Es gibt wenig Erquicklicheres für Autofahrer als in einer Schlange zu stehen. Stoßstange reiht sich an Stoßstange. Man kennt das vom morgendlichen Berufs- und abendlichen Feierabendverkehr wie zum Beispiel auch von den Besuchen von kulturellen oder sportlichen Großereignissen: Die Einfahrt in das Münchner Operntiefgarage ist genauso wie die Fahrt in die Parkhäuser der Allianzarena nur etwas für Extrem-Stoiker und Geduldsfetischisten.
Doch dass man an einem Sonntag zur Mittagsstunde in einem netten Ort am Ferienort in einen beachtlichen Stau gerät, ist mir neu. Während sich die Inländer zur Siesta begeben, drängt es die Kulturbeflissenen unter den Urlaubern in die pittoresken Altstädte, so auch uns. Ich gebe es ja zu. Erst Besichtigungen, dann einen Espresso oder einen Sprizz auf der Piazza. Das ist unser Plan für Pula, einer am Südzipfel Istriens gelegenen Stadt.
Nun ist die Altstadt von Pula zwar äußerst sehenswert und angereichert mit allerlei römischen Ruinen, allerdings fehlt es doch am Nötigsten: An Parkflächen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn historische Altstädte, noch dazu direkt am Meer, haben in der Regel weder Tiefgaragen noch Parkhäuser. Man kann ja schlecht ein altes Kastell abreißen oder direkt an die Mole eine dreigeschossige Tiefgarage ausheben, um den Ort für die parkplatzverwöhnten Urlauber noch attraktiver zu machen.
So reihen wir uns ein in die Schlange derer, die unterhalb des Amphitheaters von Pula auf einem der wenigen Parkplätze ihr Auto loswerden wollen. Vor uns steht ein Ostallgäuer, davor ein Coburger, davor ein Wiener Neustädter, davor ein Karlsruher. Hinter uns ein Passauer, dahinter ein Heidenheimer und ein Münchner – Urlauber eben.
Stoisch hebt und senkt sich die Schranke, gewährt Auto um Auto Zufahrt, es geht im Schritttempo vorwärts. Dann aber passiert Unerhörtes.
Der Ostallgäuer (sorry für alle, die dort wohnen, aber der Wagen hatte tatsächlich ein OA-Kennzeichen) muss leider draußen bleiben. Wir stehen direkt dahinter und hinter uns ein Passauer, dahinter… ach das hatten wir ja schon.
So oft der Fahrer auch auf dem Automaten rumdrückt um ein Parkticket zu ziehen, es tut sich nichts. Kein Ticket, keine Schrankenöffnung. Die Sonne brennt, die Klimaanlage bändigt nur mühsam den Schweißfluss. Es ist Mittag. Minute um Minute vergeht.
Klar: Wenn alles voll ist, dann geht es eben nicht weiter. Die Maschine wird schon wissen, dass niemand mehr einen Parkplatz findet und lässt folglich keinen mehr durch. Das ist unser erster Gedanke. Aber der ist falsch: Denn während der Allgäuer drückt und drückt und drückt, verlassen immer wieder Autos den Parkplatz. Es muss also etwas faul sein mit dem Ding.
Der Passauer hinter uns wird ungeduldig, die Beifahrer des Allgäuers auch. Drei junge Männer steigen aus, allesamt bekleidet mit Flip-Flops, schreiend bunten Karo-Shorts und lässigen XXL-T-Shirts (womit sie schon mal nicht von Abercrombie & Fitch sein können). Dazu tragen alle ein albernes kleines Trilby-Hütchen aus Stroh auf dem Kopf.
Zwei dieser jungen Burschen, die das personifizierte Urlaubsklischee darstellen, zünden sich schon mal ein Zigarettchen ein, einer zückt sein Smartphone.
Ich frage mich, ob er wohl eine Sesam-öffne-Dich-App hat, mit der sich verschlossene Parkschranken heben lassen. Also Bond könnte sowas. Oder teilt er jetzt der Welt mit, dass der Fabi gerade von so einem Fucking-Teil-Parkscheiß-Automaten voll fett gedisst wird, echt jetzt. Voll das Opfer ?
Das ist doch auf jeden Fall einen Facebook-Statuseintrag wert. Oder auch nicht….
