„Er lenzte die letzte der Pints“. Ein Grabstein für Jack Taylor. Eine Buchempfehlung.

Jack Taylor

„Freiheit und Whisky gehören zusammen.“
Robert Burns

„Er lenzte die letzte der pints“. Ein Roman, der mit diesen Worten beginnt, kann nicht völlig verderbt sein. Andererseits ist klar, dass es sich nicht um ein Werk von Thomas Mann handelt. Bei dem lenzt nichts. Und wenn einer pints lenzt, dann lenzt er wohl im angloamerikanischen Raum, vermutlich in einem irischen Pub. Und wenn er kongenial versoffen übersetzt wurde, dann wurde er eben nicht übersetzt, sondern nachgeschrieben. Und dann hat dies kein weniger Geringwürdiger als Harry Rowohlt getan. Und so ist es auch. Die Rede ist von Privatermittler Jack Taylor, einer Kopfgeburt des studierten Metyphysikers Ken Bruen.

Meine Zeche, ist das eine wilde Lektüre. Wie sowas über Jahre, nein Jahrzehnte an mir ungelesen vorübergehen konnte ist mir ein Rätsel. Letztes Jahr hat mir jemand, dessen Name ich völlig zu Unrecht vergessen habe, den Tipp zugesteckt, ich solle, nein MÜSSE, Jack Taylor lesen wenn ich keine Krimis, aber altertümliche Detektivgeschichten möge. Also hab ich mir einen Band bei meinem sozialen Online-Verschwender geordert. Blind bestellt war es Band 9, der vorerst letzte von 16 Bänden … Ah ja.

Jack Taylor als erstbeste Ausgabe

„Ein Grabstein für Jack Taylor“, erschienen schon 2011 und zwei Jahre später auf Rowohltisch im Atrium Verlag. Und überaus seltsam: Obwohl ich das Werk erst acht Jahre nach Erscheinen geordert habe, halte ich heute eine deutsche Erstausgabe in den Händen. Entweder wollte kein Schwein das Buch lesen oder der Verlag hat sich gründlich bei der Auflage verspekuliert. Ich vermute letzteres. Band 10 erschien dann auch in einem anderen Verlag. Und Jack Taylor lief ab 2013 auch als Fernsehserie im ZDF an. Ging übrigens auch an mir vorbei. Aber das ZDF-Publikum liest eher nicht oder verlangt nach Ausgaben in seniorenaffinem Großdruck.

Dabei passt das Alter durchaus. Harry Rowohlt ist ja auch schon von uns gegangen. Und im Grabstein-Buch trifft man viele uralte Bekannte, Liam Clancy etwa (auch schon tot), oder Bob Dylan (fast). Letzterer wird mit „Blood on the tracks“ zitiert, eine Scheibe, die sich bei mir erst gestern auf dem Spieler gedreht hat. Weil doch die so wunderbare MINT in ihrer neuesten Ausgabe mit einem fetten Bob-Dylan-Schwerpunkt herausgekommen ist. Unbedingt lesen!

Aber ich verplapper mich grad.

Macht aber auch nix. Das ist ja eine Buchempfehlung, keine Buchbesprechung. Ihr könnt ja selbst lesen. Wer trinken kann, der kann auch lesen. So sieht das wohl auch Jack Taylor. Der ist nämlich ein ziemlich durchalkoholisierter Privatdetektiv und wie alle guten Privatermittler ein gescheiterter weil gescheiter Ex-Bulle. Dieses Wort muss hier genauso stehen bleiben. Es gehört zum Milljöh, das man dann auch so schreibt. Da er zuhause in seiner heruntergekommenen Bude viele Bücher im Regal und auf dem Boden hat, erhält man beim Lesen auch jede Menge Lesetipps. Die sind durchaus fruchtbar im Gegensatz zu den Trinktipps.

Kein Whiskey ist für Jack Taylor auch keine Lösung

Ich hab ja nie verstanden, was zum Beispiel der Rowohlt immer in sich hineingekippt hat. Die irische Plörre von Jameson, im Roman schlicht „J“ genannt, Connemara, Tullamore – alles ein furchtbares Gesöff. Paddy hab ich während meines Zivildienstes in nicht unerheblichen Mengen zu mir genommen. Aber Freunde, man lernt doch dazu im Leben. Von allen Iren will ich neuerdings immerhin den Hyde gelten lassen, ausgereift im Bierfass, ja ok. Aber sonst … bei allem Lokalkolorit … da muss doch eine saudüstere Stimmung in den Krimis von Ken Bruen aufkommen. Kein Wunder, wenn die Wiki über ihn schreibt: „Er gilt als bedeutender Vertreter des Irish Noir“. „Irish Noir“ – hätte ich ja für ein Eau de Toilette gehalten. Slainthe aber auch.

Wo war ich gleich? Ach ja, das Buch … Der Roman spielt in Galway. Das soll ja heute so eine Art In-Metropole in Irland sein. Jede Menge Galerien, Studenten und Innen, Boutiquen und Cafés. Kurz: viele Dinge, mit denen ein vernünftiger Alkoholiker wie Jack Taylor wenig anfangen kann, oder, Stichwort: Studentinnen, die mit Jack Taylor wenig anfangen können. Das gibt schon mal jede Menge Anlass für deftige Auseinandersetzungen, Schlägereien, Stechereien und den ein oder anderen Mord mit anschließender Leichenschändung oder Zurwasserlassung einer Leiche. Herrlich.

Jack Taylor ist „the normal one“.

Auch gibt es ausreichend viel katholisches Personal zur Kirchenbeschimpfung und Reste alten Adels, dem man formidabel ans Tweed-Sakko pissen kann. Der Klassenstandpunkt bleibt immer gewahrt. Alte irische Schule. Jack Taylor „is the normal one“.

Wem darf und muss man die Bücher mit Jack Taylor empfehlen? Allen Fans von Harry Rowohlt? Natürlich! Den Freunden der grünen Insel? Sowieso! Menschen mit einer gewissen Vorliebe für seltsamschrägtrunkene Privatermittler? Ebenso! Freunden von Galway? Entschieden nein! Tatort-Twitterati? Nö! Leser*innen, die glauben, man müsse die 16 Bände der „Jack Taylor-Bücher in der richtigen Reihenfolge“ lesen? Schleicht Euch! 

Mal sehen, ob ich die anderen 15 Bände noch bekomme. Es müssen ja keine Erstausgaben sein. Nicht unbedingt …

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