… und lache trotzdem – gemeinsam mit etwa 13.000 anderen Menschen. So viele Fans hat nämlich die Facebook-Seite Auslenda nehmn uns der Bildunk weg. Wir haben unseren Spaß, auch wenn uns das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt. Manchmal lachen wir über Axel:
Oder über Conny und Manfred Ulrich:
…und wir lachen über die all die anderen, die sich in krude, fremdenfeindliche, vorurteilsdurchtränkte Gedanken verstiegen haben und diese bei Facebook gepostet. Auf der oben genannten Fanpage sind sie alle versammelt. Und nicht selten werden diese Screenshots bissig kommentiert: Von den Betreibern der Seite, die sich als Dichtkunst, Lyrik und Sprachentwicklung. Realsatire verstanden wissen wollen, und von den vielen Fans, denen es angesichts der Sprachverhunzung nicht selten die Schuhe auszieht.
Ausländerfeindlichkeit geht dieser Seite zur Folge mit mangelhafter Schuldbildung einher. Die Statements strotzen neben Polemik, Gift und Galle vor allem vor wirren Gedanken und eben Rechtschreibfehlern.
Das macht sie einerseits so unfreiwillig komisch, verursacht andererseits aber bei mir beim Lesen das in der Überschrift angesprochene, schlechte Gefühl.
Es scheint, als kämen diese Posts direkt vom bildungsfernen Bodensatz der Gesellschaft. Und genau das ist das Problem…
Wenn ich höre, dass Politiker davon schwadronieren, die Sorgen der Menschen ernst nehmen zu wollen, ist mir klar, dass die Phrasendreschmaschine wieder ganze Arbeit geleistet hat. Denn allen Beschwörungen der Politiker zum Trotz haben wir auf der anderen Seite der Bildungsskala – wir, die Intellektuellen, die Medien, die selbsternannte Elite, die Bürgerlichen, die Akademiker, die Aufgeklärten und Aufklärer – schon lange aufgehört, diese Menschen ernstzunehmen.
Im Gegenteil: Wir verachten sie, wir lachen über sie. Nichts als Hohn und Spott empfangen sie von uns. Wir halten ihnen vor, dass sie zu blöde sind, nur einen einzigen Satz fehlerfrei zu schreiben. Wir sprechen ihnen damit nicht nur Grundzüge der Bildung sondern gleich auch jegliche Intelligenz mit ab; und geradezu zwangsläufig auch jegliche Kompetenz auch nur Irgendetwas zum aktuellen Diskurs beitragen zu können, geschweige denn zu dürfen.
Man könnte es durchaus Selbstgefälligkeit und Arroganz nennen.
Und dann wundern wir uns, wenn die Gräben innerhalb der Gesellschaft immer weiter auseinanderbrechen. Leider vergessen wir, dass wir selbst einen Teil dazu beitragen, wenn wir aus unseren Elfenbeintürmen auf das dumme (sich sorgende) Fußvolk permanent voller Überheblichkeit heruntergucken und herunterspucken.
Natürlich soll diese Facebook-Seite die Hüter des Deutschtums an einer ihrer empfindlichsten Stellen treffen: Dem Unvermögen, sich der eigenen Muttersprache, des Deutschen zu bedienen und so deren Anspruch konterkarieren, das Deutsche vor Überfremdung verteidigen zu können. Die Dummheit zu entlarben, macht es ja so komisch.
Und trotzdem:
Was folgt denn auf permanente Demütigung, Verachtung und Verspottung? Frustration, Wut, Zorn, Empörung und am Ende Gewalt. So dumm, dass sie nicht bemerken, wie herablassend ihnen begegnet wird, sind sie nun auch wieder nicht.
Irgendwann wird der Hund, den man forwährend tritt, eben zubeißen; egal, ob er Wilma, Conny, Axel oder Manfred Ulrich heißt.
Wir, die selbsternannte und nicht selten selbstverliebte Elite der Gebildeten, der Weitsichtigen, der Reflektierenden, macht und lacht derweil munter weiter.
Aber in mir entwickelt sich mehr und mehr ein schlechtes Gefühl, ob es eine gute und nachhaltige Strategie ist, diesen Menschen immer wieder ihre eigene Bildungsferne, Dummheit, Schreib- und Artikulationsschwäche um die Ohren zu klatschen und sie fortgesetzt der Lächerlichkeit preis zu geben.
Was meinen Sie?
Bilder: Screenshots der FB-Seite Auslenda nehmn uns der Bildunk weg
Lieber Lutz, du sprichst mir aus der Seele.
Über die sprachlichen Defizite (überraschend) großer Teile unserer Gesellschaft sollte man sich nicht so einfach lustig machen. Ich kann mich sehr gut an Zeiten erinnern, in der sich Menschen mit solchen Defiziten in der SPD getroffen haben. Und ich fand es immer wichtig, diese Leute ernst zu nehmen, zu integrieren, ihnen eine Stimme zu geben. Und viele waren damals ganz patente Menschen, die man gern haben konnte. Unsympathisch werden sie erst, wenn sie dümmliche rassistische Äußerungen von sich geben. Wir haben verlernt, Menschen mitzunehmen, die sich außerhalb unseres Bildungs-Kanons bewegen. Und vermutlich haben wir viele genau deshalb an die neuen rechten Rattenfänger verloren.
Ein anderes Beispiel falscher Ausgrenzung: seit fünf Jahren läuft nun schon ein von mir angezettelter Shitstorm unzufriedener Kunden eines Anbieters von Kaffee-Maschinen (http://www.vibrio.eu/blog/kaffee-partner-kein-partner-frs-leben/). Unter den zahlreichen Kunden, die sich von dem Unternehmen „betrogen“ fühlen, gibt es viele, die große Probleme haben, sich korrekt auszudrücken. Genau deshalb wurden und werden sie wohl auch häufig Opfer von unseriösen Außendienstverkäufern und Drückerkolonnen. Immer wieder aber macht sich jemand lustig über sie und denunziert ihre kritische Kundenerfahrung mit dem Hinweis „Ihr seid doch zu blöd … Wer einen Kaufvertrag abschließt muss wissen, was er tut“. Nein: wer einen Kaufvertrag vermittelt muss dafür Sorge tragen, dass er verstanden wird.
Und wer Politik macht, der muss dafür sorgen, dass er verstanden wird; und zwar von allen Teilen der Gesellschaft, auch von marginalisierten Gruppen. Machen wir uns über die Sprache von Franz-Josef Wagner lustig. Oder über die ganze Silbereisenbande. Aber nicht über jene, die es nicht besser können. Wir machen uns unsere Nazis selbst.