Auf den Tag genau vor einem Jahr startete mit czyslansky.net ein wegweisendes, ja ein bahnbrechendes, vor allem aber ein längst überfälliges Experiment. Dass es längst an der Zeit gewesen ist, dem großen Genius des Digitalen ein passendes – sprich: digitales – Denkmal zu setzen, war Kennern seines einzigartigen Lebenswerks natürlich klar. Doch welche Form sie annehmen sollte, darüber gab es ungefähr so viele unterschiedliche Meinungen, wie es Czyslansky-Jünger gibt. Der Vorschlag, eine Säule hell pulsierendes Lichtes von einer Hügelspitze in seinen geliebten nordbömischen Isergebirge erstrahlen zu lassen, wurde als „steroidgeschwängerter Schwert der Jedi-Ritter“ abgetan, ebenso die Idee einer geschmackvollen Messingtafel an dem Gebäude in der Züricher Blunschligasse zu enthüllen, wo er seinen legendären “Mechanischer Merker” baute, dessen tausende von mittels Wäscheklammern an eine Kurbelleine befestigte Karteikarten Tim Berners-Lee vermutlich den Anstoß zur Entwicklung des universellen Wissensspeichers World Wide Web gab.
Die Gesellschaft der Freunde Czyslanskys entschied sich für eine mediengerechtere Form der Nachlasspflege, nämlich diese Website. Dass es um das Startdatum von czyslansky.net hingegen ein gewisses Maß an Konfusion gibt, liegt in der Natur der Sache. Puristen, insbesondere Anhänger der verschärften Auslegung des Gregorianischen Kalenders, gehen vom 16. Juni 2008 aus, als dem Tag, an dem Michael Kausch , unser geschätzte Kollege und Mitbegründer der Czyslansky-Gesellschaft, die Welt mit seiner Abhandlung aufhorchen ließ: „war czyslansky ein verfechter der kleinschreibung?„, deren einzige Schwäche eine gewisse Halbverständlichkeit aufgrund orthografischer Schwächen des Autoren blieb. Das Datum ist allerdings wirklich sehr verwirrend.
Es gibt Gründe anzunehmen, dass die auffällige Fehldatierung dem „großen digitalen Kalenderstreit“ geschuldet ist, den der große Czyslansky selbst vom Zaume gebrochen hat. Czyslansky lernte den damals 54jährigen Albert Einstein in Princeton kennen, wo sich die beiden regelmäßig in der Kantine des Instituts for Advanced Study trafen, um – gelegentlich auch sehr hitzig – über die Relativität des digitalen Zeitbegriffs zu streiten (siehe Hortiggenstein: „Running on Princeton Time: the Coffee Shop Protocols“).
Einstein bestand auf eine feste Beziehung des Raumzeit-Kontinuums, allenfalls durch eine leichte Raumzeit-Verkrümmung gestört, was die Österreicher Joseph Lense und Hans Thirring später um die Vorstellung einer „Raumzeit-Verwirbelung“ ergänzten (durch die Rotation der Himmelskörper würde die Raumzeit wie durch ein Mixer verdreht, der durch eine Schüssel voller Sahne fährt).
Czyslansky war anfangs von dem als „Lense-Thirring-Effekt“ bekanntgewordenen Theorem angetan, doch ging sie ihm nicht weit genug. Warum, fragte er, sollte sich die Zeit nicht so weit verquirlen lassen, dass sie still steht oder sich sogar umkehrt?
Es ist nicht auszuschließen, dass Cyzslansky, der ja in der talmudischen Tradition seines Elternhauses erzogen wurde, durch alttestamentarische Vorstellungen in seinem Denken beeinflusst war (siehe Josua 10:13: „…da stand die Sonne und der Mond still, bis daß sich das Volk an ihren Feinden rächte.“). Wie willkürlich gerade in mosaischen Glaubenskreisen mit dem Zeitbegriff umgegangen wird, hatte er schließlich Jahr für Jahr anläßlich von Rosh Hashanah erfahren müssen, dem jüdischen Neujahrfest, das von orthodoxen und konservativen Juden am ersten UND am zweiten Tag des jüdischen Monats Tishri, also entweder im September oder Oktober, gefeiert wird, von reformierten Juden hingegen nur am ersten Tag.
Zeit-Zeugen berichten, dass Czyslansky in seinen letzten Lebensjahren seine Terminplanung nach dem erweiterten julianischen Digitalkalenderium führte. Diese geht zurück auf die von Julius Caesar 45 n.Chr. eingeführte und 535 durch den Begriff des „annus salutis“ ergänzte Zeitrechnung, die sozusagen einen willkürlichen Stichtag für den Beginn der Neuzeit, nämlich die Geburt Christi, einführte. „Was die Kirche kann, kann ich schon lange“, soll Czyslansky in einem Augenblick hoher Erregung ausgerufen haben, möglicherweise durch den übermäßigen Genuß von billigem Messwein aus der Instituts-Kapelle verursacht.
Jedenfalls bestand er fortan darauf, Neujahr am 18. Januar zu feiern. Der 16. Juni wäre also nach Czyslansky’scher Zeitrechnung der 6. Juli – und deshalb feiern wir, die weltweite Anhängergemeinde des großen Digitalisten, heute den Tag, an dem ein neues, digitales Kapitel in der Aufarbeitung seines unvergleichlichen Erbes aufgeschlagen wurde. Happy birthday, Czyslansky.net!
Nun haben wir uns leider solange bei Recherchen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegt, dass wir eine komplette Woche im CZR zubringen mussten. (CZR = Czyslanskyscher Zeitreparierer). Das hat zwar dafür gesorgt, dass wenigstens wir alle wieder dieselbe Zeit haben, aber dafür hat es Teilüberlappungen mit Paralleluniversen gegeben. In einem der Universen hieß der Physiker, den Du oben erwähnst, beispielsweise noch Thiering, das ist das Universum, aus dem ich komme. Gottseidank lösen solche Petitessen keine Zeitparadoxien aus, jedenfalls nicht, wenn man den bahnbrechenden Arbeiten von Czyslansky folgt [1] Bd. 2 Seite 1148ff.
[1] Czys.: Über ernsthafte Ereignisse, die geeignet sind, richtige Verwirblungen auszulösen, Band 1: Der Raum, drei Dimensionen, Band 2: Die weiteren Dimensionen.
So, das Raumzeitgefüge ist wirklich wieder hergestellt. Jetzt glaube ich auch, dass Thirring nicht Thiering heisst. Und auf einmal kann ich mich wieder erinnern, eine Vorlesung bei ihm gehört zu haben – doch halt, das war sein Sohn Walter. Auf die Frage, ob es denn stimme, dass man, wenn man in einem Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit auf die Erde pralle, man schlicht und einfach durch die Erde durchfliegen werde, ohne Schaden zu nehmen, antwortete Prof. Thirring „Das ist durchaus vorstellbar – aber ausprobieren tät‘ ich es nicht“. Unvergesslich!