So sieht die Zukunft aus. Oder auch nicht…
Alles Jahre wieder, kurz vor Weihnachten, legen die Forscher von IBM ihre „5 in 5 List“ vor – eine Aufzählung von fünf technologischen Trends, die unsere Welt auf den Kopf stellen werden, und zwar innerhalb der nächsten fünf Jahren. 2006 sagten sie voraus, dass unsere Smartphones in fünf Jahren in der Lage sein werden, Gehirnwellen zu lesen: Denke dir eine Nummer, und schon wählt das Ding und stellt dich durch. Sie haben das 3D-Internet vorausgesagt und eine Neuauflage von Doug Adams „Babelfisch“, der das gesprochene von einer Sprache in eine andere in Echtzeit übers,Biometrieetzen kann. Nun, wir schreiben heuer das Jahr des Heils 2011, also müsste das ja jetzt eigentlich alles längst hier sein. Vielleicht ist es da – aber ich sehe leider nichts davon, also bin ich dazu geneigt, die IBM-Liste cum grano salis zu nehmen, wie wir alten Lateiner sagen.
Trotzdem ist die Versuchung für einen Techie wir mich jedes Jahr übergroß, sich doch mit der neuesten Ausgabe von „5 in 5“ zu beschäftigen, und wenn auch nur, um die Absurdität mancher der dort gemachten Vorhersagen zu illuminieren (siehe „IBM hat den 5×5-Antrieb erfunden„). Aber andererseits hatte der legendäre Philosoph und Baseballspieler Yogi Berra von den „Yankees“ recht als er sagte: „Es ist immer schwer, Prognosen zu machen, vor allem wenn es dabei um die Zukunft geht.“ Also, Ärmel hoch und durch:
1. Du bist ein Kraftwerk! Ich laufe fast jeden Tag an der Isar entlang und verausgabe mich dabei ganz schön. IBM will die kinetische Energie, die ich dabei loswerde, auffangen und beispielsweise benützen, um die Batterie meines iPods zu betreiben. Das Gleiche gilt für Radfahren oder fürs simple Spazierengehen. Womöglich werden wir demnächst alle Batteriepacks tragen, wo wir gehen und stehen, die wir dann beim Nachhauskommen in eine Wanddose stecken, um damit die Hausbeleuchtung zu betreiben. Die Couchkartoffeln werden im Dunkeln sitzen. Geschieht ihnen Recht!
2. Nie wieder Passwörter! Wenn ich Geld aus dem Automaten will, muss ich nur kurz in einen Iris-Scanner schauen, und schon erkennt mich das Gerät und spuckt Kohle aus. IBM jagt den alten Hund der biometrischen Erkennungstechnik wieder mal ums Dorf. Dabei ist ihr Partner Lenovo nicht einmal imstande, einen wirklich funktionierenden Fingerabdruckleser für meinen ThinkPad zu bauen. Und außerdem: Tom Cruise hat uns schon vor zehn Jahren in „Minority Report“ gezeigt, wie man eine solchen Anlage umgeht: Du musst nur immer eine Tüte mit frischen Augäpfeln dabei haben. Möglichst deine eigenen, natürlich.
3. Ich denk an dich – und schon bist du dran! Die Verbindung zwischen dem menschlichen Hirn und seinen mobilen Endgeräten wird nach Ansicht der IBM-Forscher in den nächsten fünf Jahren hergestellt sein. Dann wird es möglich sein, Computer oder Handy per Gehirnwellen zu steuern. Ich werde Tastatur und Maus aber vorsichtshalber aufheben, denn um ganz ehrlich zu sein: Meine Gedanken sind manchmal nicht einmal mir ganz klar, geschweige denn meinem iPhone. Und wie peinlich wäre es, wenn einer neben seiner Frau im Bett liegt und an seine Freundin denkt. Plötzlich klingelt es und sie ist – hallo Schatzi! – am anderen Ende!
4. Das Ende des digitalen Abgrunds! In fünf Jahren werden 80 Prozent der Menschen auf der Welt per Handy erreichbar sein. Das wird das Leben der Menschen vor allem in den armen Ländern radikal verändern und ihnen Anschluss an die Weltmärkte und damit an die Zukunft geben. Es wird ihnen außerdem die Möglichkeit bescheren, automatisch generierte Werbe-Calls von Versicherungsfirmen und Viagra-Anbietern zu empfangen, von den dauernden Anrufen der Schwiegermutter ganz zu schweigen.
5. Spam, der schmeckt! IBM redet ganz offen darüber, dass man dort dabei ist, Systeme zu bauen, die alles, was im Internet und in den Social Media über dich bekannt ist zusammentragen und zu einem Verbraucherprofil zu verdichten. Damit können Werber uns ganz gezielt anmailen und uns Dinge anbieten, die wir wirklich wollen. Das ist dann zwar immer noch Spam, aber wenigstens nicht mehr ganz so nervig. Meine ganz persönliche Prognose: Auch in fünf Jahren wird der Ausschaltknopf das Wichtigste an unseren elektronischen Empfangsgeräten sein.
2 Antworten
Eigentlich sind das doch gar keine wirklich neuen Ansätze.
Nehmen wir zum Beispiel die von Dir angeführte Iris-Erkennung vor dem Geldautomaten: Es ist immerhin fast sechzig Jahre her, da brauchte Marilyn Monroe in dem Film „How to marry a millionaire“ nur Rory Calhoun in die Augen zu sein, und dessen Geldbeutel sprang auf. DAS war Iris-Erkennung, und zwar vom ansehnlichsten. Damals hat die IBM noch dummdrösig am „650 Magnetic Drum Calculator“ herumgeschraubt, der sich bei Drummern nie wirklich durchgesetzt hat.
Auch mit Gedanken kann man heute schon sehr viel Wichtigeres steuern als Computer – zum Beispiel Schaukelstühle. Entwickelt hat das Emotiv Systems (http://emotiv.com/) und gesehen hab ich das schon vor zwei oder drei Jahren auf dem Züricher Tweakfest.
Selbst der von Dir beschriebene Effekt mit der kinetischen Energie ist mir lange aus eigener Erfahrung bekannt: ganz ohne durch ebenso hektisches wie zielloses Herumgerenne an der Isar den verstörten Entenerpeln dort auf die Nerven zu gehen brauchst Du doch nur ein schönes Glas Ardbeg zwischen die Lippen zu schlürfen und schon durchzieht Deinen Körper eine wunderbare und wundersame Wärme – ein Effekt, der offenbar von der ruhigen aber sicheren physikalischen Bewegung des Kauapparats herrührt, denn in der Flasche erhitzt sich der edle Stoff glücklicherweise gar nicht. Aus artgerechter (!) Bewegung Wärme zu generieren – wie einfach sind solche Dinge doch!
Danke für deinen Artikel! Sind ein paar Dinge bei die ich über die IBM noch nicht wusste.
Gruß
Tommi