Rumänienrundfahrt

Eine Rundreise durch Siebenbürgen bis ins Donaudelta

Rumänien oder Frankreich? Siebenbürgen oder Marseille? Das waren die Alternativen, zwischen denen ich mich entscheiden wollte, als es um die Destination meines diesjährigen Sommerurlaubs ging. Frankreich ist seit vielen Jahren mein Sehnsuchtsort. Da kenne ich mich aus. Da kann ich mich verständigen, die örtliche Tageszeitung lesen und ich weiß, was mich in den Restaurants erwartet. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man sich zu einem guten Teil über Speise- und Weinkarten statt über Landkarten definiert. Wie ich ausgerechnet auf die Idee kam zur Abwechslung mal nach Rumänien zu fahren weiß ich nicht mehr. Sicher – in den letzten Jahren versuche ich mir den Osten Europas Land für Land zu erschließen. Inzwischen war ich in Polen, Tschechien und Lettland. Immerhin. Meine Generation ist nun mal mit Reisen nach Italien, Frankreich und Griechenland groß geworden. Dort haben wir in unserer Jugend die Strände unsicher gemacht und unsere ersten mehr oder weniger großen Abenteuer erlebt. Richtung Osten hörte abgesehen von der Insel Westberlin hinter Österreich und dem Bayerischen Wald die Welt plötzlich auf. Jugoslawien war für mich nur Karl-May-Kulisse.

Also Rumänien. Im Juni 2024 machte ich mich auf den Weg nach Siebenbürgen und ins Donaudelta. Die Donau als Wegweiser ist ja irgendwie naheliegend für jemanden aus Bayern. Immerhin hat meine Tochter in Regensburg und Passau studiert und lebt jetzt in Wien. Das liegt ja alles auf dem Weg. Und als vorbereitende Urlaubslektüre bot sich dann auch Jules Verne an: „Der Pilot von der Donau“:

Ein Reise(ver)führer: Jules Verne: Der Pilot von der Donau

Dieser Roman gehört nicht zu den großen und bekannten Werken von Verne. Er ist auch nicht Teil der bekannten Werkausgabe in 20 Bänden, die im Weltbild-Verlag erschienen ist, und die auch bei mir hier im Regal herumsteht. Man kann das Buch printing on demand als Softcover mit Originalillustrationen und Teil der Jules Verne Edition erwerben.

„Der Pilot von der Donau“ ist ein recht klassisch konstruierter Abenteuerroman und der Plot ist schnell geschildert: An der Donau treibt eine Räuberbande ihr Unwesen und ein geschickter Polizeibeamter verfolgt und ergreift schließlich die Bande. Aber vorher kommt es natürlich zu einer Reihe kurioser und dramatischer Verwechslungen und Verfolgungsjagden. Eine kleine Liebesgeschichte kommt auch drin vor und ein nationaler Held spielt ebenfalls noch eine Rolle. Alles, wie man es von Jules Verne gewohnt ist.

Historisch spielt die Geschichte im 19. Jahrhundert zwischen Sigmaringen und dem Schwarzen Meer. Man kommt also durch Würtemberg, Bayern, Österreich-Ungarn und die unklare Gemengelage des Balkans. Auf dem Balkan kam es in den Jahren um 1875 zu zahlreichen Aufständen, das Osmanische Reich war mitten im Zerfall, erst kämpften die Serben um ihre Unabhängigkeit, später dann die Bulgaren und Rumänen und schließlich kam es zum großen türkisch-russischen Krieg. All diese Wirren spielen im Hintergrund des Romans eine Rolle, wobei Jules Verne durchaus eine prochristliche und klar antimuslimische Position einnimmt und nicht immer frei von rassistischen Untertönen ist. Er ist ein Kind seiner Zeit.
Die Reise des Protagonisten über die Donau, um die es in diesem Roman geht, endet in Sulina, der letzten Stadt am großen Fluss kurz bevor er ins Schwarze Meer mündet.

