unter dem titel „discuss & discover“ und dem claim „beyond bits and bytes“ kündigte die messe münchne heute den nachfolger der SYSTEMS, der ältesten computermesse deutschlands, an. und wenn es einen schönheitspreis für die beste namensfindung gäbe, so hätte ihn die computerwoche eindeutig gewonnen. die cowo titelte heute schon um 13:47: „Dittrichs digitale Denkfabrik“. und weiter: „Klaus Dittrich, Geschäftsführer der Messe München, baut die Veranstaltung zu einer All-in-one-Kommunikationsdienstleistung für IT-Entscheider um.“ und so ist es!
mit der discuss & discover wagt sich die messe münchen an ein konzept, dass die herkömmlichen messen alt aussehen lässt: stellen sie sich einfach mal vor, sie betreten eine messehalle und finden dort erstmal einen herkömmlichen ausstellerstand von zum beispiel dell mit aktuellen notebooks (dell findet laut statement in der pressemappe das konzept super!) und direkt daneben einen stand der fraunhofer gesellschaft mit neuigkeiten aus der forschung rund um mobile endgeräte. fünf meter weiter lädt dann siemens (deren positives statement lag ebenfalls in der pressemappe) in eine öffentliche lounge in wiener kaffeehausathmosphäre (schließlich ist peter löscher ja österreicher) und direkt daneben spricht ein microsoft-entwickler im rahmen der „discuss & discover conference“ vor geladenem publikum, während auf dem „public forum“ key note speaker steve jobs erklärt, warum er 1985 unrecht hatte, als er prognostizierte, dass mobile rechner „für einen reporter, der unterwegs notizen aufschreiben will“ vielleicht interessant, für den rest der menschheit aber auch so was von überflüssig seien. nachmittags nehmen sie dann an einem webinar von novell zum thema „open source auf dem notebook“ teil ehe sie am abend auf der digital culture party ihre frischen kontakte zu netten pressechefin der messe vertiefen. so ungefähr muss man sich die discuss & discover vorstellen, wenn zwischen dem 20. und 22. oktober 2009 wirklichkeit wird, was sich die leute bei der messe münchen ausgedacht haben.
falls sie sich aber im oktober partout nicht in münchen aufhalten, sondern zum beispiel in hanover, pennsylvania, dann schlagen sie doch dort einfach die „hanover evening sun“ auf. die discuss & discover soll nämlich, so klaus dittrich „besucher aus der region anziehen, aber auch – anders als die systems – international für aufmerksamkeit sorgen“.
wie das gelingen soll? dadurch, dass zum ersten mal ein projekt nicht einfach eine ausstellung, einen kongress und einen web-auftritt nebeneinander stellt, sondern wirklich integriert: die ausstellung, die konferenz, die online community, firmenveranstaltungen, das public forum und social events bilden die sechs module des neuen events und werden thematisch und terminlich aufeinander abgestimmt. die ausstellung strukturiert sich nicht mehr nach einer abstrakten nomenklatur („microsoft finden sie in h5, c6 bis d8“ – messenavigation im rösselsprung!), sondern in aktuellen themenwelten, die alle module umfassen.
was aber haben aussteller von diesem konzept? zu allererst müssen sie keine aussteller sein! die messe verkauft nicht mehr einfach beheizte quadratmeter im kalten oktober, sondern eine vielfalt an marketingmöglichkeiten. und die umworbenen unternehmen picken sich die elemente raus, die für die kommunikation ihrer aktuellen kampagnen und für ihre ohnehin geplanten events optimal sind. die messeverantwortlichen sorgen dann für die optimale integration des firmenauftritts in den gesamt-event. für die mitarbeiter der messe münchen ist das eine ganz schöne herausforderung: sie entwickeln sich von verkäufern zu kommunikationsberatern. die ersten reaktionen der unternehmen jedenfalls klingen vielversprechend. mit microsoft, siemens, dell, cisco und einigen anderen wurden dem vernehmen nach bereits erste gespräche geführt.
näheres zum event erfährt man übrigens jederzeit auf der neuen web site des events: www.discuss-discover.com. das heisst: eigentlich erfährt man dort nicht nur etwas über den event: man kann ihn mitgestalten. jedenfalls wenn es nach den verantwortlichen der messe münchen geht. denn eigentlich ist diese web site ein blog.
Sieht so aus, als ob Dittrich einfach dem Zwang des Faktischen nachgegeben hat. Denn jede große Publikumsmesse in Deutschland (notabene: große Publikumsmessen sind eine deute Erfindung – und eine rein deutsche Angelegenheit) bestand und besteht heute aus verschiedenen Komponenten, die sich um das „Mutterschiff“ (die somalischen Piraten lassen grüssen) herum gruppieren wie Konferenzen, Ausstellungen, social Events, etc. Nur waren die bislang nur recht lose (wenn überhaupt) miteinander verzahnt.
Man fragt sich ohnehin, wozu es noch leibhaftige Messen gibt. Produkte kann man sich genauso gut und sehr viel einfacher im Internet ansehen, Demos und Präsentationen lädt man sich besser aus Podcasts herunter. So ziemlich das einzige, was nicht online geht, ist eine Messewurst essen oder mit Freunden, Kollegen, Kunden oder wildfremden Menschen einen Kaffee zu trinken und dabei zu plauschen.
Wenn Dittrichs Denkfabrik diese unvermeidliche Wahrheit des digitalen Zeitalter verstanden hat und umzusetzen gedenkt, wird vielleicht ein Schuh daraus. Aber ob ein in der Wolle gefärbter Messe-Macher wirklich so konsequent umdenken kann? Und lässt sich das hinreichend monetarisieren? Wir werden es ja sehen.