Ludwig Fels Ein Sonntag mit mir und Bier

Ein Sonntag mit Ludwig Fels und mir

Dieses Buch in ein Nachhausekommen. Jedenfalls für einen Franken wie mich. Ludwig Fels: Ein Sonntag mit mir und Bier. Gerade frisch erschienen ist dieses Buch des 2021 verstorbenen Treuchtlingers. Ludwig Fels, seine Gedichte und Geschichten haben mich in meiner mittelfränkischen Jugend begleitet. Treuchtlingen war nicht fern. Er war ein paar Jahre älter und konnte – ein bisschen – besser schreiben. Er war in der Provinz nicht weniger verloren. Er war mein fränkischer Herbert Achternbusch. Schade, dass wir niemals einen Bierfilz teilten. 

Mit dem fränkischen Herbert Achternbusch im Biergarten

Worum geht es in diesem Buch? Um alles und nichts. Um die fränkische Seele eines Dichters. Um das Sein des Dichters Ludwig Fels. Der Dichter reflektiert. Was soll man auch sonst tun in einem Biergarten? Er erinnert seine Herkunft als „Arbeiterdichter“. Er hat das Schreiben in den siebziger Jahren gelernt. Oder eben nicht gelernt, sondern „geübt“, weshalb er eher ein „Hilfsarbeiterhilfsschriftsteller“ zu nennen wäre. Er kokettiert auch schon mal mit seinen Erfolgen. Nein, er hatte es nicht nötig im „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ zu publizieren. Fels hat in seinen frühen Jahren einige renommierte Literaturpreise eingeheimst. Trotzdem ist er heute in weiten Kreisen weitgehend vergessen. Als ich dieses Buch spontan in einem Münchner Literaturwarenhaus kaufen wollte, kannte der Verkäufer weder Werk, noch Autor. Ich hab ihm beides erklärt. Es kümmerte ihn weder hugen noch dubel.

Ach Franken ...

Glaubt bloß nicht, dass es sich bei diesem Buch um Literatur handelt. Es ist eine Blähung, raumfüllend und würzig. Aus dem Buch spricht das pralle Leben. Und wie schreibt Fels: die „Literatur [hat] in den seltensten Fällen etwas mit dem Leben zu tun“.  Vielmehr solle man mit diesem Buch mitten in Franken landen, „also im Bodensatz der Herkunft meiner [seiner] selbst. … Alles andere ist Babberlababb, wie wir in Franken sagen, wenn wir nicht gerade dichten.“

Und wenn es ums Fränkische geht, dann weicht der große Hilfsarbeiterhilfsschriftsteller auch schon mal ins grob Seichte aus, etwa wenn er seinen Biertischgenossen von seinem Fahrer berichten lässt, dieser stamme aus Uffenheim „und ist, wie schon der Name sagt, vermutlich indianischer Abstammung“. Uff …

franken bei uffenheim
Fränkische Provinz nahe Uffenheim, hier ohne Indianer

Ganz in der Nähe von Uffenheim, in Bad Windsheim, leistete ich in den späten siebziger Jahren meinen Zivildienst. Meine Kindheit und Jugend hingegen verbrachte ich im nahen Ansbach. Dort gibt es in der näheren Umgebung ein Kaff mit dem schönen Namen Adelmannssitz. Die Eingeborenen nennen es kurz und bündig „Gsäß“. Ludwig Fels hätte das sicherlich gefallen …

Warum erzähle ich das? Warum schweife ich ab? Schweife ich überhaupt ab? Kann man abschweifen, wenn man über Ludwig Fels schreibt?  Weil auch Ludwig Fels abschweift. Ständig. Das ganze Buch ist ein einziges Abschweifen. Ein Abschwiff.

Mitten im Rede- und Denkfluss bestellt er sich eine Schweinshaxe. Eigentlich hätte es ja ein Schäuferla sein müssen. Er sinniert über Gigerla und Göckerla, Sulz und Zatter. Und natürlich über die wunderbare fränkische Hochzeitssuppe: „Von den Franken wird die Suppe auch dann gegessen, wenn niemand Heiratsabsichten äußert. Aber ich schweife ab.“ Er verrät nicht, was in eine Hochzeitssuppe gehört, damit es eine ist. Deshalb will ich das an dieser Stelle tun: Es gehören „mindestens“ vier Einlagen hinein: Pfannkuchenstreifen, Leberklößchen, Mehlklößchen und Suppenbiskuit. Mahlzeit.

Ludwig Fels berichtet auch, dass er einmal in Treuchtlingen in der Brauerei Schäff gearbeitet hat: „Ich arbeitete an der Abfüllanlage, soff eisiges Bier aus klirrenden Flaschen, jeder Schluck von berauschender Gewalt“. Für mich ist das reinste Poesie. Auch ich war beim Schäff, und zwar auf Klassenfahrt. Ich übte ja viele Jahre das aufopfernde Amt des Klassensprechers aus und war als solcher zuständig für unsere halbjährlich stattfindenden industriesoziologischen Forschungsfahrten. Schäffbräu war mir als lohnenswertes Ziel aufgefallen, weil ich gelesen hatte, dass man dort das damals weltweit stärkste Bier zu brauen in der Lage war. Mit rund 40 Volumenprozent schmeckte es ehe nach Likör als nach Bier. Man trank es aus verschwindend kleinen Gläschen. Aber es war wirkmächtig und unsere Exkursion zum Schäffbräu war ein voller Erfolg. An die Rückfahrt habe ich keine Erinnerung.

Bei der Lektrüe von Ludwig Fels fällt einem das alles wieder ein. Bis auf die Rückfahrt natürlich. Wie schreibt Ludwig:

„Im Rausch rauscht alles dahin. Da droben, zu meinen Häupten, rauscht das Laub, es muss mir nichts sagen, denn dass ich betrunken bin, weiß ich selbst, und wenn nicht ich, dann die Bedienung. Ich mag sie, weil sie mich tränkt. Wo bin ich? Und warum ich? Und warum da? Und warum jetzt? Und warum nicht für immer?“

Ja, „Ein Sonntag mit mir und Bier“ ist ein Jugendbuch. Es flasht einen Jahrzehnte zurück in einen fränkischen Sommer:

„Man war jung und das Warten machte Spaß. Man war verliebt oder hatte Liebeskummer, weil das am einfachsten war, eins von beiden und so wenig Zeit wie möglich dazwischen.“

Ludwig Fels: Ein Sonntag mit mir und Bier. Verlag Jung und Jung. (der Verlag heißt wirklich so). 111 Seiten. Reicht gerade für einen Sonntag.

Illustrationen © Michael Kausch

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2 Antworten

  1. Nein, Herr Kausch, ich lasse mich nicht treiben, bin kein von diesen Literatur- und Lesetipps Getriebener, all das Vorgeschlagene, das ich nicht kenne, nachzuarbeiten.
    Ich kommt ohnehin kaum nach, denn neben diesen wunderbaren Perlen, die ich mir letztlich dann doch eine nach der anderen zu Gemüte führe sofern ich ihrer habhaft werden kann, stapeln sich auch reichlich Neuerscheinungen. Und so sage ich demonstrativ „Nein!“, kaufe es letztlich doch und fülle damit erst die Mußestunden und anschließend unser Bücherregal. Und hinke hinterher. Denn antreiben lassen will ich mich nicht.
    Sprach’s und griff zum Buch.

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