Ein „Lost Place“ am Ende Europas

Und Sulina sollte auch das Ziel meiner Reise sein. Schon deshalb weil die Zeitschrift GEO vor drei Jahren über Sulina einen wunderbaren kleinen Bericht veröffentlicht hat: „Nur mit dem Schiff erreichbar – Sulina im Donaudelta“. Und die Beschreibung war vielversprechend: „Grüne Wildnis bis zum Horizont auf der einen Seite, auf der anderen das Schwarze Meer. … An der kleinen Leichenhalle steht eine schwarze Leichenwagen-Kutsche aus Holz, irgendwann abgespannt und vergessen, wie ein Relikt aus einem Dracula-Film und geradezu typisch für das Schicksal Sulinas.“ Ja, sowas gefällt mir. Ich liebe marode und ein wenig verfallene Sujets. „Lost Places“ nennt man das ja heute. Da wollte ich also hin.

Auf nach Sulina!

Anreise über Budapest

Von München bis zum Donaudelta sind es rund 1.800 Kilometer. Einfach. Und bis Ungarn ist wirklich alles einfach. Man führt Autobahn und kommt zügig voran. In Rumänien wechselt man dann über weite Strecken auf Überlandstraßen, gelegentlich auch wegen Baustellen auf regionale Verbindungsstraßen und man kommt nur noch recht langsam voran.

Es bietet sich also an, die Fahrt als Teil der Reise anzusehen und den ein oder anderen Zwischenstopp einzuplanen.

Ich bin also erstmal nur bis Budapest gefahren und habe mir dort endlich die wunderbare Robert-Capa-Ausstellung angesehen. Knapp 150 Fotografien Capas vor allem aus dem Spanischen Bürgerkrieg, dem Zweiten Weltkrieg, China und Vietnam sind in der sehenswerten Dauerausstellung im alten Kino Tinódi in der NagymezÅ‘ u. 8 zu sehen. Der Eintritt kostet 4.000 Forint, Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 13:00 bis 18:00 Uhr, Samstag/Sonntag 9:00 bis 19:00 Uhr.

Restaurant-Tipp

Natürlich gibt es auch einen Restaurant-Tipp für Budapest: Das Stand25 in der Attila út 10. Ungarische und internationale Küche mit guter Auswahl an Weinen. Junges Publikum, keine Touristen-Abzocke. Es liegt aber auch ein wenig abseits.

Siebenbürgen oder Transsylvanien? Einige Vorbemerkungen zur politischen Lage

Von Budapest ging es also nach Siebenbürgen, in eine Region, in der die Städte, die ich besucht habe, neben ihren rumänischen auch deutsche Namen haben. Die Region im Nordwesten Rumäniens ist traditionell Siedlungsgebiet zahlreiche Ethnien, u.a. von Deutschen ( der „Siebenbürger Sachsen“), Ungarn, Szekler, Roma und Rumänen. Die Siebenbürger Sachsen haben mit „Sachsen“ aber nun mal gar nichts zu tun. Die deutschen Siedler stammen vielmehr aus allen möglichen Landesteilen und siedelten ab dem 12. Jahrhundert bereits im heutigen Siebenbürgen, meist auf Einladung der regionalen Fürsten, ungarischer oder österreichischer Könige und Kaiser. Die Bezeichnung „Saxen“ erhielten sie von der einheimischen Bevölkerung als Sammelbegriff. Erst später haben sie selbst diese Bezeichnung für sich übernommen. Meist handelte es sich um verarmte Auswanderer, die durch die Auswanderung aus ihrer Heimat in Baden, Österreich oder woher auch immer versuchten ihrer materiellen Not, manchmal auch religiöser Verfolgung zu entkommen. Typische Emigrationsgeschichten eben, nicht viel anders also heute.

