Erinnern Sie sich?
Büropflanzen zur Verbesserung des Raumklimas, Management-Kurse, Weinsubskriptionen… das alles kam dereinst per Fax. Unaufgefordert natürlich. Morgens war der Papierauswurf des Faxgerätes gefüllt mit 80g holzfreiem Spam beziehungsweise, und das ist noch länger her, mit Thermopapierröllchen, die auf der Erde lagen. Tempi passati.
Nun ja. Faxgeräte benutzt heute kaum einer mehr. Spam kommt wie jede andere Post weitgehend elektronisch und wird dank mehr oder weniger guter Filter und Schutzsysteme vielfach gar nicht erst durchgelassen. Leider fischt so ein Spamfilter hin und wieder auch wirklich wichtige Mails aus der Eingangspost, so dass man sich gezwungen sieht, in dem entsprechenden Ordner zu schauen, in dem das ganze Gerümpel automatisch verschoben wird. Während ich mit Czyslansky-Freund Alex Broy telefoniere, weil wir auf eine automatisch generierte bestimmte Support-Bestätigung warten, die längst hätte da sein können, blicke ich tief in die Abgründe meines Spam-Mülleimers und suche nach dieser Mail. Schnell ist sie gefunden, aber auch meine Neugier geweckt. Was findet sich da sonst noch in meinem Spamordner als Gammeldosenfleisch?
Ich schau mal so diagonal durch: Was wird mir nicht alles angeboten: Frauen wollen mich unbedingt kennenlernen (wie schön, wenigstens noch digital), andere wollen mir ihr Vermögen treuhänderisch überweisen, meine E-Mail-Adresse hat $ 2.000.000 gewonnen, meine Transaktionen warten auf Bestätigungen (ich muss nur klicken… Pustekuchen!) und Vodafone schickt mir eine Rechnung über € 246,10. Letzteres verärgert mich ein wenig, da ich gar kein Kunde bei Vodafone mehr bin und zu den Opfern gehöre, deren Kontaktdaten vor geraumer Zeit geklaut wurden. Zwar hat mir damals Jens Schulte-Bockum einen Brief geschrieben und mich vor Phishing-Mails gewarnt, aber trotzdem ärgert mich es nachhaltig, dass ich solche idiotischen Mails überhaupt erst erhalte.
Da ist die Post von Rebecca Williams, über die ich hier bereits schrieb, schon einigermaßen originell. Zumindest dachte ich das, mittlerweile sehe ich, dass Rebecca Williams mittlerweile Rebecca Young heißt, oder Dorothy Smith oder Kirabo Mgabe. Jetzt schreibt sie nur noch englisch, der Charme dieser absurden Übersetzung ist verloren, der Inhalt ihrer Mails aber immer der Gleiche. Auch so ’ne Geldgeschichte. Mich interessiert das nicht, also muss sie das nicht täglich schicken.
Nur eines, darauf weist mich Freund Alex hin, scheint aus der Spam-Mail-Versandliste komplett verschwunden zu sein: Viagra und Penis Enlargement. Das stimmt. Jetzt, wo er es sagt, fällt es mir tatsächlich auch auf. Auch mir wurde schon lange kein Viagra, Cialis oder sonstiges Wunderpräparat mehr angeboten. Die Online pharmacies scheinen samt und sonders verschwunden zu sein. Nicht, dass ich das ernsthaft vermisse, aber ein wenig nostalgisch macht mich das schon. Früher waren sogar die Spam-Mails origineller, zumindest bunter.
Entweder, so mutmaßen Alex und ich, hat sich das digitale Potenzhilfe-Geschäftsmodell totgelaufen, und es bringt einfach nichts mehr, weil alle Empfänger, die es nötig hatten, sich hinreichend eingedeckt haben mit blauen Pillen oder Wachstumsförderer. Die wenigen, die das nicht getan haben, sind vielleicht jetzt nicht mehr umsatzrelevant. Die handvoll schlapper Mikropenisse lohnt vielleicht den Aufwand nicht mehr.
„Das ist ja dann fast ein Alleinstellungsmerkmal, kein Penis Enlargement vorgenommen zu haben…“ sinniere ich. Size doesn’t matter.
Oder es hat sich im Laufe der Jahre auch herumgesprochen, dass diese so beworbenen Präparate allesamt Fake sind und nicht halten, was sie versprechen. Weder in Sachen Härte noch in Sachen Länge… was wenig überraschend wäre. Weiß man doch als aufgeklärter Mensch, dass das schon mit zerriebenem Nashorn-Horn, Stierhoden, Kobrablut oder Austern nicht geklappt hat. Hierzu gibt es eine bemerkenswerte und recht amüsante Galerie auf Stern.de, was Männer nicht schon alles versucht haben… Ok. Die hatten wohl alle auch noch keinen E-Mail-Account und keine passenden Offerten.
Wie dem auch sei. Niemand schreibt uns mehr an, damit wir unseren Geschlechtsteilen mehr Standfestigkeit oder mehr Größe verpassen; vermutlich, weil die Absender begriffen haben, dass wir weder das Eine noch das andere nötig haben. Sonst hätten wir es ja längst gekauft.
Oder wir sind es einfach nicht wert. Auch egal.
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