Die Spatzen pfeifen es schon längst vom Dach, aber seit gestern ist es offiziell: Google wird Microsoft auf dessen ureigenem Terrain herausfordern, dem Betriebssystem. „Google Chrome OS“ soll noch dieses Jahr den Entwicklern der Open Source Community zur Verfügung gestellt und nächstes Jahr ausgeliefert werden. Angeblich hat Google das expolsionsartig wachsendene Segment der Sub-Notebooks oder „Netbooks“ im Visier, aber das Betriebssystem wird vermutlich auch auf „richtigen“ PCs und Laptops laufen. Nach ersten Berichten handelt es sich um ein extrem abgestripptes und ressourcenschonendes System, das mit dem Google-eigenen Web Browser gleichen Namens sozusagen eine Symbiose bildet.
Damit fügt es sich nahtlos ein in Googles Vision einer Internet-zentrischen Computerwelt, in der Software nicht mehr auf dem einzelnen Rechner residiert, sondern online und nur bei Bedarf abgerufen und im Web-Browser ausgeführt wird statt wie bisher durch das Betriebssystem gesteuert. Die Funktionen des OS verlagern sich also auf den Browser, der damit das wahre Herzstück des Computers von Morgen werden soll.
Klingt nett, aber mal ehrlich: Braucht die Welt noch ’n Betriebssystem?
Okay, Google will Microsoft natürlich ärgern, wo es geht, aber es gibt ja auch den alten Spruch, wonach der Schuster lieber bei seinen Leisten bleiben soll. Und die Jungs in Redmond sind auch nicht blöd. Sie haben (mit Windows 7) schon gezeigt, dass sie lernfähig sind. Und wenn ich ein Open Source-Betriebssystem will, dann kann ich mir ja Linux holen. Überhaupt ist die Frage, ob nicht Linux in Wirklichkeit das Opfer des Google OS sein wird und nicht Windows.
So völlig klar scheint Google die eigene Strategie auch nicht zu sein. Denn hallo: Die haben ja schon ein Betriebssystem! Es heisst „Android“ und ist zwar eigentlich für Smartphones gedacht. Aber wo hört denn heutzutage ein Smartphone auf und wo fängt ein Netbook an? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Android – das bislang reichlich Mühe hatte, sich freizuschwimmen – in diese Richtuhng weiter zu entwickeln?
Merke: Auch eine Firma wie Google kann sich verzetteln.
Ich bin jedenfalls skeptisch. Der Chrome-Browser hat mich nicht überzeugt. Und ob ein angeflanschtes Schmalspur-OS ihn besser macht. darf bezweifelt werden. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren – Konkurrenz ist ja bekanntlich gut fürs Geschäft. Oder was meint Ihr?
Hat nicht letztens erst Microsoft einen fetten Betrag an die EU-Kartellbehörde abgedrückt, weil sie ihren Browser mit dem Betriebsystem gekoppelt haben?
Und jetzt entwickelt Google ein Betriebssystem zu IHREM Browser dazu?
Diese kleine Umfrage war heute in der Businessweek-Online:
„Does Google’s planned PC operating system, Chrome OS, have a chance to unseat Microsoft’s Windows?
Yes
52%
No
48%
Total number of votes: 642“
Bingo!
Also nochmal: Microsoft ist es nicht gelungen, den Trend der Netbooks zu erkennen, geschweige denn erfolgreich auf ihn aufzuspringen. Was fehlt ist ein anwenderfreundliches Betriebssystem für Netbooks, dass schnellstens startet, sich automatisch einrichtet und vor allem keinen unnötigen Ballast mitbringt.
Hat sich der geneigte Autor zudem mal überlegt, wieviel Zeit er heutzutage „im Internet“, d.h. mit geöffnetem Browser zubringt. Und wieviel Funktionen von Word bzw. Excel benutzt er tatsächlich? Nein, nein – Microsoft sieht nicht grün (http://www.czyslansky.net/?p=1486), sondern rot. Langsam wird ihnen auch dämmern, dass die Jahre der Fat PCs vorbei sind und das Computern in der Cloud stattfindet, und wenn sie sich noch sehr an die lokale Festplatte klammern. Mein Tipp an Steve Ballmer steht übrigens schon hier als Kommentar (http://www.vibrio.eu/blog/?p=224). Und wer mir nicht glaubt, der lese bitte die FTD von gestern: „…während Microsofts krampfhafte Versuche, eine neue Erlösquelle aufzubauen (Zune, Xbox, MSN), sich als teure Abenteuer herausgestellt haben.“ http://www.ftd.de/boersen_maerkte/aktien/marktberichte/:Das-Kapital-SAP-und-Oracle-in-Pharmas-Fu%DFstapfen/536381.html
google hat eine reelle chance, weil ms noch keine wirkliche antwort auf das thema cloud computing für mobile menschen hat (wohl aber eine strategie). ein schmales betriebssystem, das in 15 sekunden hochfährt, nicht abstürzt und auf einem mobilen teilchen auch nach sechs monaten noch rennt wie lola wäre attraktiv. aber nur dann, wenn es sich als offen für andere welten zeigen würde. die wichtigsten dinge meines lebens müssten drauf laufen. und zwar zuverlässig. und ich muss auch auf einem chromteilchen auf wunsch windows starten können, um damit bei bedarf mit meinen ollen und vertrauten und guten office-applikationen arbeiten zu können, wenn’s denn sein muss.
die frage ist nur: schafft es google noch einmal so offen zu denken, wie in seiner gründerzeit? oder funktionieren sie letztlich doch schon so, wie alle großen unternehmen nunmal funktionieren: offen, wenn es sein muss, verschlossen, wenn es möglich ist. dann wird googles chrom eine kurzfristige zeiterscheinung bleiben und entweder von windows 8 erledigt oder gemeinsam mit diesem von einem newcomer. und der könnte dann vielleicht „lola“ heißen. und rennen und rennen und rennen …