Kennen Sie dieses Spiel Ich packe meinen Koffer und nehme mit…, mit dem man sich früher auf langen Autofahren, in der Zeit vor Gameboy und Walkman (ja, das war noch lange vor Tablets und iPhones) die Zeit vertrieb? Damals, also in der Zeit, als wir alle noch nichts hatten, memorierte man so bis zum Erbrechen, was man alles sinnvollerweise in seinen Koffer tut, wenn man eine Reise plant.
Diese Fähigkeit ging mir mit der Zeit und der Digitalisierung verloren. Heute, wenn ich eine Reise tue, steht vor dem Erfolg der Schweiß… Nicht durch körperliche Anstrengung beim Packen sondern durch Stress. Das ist der Angstschweiß, irgendetwas Wichtiges vergessen zu haben. Und natürlich immer die Entscheidung, was man einpacken soll, und was nicht. Zum einen könnte man das Falsche einpacken, wer weiß schon, wie übermorgen das Wetter ist.
Außerdem nimmt man sich mit jeder Entscheidung, die man getroffen hat, die Option, vielleicht doch etwas Anderes anziehen zu können, was nun aber daheim im Schrank hängt. Oder das falsche Buch eingepackt zu haben, die falschen Schuhe, das falsche Rasierwasser… Sie kennen das.
Web 2.0 heißt Stressabbau. Warum also nicht den digitalen Sozialkontakten das Problem aufhalsen und sich entspannt zurücklehnen? Warum also nicht seiner Community vertrauen?
Vor einigen Tagen habe ich dazu einen ebenso interessanten wie heroischen Selbstversuch gestartet. Zwar gibt es irgendwo in den Tiefen meiner Festplatte eine Liste, was ich unbedingt einpacken sollte, aber warum soll ich die jetzt rauskramen?
Wenn also heute auf entsprechenden Plattformen jeder Mist im Web als Frage eingestellt werden kann, warum soll ich das nicht auch mal probieren?
Gute-Frage.net und Wer-weiß-was bemühe ich nicht. Das ist Kinderkram. Also gehe ich auf Twitter – den Spielplatz der Großen. Unter dem Hashtag #followerpower stelle ich die Frage, was ich für die kommenden fünf Tage für einen Trip nach NRW alles einpacken muss. Ich werde ja sehen, ob mir die etwas mehr als 1.000 Follower, die ich dort habe, Hilfestellung leisten können. Ja, ich spiele sogar mit dem Gedanken, dass ich nur einpacke, was mir in meiner Timeline empfohlen wird. Vielleicht werden ja sogar einige die Frage retweeten, dann kann ja gar nichts mehr schiefgehen.
Und in der Tat, es dauert nur wenige Sekunden, dann flattern die ersten ernstgemeinten und einige etwas wenige ernstgemeinte Vorschläge in meine Timeline. „Sechs Unterhosen“, ist das zweite, was mir empfohlen wird. Das erste lasse ich jetzt mal unerwähnt. #AusGründen.
Mit dieser Empfehlung kann ich was anfangen. Ich krame sie aus dem Schrank. Um die Follower etwas zu motivieren, mir weiter auf die Sprünge zu helfen, mache ich ein Foto, lade es bei Twitter hoch und schreibe: Hab ich, was noch?
Meine Follower lassen mich nicht im Stich: Socken, T-Shirts, Hemden, Jacken, Hosen… Zahnbürste, Creme, Fön, Rasierzeugs: Alles, was ein Mann auf Reisen braucht, wird mir nach und nach zugerufen. Inklusive Kondome und Pille danach. Das rührt mich ganz besonders.
Tablet und Handy. Geld und Scheckkarte, alles da.
Ganz wichtig auch der Tweet Ladekabel, Ladekabel, Ladekabel. Der mir persönlich unbekannte Twitterer kennt mich also sehr gut: Eines für’s Laptop, eines für den iPod und eines für’s Telefon. Sehr gut. Das hat was. Ich mache weiter. Was noch?
Hin und wieder werfe ich in die Timeline, ich habe die Sorge, was zu vergessen, bedanke mich artig und fordere die Follower auf, ihren Grips anzustrengen. Wie eine Düngergabe funktioniert diese Bemerkung. Die Vorschläge sprießen, dass es eine Freude ist. Sehr pragmatisch der Hinweis, Geld mitzunehmen. Da kann man – soweit verstehe ich den Zusatz „das reicht dann auch“, alles Notwendige auch nachkaufen. Schließlich ist man ja nicht aus der Welt. Und Geschäfte gibt es überall, wir fahren ja nur nach Nordrhein-Westfalen. Nicht in die Serengeti. Irgendwann ist der Koffer voll. Es hat funktioniert.
Als ich bilanziere, bin ich zufrieden. Mir muss niemand mehr erzählen, Twitter habe keine praktische Komponente, sei realitäsfern und biete keine Lebenshilfe.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich doch nicht zu 100% auf meine Timeline und meine Follower verlassen habe. Sonst hätte ich einige wenige Dinge, die nicht in den Empfehlungen waren, daheim lassen müssen. So musste ich zum Beispiel selbst daran denken, Schuhe und Nachwäsche einzupacken, letzteres wäre zur Not verzichtbar gewesen, aber barfuß oder auf Socken laufe ich ganz sicher nicht durch die Gegend. Andererseits bin ich stolz, dass mir niemand empfohlen hat, Trekkingsandalen einzupacken. Dann lieber gar kein Schuhwerk. Meine Timeline kennt mich also besser, als ich gedacht hätte. Ich bin ein wenig gerührt. Mein Dank gilt allen Followern und digitalen Freunden für diese großartige Unterstützung.
Und einen praktischen Rat bekomme ich natürlich auch: Endlich mal eine Liste anlegen..
Als wenn ich mir nicht längst eine solche Liste angelegt hätte… Aber wie gesagt: Ich bin zu faul zum Suchen. Man kann doch einfach andere fragen.
Bilder: Screenshots von meinem Handy.
Eine Antwort
Na dann willkommen in Köln, oder gibt es in NRW noch andere Orte die nicht doch an die Serengeti erinnern? 😉
Als Ergänzung: Ich verlasse das Haus nie ohne Klebeband (Isolierband), wenn ich mehrere Tage verreise. Irgendwas muss immer notdürftig geflickt werden, wenns auch nur das Ladekabel³ ist.