Romania Regions Transylvania

Und wie viele Türken und Syrer heute waren die emigrierten Siebenbürger Sachsen besonders fleißig. Damals aber waren solche Emigranten von den Herrschenden gerne gesehen, galt es doch ein weitgehend leeres Land urbar zu machen. So entwickelten sich die Städte in Siebenbürgen rasch zu reichen Industrie- und Handelszentren. Und das sieht man ihnen heute noch an. Und man merkt es dem Stolz der Siebenbürger Sachsen an.

Mit dem Ende des k.u.k.-Kaiserreichs versuchten die Siebenbürger Sachsen gemeinsam mit den Banater Schwaben und anderen deutschen Minderheiten eine einheitliche Region mit umfangreichen Minderheitsrechten als Teil Rumäniens durchzusetzen. Dies misslang jedoch und im neuen rumänischen Einheitsstaat geriet die kulturelle Autonomie der deutschen (wie auch der ungarischen) Minderheit stark unter Druck. Im Zweiten Weltkrieg schlugen sich viele Siebenbürger Sachsen auf die Seite der deutschen Faschisten. Nach 1945 musste die gesamte deutsche Minderheit dies bitter büßen. Es kam unter sowjetischer Kontrolle zu Enteignungen, Deportationen und Zwangsumsiedlungen. Zahlreiche Angehörige der deutschen Minderheit verließen das Land nach 1945. Unter Nicolae CeauÈ™escu wechselten sich gute und schlechte Zeiten für die deutsche Minderheit ab. Im Gegensatz zu Polen und zur Tschechoslowakei aber konnte die deutsche Minderheit in Rumänien ihre Kultur über viele Jahre weitgehend ungestört pflegen. So existieren noch heute deutsche Schulen und Hochschulen in Siebenbürgen.

Trotzdem kam es nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu einer massenhaften Auswanderung Siebenbürger Sachsen in die BRD. Dies hatte auch wirtschaftliche Gründe. Lebten in Städten wie Schässburg und Hermannstadt früher 20 oder gar 30 Prozent Angehörige der deutschen Minderheit, so ist deren Anteil heute auf rund ein Prozent zurückgegangen. Dieses eine Prozent aber verfügt noch immer über großen Einfluss. So ist die Bürgermeisterin in Hermannstadt ein Mitglied der deutschen Gemeinde. Ihr Vorgänger ist heute rumänischer Staatspräsident. Die politische Partei der Deutschstämmigen stellt die stärkste Fraktion im Stadtrat von Hermannstadt.

Dass viele Rumänen und Angehörige der ungarischen Minderheit die Partei der Deutschen wählen mag aber auch ökonomische Gründe haben: Solange die deutsche Kultur in den Städten Siebenbürgens gefördert und gepflegt wird fließen auch die Fördermittel aus Deutschland. Und solange dies der Fall ist gibt es deutsche Schulen und zahlreiche Jugendliche mit hervorragenden deutschen Sprachkenntnissen – und ein gut ausgebildetes Potenzial an Arbeitskräften für deutsche Unternehmen, die sich in diesen Städten ansiedeln. Fast alle deutsche Konzerne sind heue in den Städten Siebenbürgern mit Niederlassungen vertreten. Allein in Hermannstadt arbeiten 400 Mitarbeitende für Siemens und 1.800 für Thyssenkrupp.

So verwundert auch nicht, dass die Tanz- und Folkloregruppen der Siebenbürger Sachsen heute von ungarischen und rumänischen Jugendlichen und Angehörigen der Roma am Leben gehalten werden. Um es zynisch zu formulieren: die Roma tanzen in der Tracht der Siebenbürger Sachsen um die Arbeitsplätze bei Siemens in Hermannstadt zu sichern. Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Sie haben ja Spaß dabei. Und auf den Volksfesten tanzen sie mit ihren ungarischen und rumänischen Freunden. Irgendwie ist das auch eine Version von Multikulti. Sie dürfen sich nur nicht verletzen. Denn die Ärzte sind ja bald alle in Kliniken in Deutschland beschäftigt …

