreibe geht mir, ehrlich gesagt, auf den Geist – und dabei ist er viel jünger als ich). Aber sein Kommentar „Gut gemeint, aber wirkungslos“ vom 17.4. war mit das Beste, was ich zu diesem Themenkomplex bisher gelesen habe. Er verweist zu recht darauf, dass „niemand die Rechtmäßigkeit einer Sperrung überprüfen könne. Auch nicht, ob tatsächlich nur Kinderpornographie oder vielleicht auch ganz andere unliebsame Inhalte gebannt werden“ und fragt, m.E. völlig zu recht: „Wer also überprüft die Prüfer und ihre Vollstrecker auf Seiten der Internet-Anbieter? Und wer überwacht die Sinnhaftigkeit der eingesetzten Verfahren? Von Missbrauch der schwarzen Listen, ja von widerrechtlicher Zensur ist darum die Rede.“ Es werden hier also nicht-rechtstaatliche Mittel in untauglicher Weise eingesetzt um ein Ergebnis zu erreichem, das im krassen Gegensatz zum eigentlichen gesellschaftlichen Ziel steht, den Kinderschändern das Handwerk zu legen. Recht hat er!

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