Dies ist der sechste Text unserer kleinen Serie zum Thema Nett im Netz. Weitere Beiträge folgen in loser Reihenfolge. Eine Übersicht über die erschienenen Beiträge finden Sie jeweils am Ende des Textes.
——————————————————————————
So eine kleine Revolution ab und zu ist eine gesunde Sache, finden Sie nicht?
Irgendwie erinnere ich mich an diese legendäre Erkenntnis des U-Boot-Kommnndanten Marko , als ich mit meinem Czyslansky-Freund Alex telefoniere. Ramius hat Recht. Alex allerdings auch. Der nämlich proklamiert, dass hin und wieder eine Handgranate in einer Forendiskussion oder Facebook-Gruppe auch eine gesunder Sache wäre: „Einfach mal eine Handgranate in die Diskussion werfen, Kaffee holen, sich zurücklehnen und schauen, was passiert.“ Dann erzählt er mir, dass er in einem Tabakforum eine solche Granate gezündet hat, als er sich über die dogmatisch-besserwisserische Klugscheißerei der Diskutanten aufgeregt hat. Beste Erfahrungen, so sein Post, hätte er damit gemacht, gebrauchte Pfeifenreiniger in der Spülmaschine zu säubern. Die Ironie hätte nicht jeder verstanden, es habe genug gegeben, die das für bare Münze genommen haben.
Auch ich kenne solche Diskussionen, die in Themenforen und mittlerweile auch zahlreichen Facebook-Foren geführt werden. Und überall verläuft es gleich. Es gibt die Empörungs- und Erregungsmaschinisten, die gefühlsduselig gleich („OMG“) stöhnen, vor allem in Tierforen, wenn eine gequälte Kreatur gezeigt wird. Es gibt die Rufer nach dem starken Staat („Warum tun Behörde/Stadt/Gemeinde/Staat… nichts. Man müsste die anzeigen…“), die aber selbst nie aktiv werden. Es gibt die, die niemals aufhören, die provozieren. Es gibt die Ironiker und Zyniker, die selten verstanden werden, die intellektuell Erhabenen, die sich auch so aufführen und es gibt die störrischen Dogmatiker, die Klugscheißer, die trotzigen Besserwisser, die immer aggressiver werden, je mehr man auf ihre Ratschläge und Empfehlungen nicht hören will. Da fallen dann Beschimpfungen wie „beratungsrestsitenter Anfänger“ bis hin zu „Ernährungsfaschist“, als es mal wieder ums Essen ging und ein überzeugter Vertreter der veganen Küche seinen feuer- und schwertmissionarischen Eifer nicht im Griff hatte. Und schon sind wir bei den „Radlnazis“, den „Tierschutzfaschos“ oder dem „Political-Correctness-Diktator“, den „Tugendterroristen“ oder, oder, oder… Von Netiquette keine Spur, von Beachtung der oft aufgestellten Foren- oder Facebookgruppenbenutzerregeln ebenfalls nicht. Es ist eine wahre Freude, zuzuschauen, wie sich erwachsene Menschen verbal an die Gurgel gehen, Tiefschläge austeilen, zutiefst beleidigen oder beleidigt werden. Oder auch nicht!
Auf jeden Fall gilt Goodwin’s Law gilt als erfüllt, denn jetzt sind die Begriffe Nazi, Hitler oder Faschist ins Spiel gekommen. Dieses bereits Anfang der 90er Jahre formulierte Gesetz lautet:
“As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.”
Und es gilt ebenso immer noch, wie Sextons Erweiterung:
“You can tell when a USENET discussion is getting old when one of the participents [sic!] drags out Hitler and the Nazis.”
Seit geraumer Zeit bediene ich mich dieser Granate, wenn ich Diskussionen im Netz für dermaßen dämlich halte oder sie sich vom Ausgangsthema meilenweit entfernt haben. Zünder raus und rein mit der Granate ins Netz. Einfach mal Nazi rufen. Oder Hitler, und dann die Diskussion für beendet erklären, egal, ob man Moderator oder Administrator einer Facebook-Gruppe oder Foreneigner ist:
Wenn es dieses wunderbare Gesetz schon gibt, warum soll man es nicht proaktiv in seinem Sinne einsetzen? Gelikt (schreibt man wohl so) wurde das noch nie, selten noch mal kommentiert. Aber es hat bisher jede Diskussion beendet, das ist doch auch schon mal was.
Nett im Netz – Netiquette2014/5.beta
Bisher erschienen:
#01: Muss ich Euch kennen? – von Tim Cole
#02: Papa, Du bist Scheiße – von Lutz Prauser
#03: “Oh … der Chef liest mit …” – von Michael Kausch
#04: Was darf in einer E-Mail stehen – und was nicht – von Tim Cole
#05: Lasst mich mit eurem Scheiss in Ruhe! – von Alexander Broy
#06: Eine Granate namens Hitler – von Lutz Prauser
Lies einfach mal wieder deinen Schopenhauer. „Per fas et nefas“ (lat.; mit erlaubten und unerlaubten Mitteln) – Hauptsache du bekommst Recht. Wenn es nicht ad rem geht, dann versuch es halt ad hominem. Am Ende steht der andere immer als Trottel da. #eristische Dialektik