Filmfest in Klausenburg (Cluj Napuca)

Klausenburg ist mit rund 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Und es ist eine junge Stadt. An jeder Ecke der Stadt steht irgendeine Hochschuleinrichtung. Während meines Aufenthalts war gerade Filmfest. Das war ein wenig eigenartig, weil die Altstadt „zugestellt“ war mit Einrichtungen des Events“. Andererseits ergaben sich ungewöhnliche Einblicke ein ein einzigartiges Provinztheater …

Hotel-Tipp

Für Klausenburg habe ich einen Hotel-Tipp für Euch: das LOL-et-LOLA-Hotel. Es liegt günstig, nur 10 Minuten zu Fuß vom Zentrum entfernt in einer ruhigen Seitenstraße. Es ist ein kleines Hotel und ist preiswert. Ohne Luxus, aber freundlich und individuell. Ich mag ja keine großen Hotel-Ketten.

Schässburg (SighiÈ™oara) – das rumänische Rothenburg ob der Tauber

War Klausenburg eine Großstadt, ist Schässburg ein UNESCO-Weltkulturerbe. Im Sommer soll der Ort hoffnungslos überlaufen sein. Im Juni war es gar nicht so schlimm. Es war fast schon verträumt ruhig. Eine hübsche kleine Altstadt, Fachwerkidylle an einem Fluss, der tatsächlich die Große Kokel“ heißt.
Was man sich auf jeden Fall schenken kann ist alles, was mit Dracula zu tun hat. Und fast alles hat hier mit Dracula zu tun. Denn angeblich von der Sohn Draculas Vlad Tepes III (der Pfähler) hier geboren. Zwischen 1431 und 1436 soll er hier gewohnt haben. Die Schässburger halten das alles für Blödsinn und konzentrieren sich darauf die Touristen entsprechend abzuzocken. Kann man machen. Hab ich volles Verständnis dafür.

Als Tourist gibt es bessere Möglichkeiten sich hier die Zeit zu vertreiben. Die Stadt ist ja nicht groß. Ein Rundgang lohnt sich immer. Das wichtigste Wahrzeichen ist der dicke Stundturm:

Die Altstadt ist malerisch (sagte ich das schon?). Bummelt einfach durch die Gassen, die Stadtmauer entlang. Ihr findet herrliche Fotomotive und stille Ecken. An ihrem Ende gelangt man über die überdachte Schülertreppe hoch zur Bergkirche neben der das deutschsprachige Josef-Haltrich-Lyzeum liegt. Als täglichen Schulweg möchte man sich das nicht vorstellen …

Für den Rückweg rate ich zum Umweg über den Bergfriedhof. Ein sehr schöner Spazierweg mit interessanten historischen Gräbern.

Restaurant-Tipp

Viele empfehlen das Gasthaus Alte Post. Dem kann ich nicht zustimmen. Die Positionen sind groß, die Preise niedrig, die Qualität passt zu den Preisen. Deutlich besser ist man im Joseph T. Restaurant & Wine Bar in der Piata Hermann Oberth 25.

Kronstadt (Brasov) – Shopping-Mall mit Geschichte

Kronstadt hieß früher einmal Stalinstadt. Es ist trotzdem nicht hässlich. Obwohl … Kronstadt ist eine große Fußgängerzone mit hübscher Altbausubstanz und einer Kneipe neben der anderen. Im Unterschied zu unseren Fußgängerzogen wird sie nicht von H&M dominiert.

Über der Altstadt schwebt ganz im Stil von Hollywood der Name der Stadt in großen Lettern von einem Berghang herab. Man kann den Berg besteigen oder aber mit einer Gondel bequem auf die Aussichtsplattform fahren. Man kann es aber auch bleiben lassen und unten bei einem netten Schotten einfach ein paar Guinness trinken. Ihr merkt schon: Brasov ist ein klein wenig weltstädtisch. Vielleicht liegt das daran, dass hier ständig jemand anderes das Sagen hatte: mal die Türken, mal die Mongolen, mal die Ungarn, mal die Siebenbürger Sachsen. 1989 war Klausenburg eines der Zentren der Demokratiebewegung gegen die CeauÈ™escu-Diktatur.