Schließlich steigt auch der Fahrer aus, dreht sich zu uns Wartenden um, zuckt mit den Schultern und trabt davon. Soll Hilfe kommen, so kommt sie nur so…
„Das glaub ich jetzt nicht… Was“, so frage ich meine Frau, „erwartet der jetzt? Parkscheinautomat, Schranke, Bezahlautomat… Wo glaubt er, sonntags jemanden zu finden, der ihm die Schranke öffnet? Für was stehen denn überall Automaten?“
Mittlerweile hat sich die Schlange hinter uns weit aus der Einfahrt hinaus auf die Straße verlängert. Der Passauer hinter uns gestikuliert herum.
Die Klimaanlage unseres Wagens ist ausgeschaltet, weil der Motor zum Spritsparen abgestellt wird. Es wird langsam ungemütlich warm. Hinter uns im Wagen hat der Kopf des Mannes aus Passau mittlerweile die Farbe schnittfester Tomaten angenommen. Schade, dass der Ton nicht übertragen wird. Denn er hat das Fenster geschlossen und lässt den Motor laufen – der Klimaanlage wegen vermutlich.
Endlich kommt der Ostallgäuer zurück, keine Regung ist seinem Antlitz zu sehen. Er startet den Wagen, drückt noch einmal, zieht sein Parkticket und die Schranke öffnet sich.
Keine Minute später sind auch wir auf dem Parkplatz.
Ein Blick auf den Ticketautomaten verrät, was der Mensch vor uns falsch gemacht hat. Ich denke, es ist unnötig zu beschreiben, ich habe es für Sie fotografiert:
FOR TICKETS PLEASE PRESS RED BUTTON
Diese Textzeile erscheint auf dem kleinen Display. Dem denkenden Menschen erschließt es sich von selbst, was er tun muss, für alle anderen gibt es zusätzlich eine „idioten“sichere Skizze. Das sollte funktionieren, tut es aber nicht – zumindest nicht bei der Generation Touchscreen. Denn die weiß wahrscheinlich nicht mehr, was ein Knopf (deutsches Wort für Button) ist, also korrekt natürlich eine Taste.
Laut Wikipedia ist eine Taste ein Bedienelement, welches durch Drücken betätigt wird und danach in die Ausgangslage zurückkehrt. Hierfür wird meist eine mechanische Feder eingesetzt. Anders als beim Schalter(der in der jeweiligen Position verbleibt) kann man bei der Taste nicht optisch erkennen, ob sie betätigt worden ist. Erst an der zugehörigen Wirkung ist das erkennbar.
Nun weiß man auch, dass sich eine Taste zumindest einen Millimeter in die Tiefe bewegt, wenn man darauf drückt. Schließlich wird nur so der Kontakt ausgelöst. Das gilt auch für Parkscheinautomaten. Nicht aber für das dort angebrachte glatte Hinweisschild. Das ist eigentlich dazu gedacht, denen, die die Display-Sprache nicht lesen zu können, trotzdem klar zu machen, wie sie die Schranke öffnen können. Touchscreen-User aber ist das offensichtlich zu komplex. Sie drücken nur noch dort, wo der Pfeil gerade hinzeigt. Und drücken… und drücken… und drücken…
Selbst wenn es an dem Automaten nur einen einzigen Knopf gibt, heißt das ja nicht, dass man da nicht einfach mal drauf drücken sollte. Es könnte ja „Weiß Gott was“ passieren. Schließlich ist der Knopf ja alarmfarben rot.
Dass der Ostallgäuer nicht der Einzige war, der zu blöde war, einen Parkautomaten zu bedienen, zeigt sich übrigens dadurch, dass der einstmals rot lackierte Punkt mittlerweile komplett abgewetzt ist. Da muss so manchem in der Schlange die Hitze das Hirn ausgetrocknet haben – oder es ist verglüht. Man weiß es nicht.
Schöne Ferien denen, die gerade mittendrin sind…
Wie jeder weiß, musste Carthaginem deshalb esse delendam, weil die Römer Parkplätze brauchten! Es hat sich nichts geändert.
Die Abnutzung sieht deutlich so aus, dass sie von fetten Daumen und nicht von zartgliedrigen Zeigefingern verursacht wurde. Das wiederum ist ein untrüglicher Hinweis auf die „Generation Daumen“, der wir nicht angehören, und die, einer aufschlussreichen Studie zufolge, ihr dickes Ding durch übermütiger Simserei zum primären Funktionsglied ihrer Hand gemacht hat: http://bit.ly/daumenparker.