Wie halten Sie’s mit Bloggen unterm Weihnachtsbaum? Zünden Sie geistvolle Tweets an Sylvester? Ich frage dies, weil ich einen Anpfiff meines wertvollen Czyslansky-Kollegen Tim Cole parieren muss und auf der Suche nach Bundesgenossen bin. Er schimpft – das tut er gerne, was uns zumeist als verbitterte alte Männer herzlich verbindet – in einem Mail an die Freunde Czyslanskys über die träge Schreibunlust der Freunde, die diesen Blog – und nicht nur diesen – in den vergangenen beiden Wochen ein wenig verstummen lies: „Mit Weihnachten kann ich jedenfalls dieses beredte Schweigen nicht alleine erklären.“ brummel brummel …
Ich aber gestehe: „Zwischen den Jahren“ ist für mich weitgehend eine sowohl blogfreie, als auch tweetfreie Zeit. Nicht, dass ich mich besinnlich bei Glühwein und Plätzchen in diesen Tagen in mich selbst zurückziehen würde. Ich bin so gar kein Anhänger weihnachtlicher Stimmungsseeligkeit und sylvestrischer Zwangsbesäufnisse. Lieber verstecke ich in diesen Tagen durchaus miesepetrisch gefärbte Eier unterm Frühstückstisch. Aber allemal dienen mir diese wenigen Tage im Jahr als willkommene antielektronische Fastenzeit. Abgesehen von meinen Emails, die ich leider auch in diesen Wochen lesen und so gut wie möglich ignorieren muss, meide ich zum Jahreswechsel einige Tage lang alles, was Intel inside hat. Ein möglichst dickes Buch und möglichst runde Schallplatten – Vinyl, was sonst? – machen die Verwerfungen der letzten Jahr(zehnt)e für wenige Tage ungeschehen. Und das ist gut so!
Scheinbar bin ich mit dieser leidenschaftlich reaktionären Haltung nicht ganz alleine auf der Welt. Zahlreiche werbegeile Blogger jammern über Anzeigenausfälle und einen signifikanten Traffic-Rückgang zur Weihnachtszeit. Eine offensichtlich schwer geplogte Blagfrau lamentiert öffentlich über zwei blogfreie Tage zum Jahreswechsel. Und traditionell blockfreie eidgenössische Blogfreunde diskutierten schon vor zwei Jahren leidenschaftlich über wöchentliche oder gar monatliche blogfreie Tage.
Sollten wir nicht eine „Bewegung der blogfreien Tage“ ins Leben rufen? Zwei Wochen im Jahr ohne Blog, ohne Tweet, ohne Intel, ohne Microsoft. Und ohne iPhone-Apps! (Telefonieren ist erlaubt, sonst macht die nachwachsende Generation erst gar nicht mit) Sollten wir Weihnachten nicht besinnlich, sondern besinnungslos feiern? Weihnachtspost statt Postings, denn besinnlich sinnvoll sind schon unsere Blogbeiträge.
Was meint Ihr? Was meinen Sie?
Kann natürlich sein, dass dieses Posting heute, am ersten „Werktag“ des neuen Jahres für den ein oder anderen ein wenig zu früh kommt. Ich weiß ja nicht:
Bloggen Sie schon, oder leben Sie noch?
Ich bin ein Freund der persönlichen Bio- und Jahresrhythmen. Was dem einen sein Pausentag, ist dem anderen sein Aktionstag. Der eine reflektiert in Stille und präsentiert der Welt dann das fertige Ergebnis und der andere reflektiert coram publico. Jeder wie es ihm gefällt. Das man aber seinen persönlichen Ruhepunkt finden sollte, darin stimme ich mit Dir überein.
Einverstanden. Aber nur, wenn du mich bei meinem Bemühen unterstützt, weitere „Freizeiten“ einzuführen, zum Beispiel:
Das autofreie Jahr: Alle verpflichten sich, zwölf Monate lang nur noch zu Fuß zu gehen oder die Öffentlichen zu nehmen. Ich habe das mal gemacht, als ich nach München zog und auf Anhieb vor der Haustür der neuen Wohnung einen Parkplatz fand. Wir haben monatelang jeden Morgen davor gestanden und uns gefragt: „Sollen wir, oder sollen wir nicht?“ Bereits nach einem halben Jahr haben wir das Auto dann verkauft – und das Leben ging trotzdem weiter.
Der alkoholfreie Monat: Ich laufe seit Jahren um mein Leben, weil ich unter Bluthochdruck leide und genau weiß, dass die vielen Feierabendbierchen und Weinflaschen beim Abendessen die Pumpe zu Hochtouren antreiben. Außerdem bleiben die zusätzlichen kalorien an den Hüften kleben. Meine Frau und ich nehmen uns seit Jahren vor, vier Wochen am Stück „trocken“ zu bleiben, schaffen es aber nicht. Vielleicht schaffen wir es alle gemeinsam?
Die internetfreie Woche: Ganz einfach, wir fahren zusammen in die Sfakia, jener entlegene Küstenstreifen im Südwesten Kretas, wohin die Tentakel des globalen Netzes (noch) nicht reichen. Funktioniert nicht nur zur Weichnachtszeit.
Die schlaflose Nacht: Ganz einfach. Man nehme einfach Band drei der „Millenium-Trilogie“ von Steig Larsson und lege sich damit ins Bett.
Weitere Kandidaten:
Die schirrmacherlose Talkshow
Das lügenfreie Politikerinterview
Die smileyfreie E-Mail
u.v.a.m.
lieber tim,
1. ich hatte mehrere autofreie jahre während meines studiums. ich wohnte mitten in münchen und fand, dass es ohne auto als stadtbewohner hervorragend geht. als innenstadtbewohner eigentlich keine herausforderung.
2. alkoholfreier monat: hatte ich auch schon. das schönste war der „tag danach“: volle wirkung bei minimalem einsatz.
3. internetfreie woche: hatte ich auch schon: das klappt in den badlands von island ebenso wie in einigen gegenden des westlichen mittelfrankens 😉
4. schlaflose nächte: die gibt es ja nun in wunderbaren und in grauenhaften varianten …
5. schirrmacherlose talkshow: unmöglich! ganz und gar unmöglich!
6. lügenfreies politikerinterview. gar nicht so schwierig. ich erinnere mich an ein gespräch mit christian ude am rande der cebit in hannover.
7. smileyfreie e-mails: siehe 5 😉
stimme absolut mit Michael überein – trotz einiger klitzkleiner Rückfälle zwischen den Jahren. Aber insgesamt würde ich für eine „Freie Zeit“ (ganz ohne Präfix, das kann dann ja jeder selbst für sich einsetzen, ebenso wie die Laufzeit) plädieren. „Auto-“ und „Alkohol-Frei“ habe ich jedesmal in Indien (also jetzt im März wieder). Blog- und (weitgehend) Twitter-Frei war¿s wie gesagt zwischeh den Jahren. Schlaffreie Nächte gibt’s bei mir gelegentlich auch (selbstverständlich nur in der „wunderbaren“ Variante (also das, was man in Indien „sleepfasting“ nennt). Mich persönlich interessiert dann vor allem noch eine dummheitsfreie Zeit oder auch Zone, ganz nach Belieben. Und den Rest kann sich ja jeder so einrichten, wie er mag (siehe oben). Und ansonsten: Es lebe die Freie Zeit!!!