Zu besichtigen gibt es wieder viel im klassischen Touristenprogramm: als erstes ist die die Schwarze Kirche abzuhaken. Sie heißt so, weil sie bei einem verheerenden Stadtbrand (Brände sind ja immer verheerend) angekokelt wurde. Im Inneren findet man die größte osmanische Teppichsammlung außerhalb der Türkei. Gleich neben der Kirche empfehle ich unbedingt einen Besuch des Antiquariats Aldus in der Piata Sfatului 18. Unbedingt Astrid Hermel einen lieben Gruß ausrichten. Man findet auch deutschsprachige Bücher von Menschen, die ausgereist sind und ihre Bibliotheken zurückgelassen haben. Ich habe dort natürlich auch ein wenig eingekauft.

Restaurant-Tipp

Auch für Brasov kann ich ein sehr angenehmes kleines Restaurant empfehlen. Das Pilvax Restaurant & Wine Bar liegt in einer ruhigen Straße am Rande der Altstadt und wird von einem Angehörigen der ungarischen Minderheit geführt. Es gibt ungarische und rumänische Küche, dazu passende Weine und einen sehr aufmerksamen Service. Zu finden ist das Lokal in der Strada Michael Weiss 16.

In den Randbezirken von Kronstadt werden immer wieder Bären gesichtet. Damit sind wir dann auch schon beim nächsten Thema: der Fahrt durch die Karpaten …

Durch die Karpaten

Wer von Kronstadt aus sich auf den Weg ins Donaudelta macht, der muss ob er will oder nicht irgendwie die Kurven kratzen. Und es gibt viele Kurven. Eigentlich ist die Strecke sehr schön, aber man braucht doch recht lang. Und ich habe unterwegs einen Anhalter getroffen, der zwar recht freundlich lächelte, den ich aber dann doch nicht mitgenommen habe …

Etwa 8.000 Braunbären leben in den Karpaten. Und was berichtete der Spiegel vor wenigen Tagen?
„Es ist die zweitgrößte Bärenpopulation in Europa, nach jener in Russland. Immer wieder greifen sie Wanderer an, dringen in Bauernhöfe ein und durchwühlen in Städten wie BraÈ™ov die Mülltonnen auf der Suche nach Nahrung.“

Also Leute: nehmt lieber keine Bären mit, auch wenn sie ganz lieb lächeln.

Ansonsten sind die Karpaten ja vor allem wegen der Baumfrevelei berüchtigt. Die Landschaft ist wunderschön. Ich habe größere Abholzungen gesehen, kann aber nicht beurteilen, ob es sich um legale oder illegale Rodungen gehandelt hat.

Tulcea, die Hässliche

Tulcea ist der vermutlich hässlichste Ort Rumäniens. Man fährt dorthin, um ins Donaudelta zu kommen. Von dort aus fahren die Schiffe ins Delta. Man kann sich natürlich in Tulcea in ein Hotel einbuchen und von dort Ausflüge ins Delta unternehmen, aber davon rate ich dringend ab. Ich habe im Hotel Condor günstig übernachtet und dort mein Auto abgestellt und bin umgestiegen ins Boot. Nur mit dem Schiff kommt man dann weiter nach Sulina. Ich habe mich für ein Linienschiff der Gesellschaft Navrom Delta entschieden. Die fahren das ganze Jahr hindurch mit einem normalen Schiff (Fahrzeit 4 Stunden) und einem Tragflächenboot (ca. eineinhalb Stunden). Mit dem Auto kommt man nicht nach Sulina. Tipp: Das Auto kann man auf dem Hotelparkplatz kostenlos stehen lassen.

