Wenn einer Witze über Witzfiguren macht und selbige beim Namen nennt, muss das noch lange nicht für alle komisch sein.
Diese Erfahrung macht gerade der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der in einem Interview gesagt hatte: „Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben“. Damit bezog er sich auf den Ausgang der Wahlen in Italien und auf die beiden Wahlsieger Silvio Berlusconi und Beppe Grillo.
Prompt zog sich der Politiker nicht nur die Rüge der regierenden Koalitionäre aus CDU und FDP zu. Die nämlich nennen Steinbrück eine Axt im Walde. Und sie fürchten, dass der Kanzlerkandidat damit dem Ansehen des Landes bei seinen italienischen Nachbarn erheblich geschadet hat. Damit nicht genug. Verschnupft zeigt sich auch der italienische Präsident Girogio Napolitano, der kurzerhand ein Abendessen mit Steinbrück während seines Deutschlandbesuchs abgesagt hat. So zu lesen auf Spiegel Online .
Die Achse Berlin-Rom zeigt sich mal wieder von seiner glänzenden Seite – das gegenseitige Beleidigtsein hat schließlich beste Tradition. Erinnert Sie das an was?
Richtig: 2003!
Damals sagte aufgrund von Spannungen in den deutsch-italienischen Verhältnissen Bundeskanzler Gerhard Schröder kurzerhand seine Reise nach Pesaro ab (für Archivfreunde: hier nachlesbar). Auslöser waren damals antideutschen Äußerungen des italienischen Tourismus-Staatssekräters Stefano Stefani. Das Netz vergisst eben nichts.
Aber es gibt noch ein Schmankerl aus den Tiefen des Internets: Bei Berlusconi kann man gut sehen, dass die letzte Komödienfigur der Phallus ist. Der Phallus ist der Stand-Up-Comedian par excellence. Deswegen erscheint Berlusconi als Komiker alten Stils – das ganze Land erheitert sich über seinen Priapismus. So äußerte sich vor einigen Jahren der Philosoph Peter Sloterdijk in einem Interivew in der Welt über Silvio Berlusconi. Das Zitat ist heute noch nachlesbar noch immer im Blog der TAZ.
Damit soll jetzt nicht gesagt sein, dass Steinbrück nur annähernd die philosophischen Qualitäten Peter Sloterdijks besitzt. Damit soll auch nicht behaupt werden, dass ein Politiker sich ebenso offen und ohne Rücksicht auf diplomatische Befindlichkeiten äußeren sollte, wie es ein Philosoph oder Schriftsteller tun kann. Aber wo er recht hat, da hat er nun mal recht. Und „Clown“ ist doch noch eine der harmloseren Titulierungen, die für den Bunga-Bunga-Berlusconi im In- und Ausland gefunden wurden. Da können alle, die jetzt die Einträge auf Spiegel Online, Focus Online etc. kommentieren, sich noch so empören. Derweil macht Berlusconi wegen angeblicher Bestechungen eines Seantors gerade alles andere als eine komische Figur – eine seriöse nun aber auch nicht gerade.
Von Beppe Grillo und seiner Protestpartei mag man halten, was man will. Fakt jedenfalls ist, dass Grillo seine Karriere als Komiker und Schauspieler begann, ebenfalls von erfrischender Direktheiet und rüder Art im Umgang mit (politischen) Gegnern ist. Berühmt sein Zitat: „Wenn die Chinesen alle Sozialisten sind, wen bestehlen sie dann?“ aus dem Jahr 1987. Weitere Kostproben seines charmanten Tons vereinigt sein Wikipedia-Eintrag
Warum also darf ein Peer Steinbrück zwei offensichtliche Clowns nicht als solche benennen? Er, so betont er heute noch einmal, sehe keinen Anlass, sich zu entschuldigen. „Gesagt, ist gesagt!“ so betonte er gegenüber der Presse, und dafür gebührt ihm nicht Häme sondern Respekt. Sehnen wir uns nicht insgeheim nach den Verbalattacken und -injurieren von Politikern eines Herbert Wehner, Willy Brandt oder Franz-Josef Strauß zurück? Als noch Tacheles geredet wurde und nicht verquerte political correctness, als noch das klare Wort über der Angst stand, jemandem vermeintlich auf die Füße zu steigen und die Online-Empörungsmaschinisten und News-Kommentierenrzu aktivieren sowie dem politischen Widersacher in die Hand zu spielen, die sich dann postwendend erregt auf die Brust zu schlagen? Oder als es den Politikern schlichtweg scheißegal war….
4 Antworten
It takes one to know one…
Und jetzt regt sich auch noch der Roncalli Clown auf:
„Ein Zirkusclown ist kein Depp, den man auf eine Stufe mit Berlusconi stellt“, sagte Bernhard Paul der Nachrichtenagentur dpa.
Berlusconi ist kein Clown. Er ist ein Demagoge. Er hat so tiefgreifend in den Medienapparat und wohl auch in die kollektive Psyche seiner Landsleute eingegriffen, dass heute mehr als jeder dritte Italiener einen Demagogen und Kriminellen wählt. Die hatten doch nicht einfach zuviel Pferd auf der Pizza. Die meinen das ernst. Die wählen den Mann. Nein – Italien ist heute so anfällig für autoritäre Strukturen, wie seit dem Duce nicht mehr. Und Italien – und Ungarn nicht weniger – zeigt, dass unsere Demokratien nicht gefeit sind vor einer Renaissance des Autoritarismus. Das muss ängstigen. Vor Clowns braucht man Angst nicht zu haben.
Vor allem ist, lieber Michael, Berlusconi jetzt ein verturteilter Straftäter…