Meine wertgeschätzten Czyslansky-Kollegen mögen es mir verzeihen, wenn ich an dieser Stelle ein wenig aus den Nähkästchen plaudere. Ein Blog zu betreiben, ist eine Sache. Spannend aber wird es erst dann, wenn man ein wenig über die Reichweiten, die Klickraten und Statistiken nachdenkt. Warum macht man mit einigen Artikeln besonders viele Leser?
Zwei Beiträge waren es, die in den vergangenen Wochen außerordentlich viele Klicks verursacht haben, und das verdient einen genaueren Blick auf das Geschehene:
1. Fall:
Ende September rumorte es bei Facebook und Twitter, der amerikanische Schauspieler Morgan Freeman sei gestorben. Sie erinnern sich?
Die Gerüchte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, aber kein einziges seriöses Medium meldete, dass es tatsächlich so war. Das brachte uns schnell dazu, Freemans Tod zu dementieren, zwei Tage, bevor dies der Sprecher des Schauspielers offiziell tat (!!!).
In dieser Zeitspanne aber war im Netz zu dem Thema fast gar nichts zu finden – außer Czyslanskys Meldung und einem Eintrag auf einer österreichischen Seite. Klar: Klassische Medien überprüfen Gerüchte, bevor sie eine Meldung bringen. Und wenn an dem Gerücht nichts dran ist, gibt es eben nichts zu berichten. Welch Irrtum, denn viele, die diese Gerüchte auffangen und ihnen nicht trauen, wollen natürlich wissen, ob da was Wahres dran ist. Und was haben sie gemacht? Richtig! Sie haben Google bemüht.
Die Folge war: Google führte Menschenströme, die nach Morgan Freeman tot, Morgan Freeman Tod oder R.I.P. Morgan Freeman suchten, zu uns. Viel mehr gab es ja nicht. Das ging einige Tage so, dann ebbte es wieder ab.
In der Zeit haben wir aufmerksam beoabachtet (aber das machen wir eigentlich immer), was passiert:
Google war unser Haupt-Referrer, was normalerweise nicht der Fall ist, aber hier nun wirklich keine Überraschung darstellt. Auch die Liste der aktuellen Begriffe, mit denen wir gefunden wurden, stetzte sich fast ausschließlich aus Suchanfragen um das Ableben von Freeman zusammen. Auch keine Überraschung.
Nach ein paar Tagen hatte auch der letzte Provinzler mitbekommen, dass über Facebook und Twitter nur eine Ente verbreitet worden war. Die Klicks fielen auf ihr durchschnittliches Normalmaß zurück.
Das Ganze war ein schönes Strohfeuer, hat aber nachhaltig keine wiederkehrenden Leser oder Abonennten unseres Blogs generiert.
2. Fall:
Vor einigen Tagen veröffentlichte Czyslansky-Kollege Tim Cole den Beitrag Journalismus aus dem Automaten und wieder gab es einen Run auf unsere Seite. Diesmal aber, so meldet unser Blogwart (der alles mitbekommt, protokolliert und alles meldet, was man wissen will, eben ein treuer und gehorsamer Gefolgsamnn im Dienste der Sache), dass Google mitnichten zu den Hauptreferrern gehört. Um nicht zu sagen: Tims Beitrag wurde über Google kaum gefunden. Dieses Mal kam der Zuspruch hauptsächlich durch zwei Blogeinträge auf anderen Seiten. Da wäre zum einen der Eintrag im Blog Herzdamengeschichten von Maret und Maximilian Buddenbohm, der uns enorm viele Leser beschert hat. Noch ergiebiger aber war der Hinweis auf Bildblog.de, dem Watchblog für deutsche Medien von Lukas Heinser.
Von dort zog die Karawane zu Czyslansky.
Interessant war, dass in der Statistik und der Übersicht der (Gast)Leser, also wer sich gerade wo auf Czyslansky aufhält, der Artikel selbst vielleicht 50% ausmachte. Das war beim „R.I.P. Morgan Freeman“ anders. Dafür aber standen in der Liste plötzlich wieder eine Menge Beiträge aus dem vergangenen halben Jahr, Beiträge, die eigentlich längst in der Versenkung verschwunden waren.
Das lässt den Schluss zu: Die von den Herzdamen und dem Bildlog zu uns gekommenen Leser haben sich nicht damit begnügt, Tim Coles Artikel zu lesen sondern sich auch andere Beiträge auf Czyslansky angesehen – und vermutlich gelesen.
So hegen wir eine begründete Hoffnung, dass ein paar Neuleser, die uns Tims Artikel beschert hat, wiederkommen werden.
Das Fazit ist eindeutig: Google treibt nur Leute heran, die eine ganz bestimmte Information suchen, und dann sofort wieder weg sind – User. Google hilft nicht wirklich, Leute zu gewinnen, die sich für weiteren Content der Seite interessieren, geschweige denn treue Leser oder Blogabonennten. Zumindest gilt das für Seiten, deren Themenspektrum weiter gefasst ist.
Das ist nicht wirklich Neues, sollte aber doch zu denken geben angesichts des in Tim Coles Artikel erwähnten Honorarsmodells für freie Journalisten. Die Bezahlung vom „Lese“-Erfolg (gemessen an den Klicks) und damit von den Platzierungen im Google-Ranking abhängig zu machen, ist wie eine Heizung mit Strohfeuern: aufwendig, substanzlos, auf Dauer ineffizient und wenig wärmend. Viel wird verbrannt, wenig erreicht.
Das macht einen Medienbetrieb von noch mehr Zufälligkeiten abhängig – letztlich aber existenziell von den Werbetreibenden. Denn das sind die, die sich am meisten für die Performance einer Seite interessieren.
Wie las ich unlängs bei Twitter zur Insolvenz der Frankfurter Rundschau (hier aus der Erinnerung zitiert): Eine Zeitung, die von Werbeeinnahmen abhängig ist, ist keine Zeitung.