Die Übernachtung in Tulcea sollte man unbedingt einplanen, da man dann die Vormittagsschiffe nehmen kann.

Sulina, die östlichste Stadt der EU

Sulina ist eine leicht marode und heruntergekommene vergessene Schönheit. Sie ist die östlichste Stadt der EU und war einmal eine kleine internationale Metropole, denn 1856 wurde hier der Sitz der Europäischen Donaukommission etabliert. Das zentrale Verwaltungsgebäude steht noch und ist leidlich renoviert. Dieser Kommission gehörten alle Anrainerstaaten der Donau an. Sie regelte den zollfreien Waren und Personenverkehr auf dem Fluss. Eine ähnliche Einrichtung gab es auch für den Rhein. Für beide Flüsse werden die entsprechenden Regelungen heute über die EU geregelt. Und sie sind noch immer Gegenstand heftiger politischer und wirtschaftlicher Konflikte, geht es doch um handfeste Interessen von Industrieverbänden. Im Zuge der chinesischen Pläne für eine neue Seidenstraße spielt die internationale Binnenschifffahrt zum Beispiel eine große Rolle. Derzeit wächst der einzige moldauische Schwarzmeerhafen extrem schnell, weil über diesen der internationale Warenverkehr einfach und günstig in die Donau und damit bis nach Mitteleuropa fließt. Wäre der Transport über die Donau nicht geregelt, müssten die Produkt mit Destination Deutschland über Italien und die Bahn oder über Amsterdam und den Rhein verschifft werden.

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Freihafen von Sulina zu einem wichtigen Umschlagplatz. Es siedelten sich übe 100 Unternehmen und Geschäfte mit mehreren Tausend Beschäftigten aus Deutschland, Österreich, Italien, Bulgarien, Russland, der Türkei und anderen Ländern rund um den Hafen an.
Aus dieser Blütezeit der Stadt stehen noch heute neben der Zentrale der Donaukommission der Alte Leuchtturm und zahlreiche als Villen entlang der Uferpromenade.

Auch der historische Friedhof mit den Gräbern zahlreicher See- und Handelsleute aus aller Herren Länder legt Zeugnis dieser großen Epoche der Stadtgeschichte ab:

Nachtrag vom 2. August 2024: Während ich den Friedhof Sulina am Schwarzen Meer besucht habe, besuchte Freund Lutz Prauser auf der anderen Seite des Schwarzen Meers die Friedhöfe Georgiens. Auch er brachte spannende Eindrücke von seiner Reise mit. Den Link auf seinen Bericht möchte ich Euch nicht vorenthalten: 

In den letzten Jahren unter Nicolae CeauÈ™escu hat die rumänische Regierung versucht die Wirtschaft der Stadt durch eine große Fischkonservenfabrik zu beleben. Nach der politischen Wende ging dieses Unternehmen aber schnell in Konkurs. Die leeren Fabrikgebäude sind stumme Zeugen auch dieser Epoche:

Hotel-Tipp

Der Tourismus beginnt sich in Sulina erst sehr langsam zu entwickeln. Ich habe recht ordentlich im Gästehaus Helios übernachtet.

Restaurant-Tipp

Ich empfehle das Restaurant Marea Neagră Sulina, das auch in einigen Reiseführern empfohlen wird. Trotzdem essen hier überwiegend Einheimische. Vermutlich liegt das daran, dass es eher am Rand der langen Uferpromenade liegt und sich der große Gastgarten hinter einer kleinen Mauer versteckt. Gut so. Ihr findet das Lokal an der Strada 1 Nummer 178.

Das Donaudelta

Sulina ist ein großartiger Ausgangspunkt für Ausflüge ins Delta. Dabei gelangt man bis nach an die Grenze zur Ukraine. Das Delta selbst besteht zu großen Teilen aus dichten kanaldurchzogenen Schilfrohrbeständen. Die Kanäle wuchern immer wieder mit Seerosen zu.

Ins Festland kommt man mit Jeeps bzw. kleinen Allradtransportern. Hier wechseln sich Salzwiesen und Urwälder ab. Von den frei lebenden Wildpferden heißt es, sie stammen von entlaufenen Rössern der napoleonischen Heere ab. Sie seien auf dem Rückzug der Schlacht um Moskau entflohen. Auch wenn diese Geschichte vermutlich nicht stimmt ist sie doch zu schön, als dass man sie verschweigen könnte …

Zum Meer hin gibt es große Haff-ähnliche Wasserflächen, auf denen Pelikane zu beobachten sind.

Hermannstadt (Sibiu) – die Stadt der deutschen Manager

Über Tulcea bin ich zurück nach Siebenbürgen und in meine letzte Stadt vor der großen Rückreise gefahren, nach Hermannstadt. Wie bereits erwähnt wird Hermannstadt von einer Bürgermeisterin regiert, die aus der Gemeinde der Siebenbürger Sachsen stammt. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien stellt 12 der 22 Abgeordneten im Stadtrat. Der frühere Bürgermeister Klaus Johannis ist Staatspräsident Rumäniens. Angeblich leben rund 100 deutsche Manager mit ihren Familien heue in Hermannstadt.

Hermannstadt war immer schon eine reiche Stadt und es ist wieder eine reiche Stadt. Die Altstadt ist weitgehend unzerstört. Der innere Kern wurde komplett restauriert und der äußere Bereich wird langsam Zug um Zug renoviert. Ein derart geschlossenen Altstadt-Ensemble wird   man in Deutschland nach den Bombennächsten des Zweiten Weltkriegs wohl nirgends mehr finden – von den musealen wiederaufgebauten Spielzeuggebäuden nach dem Vorbild des Frankfurter Römern einmal abgesehen. Entsprechend macht es einfach Spaß durch die Altstadt zu laufen und sich treiben zu lassen. Man muss sich den Weg gar nicht von einem Stadtführer diktieren lassen um dem Charm der Stadt zu erliegen. Viele Gebäude erinnern an k.u.k.Architektur. Der große Ringplatz mit den großen Bürger-Palais, der kleine Ringplatz mit den Handwerkerhäusern. Unbedingt sehenswert ist die orthodoxe Kathedrale, einer der größten orthodoxen Sakralbauten Rumäniens.

Von Hermannstadt aus bin ich dann über Wien zurückgefahren. Was soll ich sagen? Ich kann nur jedem empfehlen Rumänien zu besuchen. Es ist wie Tschechien oder Polen eine Reise wert. Und eigentlich sollte man mehr Zeit investieren als nur zweieinhalb Wochen. Allein das Donaudelta braucht eine ganze Woche. Wandern in den Karpaten wäre auch eine Woche wert (aber nur mit dem legendären Bärentöter über der Schulter). Und in Siebenbürgen kann man Wochen verbringen – oder vielleicht sogar ein ganzes Leben …

Ich möchte Euch als ergänzenden Lese-Tipp noch auf die Reiseberichte und -tipps von Tom Bischoff hinweisen. Auf seinem Reise-Blog findet Ihr zahlreiche spannende Reiseberichte u.a. aus Hermannstadt und Kronstadt und nützliche Reise-Tipps zu Rumänien.

Illustrationen © Michael Kausch

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Eine Antwort

  1. Ich habe es gerne gelesen und gerne ein Like hinterlassen und gleich eine Idee geboren: Nachahmenswert.
    Nachdem diese Woche eine 19jährige Urlauberin dort von einem Bären getötet wurde, wäre es vielleicht eine Überlegung wert, die Wanderung durch die Karpaten, die Du im Hinterkopf hast, eher zu überdenken bzw. abzusichern.
    Oder doch nach Frankreich?

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