Wichteln ist ja nun nicht so nach jedermanns Geschmack. Zumindest nicht nach meinem. Vor allem nicht in Zusammenhang mit Weihnachten. Nur kann man sich, findet dieses Wichteln im Kollegenkreis oder im Verein statt, selbigem nur schwer entziehen. Mit etwas Glück läuft das ganze komplett anonym, das heißt, man deponiert sein Geschenk auf dem Gabentisch oder im großen Wichtelsack, wählt später ein Anderes und alles ist gut. Mit weniger Glück erfährt man im Vorfeld, wen man zu beschenken hat (oft ausgelost) und kann dann bei der Geschenkebeschaffung etwas persönlicher werden; oder, wenn der Schenkende anonym bleibt, allzu persönlich. Dann gehört es zu den besonderen Herausforderungen auf den Weihnachtsfeiern, herauszubekommen, wer einem das äußerst geschmackvolle Wichtelgeschenk verpasst hat. Sollten Sie noch nie Zeuge einer solchen Weihnachtsfeier gewesen sein, dann finden Sie hier eine eindrucksvolle Schilderung, die Ihnen sicher viel Appetit auf solche Festivitäten macht… oder auch nicht. Trotz aller Vorbehalte werde ich dieses Jahr wichteln. Obwohl ich das Ganze eigentlich nicht mag. Aber dieses Wichteln ist anders. Es findet digital statt: Auf Twitter. Folglich heißt es auch nicht wichteln sondern twichteln. Zufällig entdecke ich einen Tag vor Anmeldeschluss einen Account, über den ein twitterliches Weihnachtswichteln organisiert wird. Das macht mich neugierig: Da meine Neugier geweckt ist, schaue ich mir die Teilnahmebedingungen vom Vorjahr an, die bis auf das Datum übernommen wurden. Spontan melde ich mich an. Das verspricht Spaß, schon deshalb, weil die Teilnahme freiwillig ist. Es machen nur Leute mit, die Lust dazu haben, und ohne Zwang fallen auch die lästigen Pflichterfüllungen weg. So hoffe ich, dass alle Teilnehmer auch etwas Nettes verschicken und nicht nur ausrangierten Ramsch vom Vorjahr. Ich finde es spannend, dass gute alte Traditionen und Brauchtümer in der digitale Welt ihre Entsprechung finden. Twitter lädt, so scheint es mir, hier etwas Alt-Hergebrachtes wieder neu mit Spaß auf. Ich studiere die Posts des Accounts: Nachdem ich mich angemeldet habe, nehme ich Kontakt mit dem Betreiber auf. Mich interessiert, wer dahinter steckt. Ich vermute, da hat ein Twitterer einfach Lust, eine solche Aktion zu veranstalten, sich und anderen eine Freude zu machen. Schon das verdient Anerkennung. Außerdem wird der investigative Czyslansky-Journalist in mir wach. Also schickte ich an die angegebene E-Mail-Adresse ein paar Fragen und bitte freundlich um Auskunft. Am gleiche Abend erhalte ich Antwort von der Betreiberin auf meine per Mail gestellten Fragen. „Bin ein Privatmensch, 19 Jahre und mache das uneigennützig“, schreibt sie mir, als ich wissen will, wer eigentlich hinter dem Ganzen steckt. „Ich selbst organisiere das Twichteln zum dritten Mal. 2012 das erste Mal mit meiner persönlichen Timeline. Seit 2013 betreibe ich das Twichteln über den @Twichteln_GER Account. Ich glaube vor 4 Jahren habe ich das Twichteln entdeckt. Da gab’s eine Webseite und einen Account. Erinnere mich nicht mehr an genaue Einzelheiten. Das wurde aber damals nach der Aktion dann eingestellt wegen großem Aufwand und unzufriedenen Twichteln.“ Auf meine Frage, wie groß denn die Resonanz sei, antwortet sie: „Dieses Jahr habe ich 137 Teilnehmer. Davon sind 27,01% männlich und 72,99% weiblich.“ Zusätzlich gibt sie über ihren Account ein paar demographische Angaben preis: Natürlich möchte ich auch wissen, wie denn die Erfahrungen in den Vorjahren waren. Immerhin setzt das Ganze ja doch auch ein großes Vertrauen der Teilnehmer voraus; zum einen, dass der Betreiber der Aktion, der immerhin völlig anonym ist, mit den persönlichen Daten keinen Unsinn anstellt, und vor allem, dass man, wenn man sein Geschenk verschickt hat, auch eines zurückbekommt. „Das hier basiert komplett auf Vertrauen“, bestätigt die Betreiberin, von der ich zumindest jetzt den Vornamen kenne, sofern er stimmt. „Die Daten werden nur an den Twichtel bekannt gegeben und sonst bekommt diese Daten keiner. Im letzten Jahr kam es im Großen und Ganzen gut an. Es gab leider ein paar Leute, die kein Geschenk abgeschickt haben. Da gab es Leute, die wollten nur selbst ein Geschenk bekommen. Von diesen Leuten habe ich mir die Namen hinterlegt, damit so etwas nicht passiert. Diese Leute lasse ich erst recht nicht mehr teilnehmen.“ Ich wünsche der Betreiberin Glück, dass es in diesem Jahr möglichst wenig Ausfälle und damit Enttäuschungen gibt und warte gespannt ab, wie es weitergeht. In den kommenden Wochen werde ich, da meine Teilnahme bestätigt ist, eine Adresse von einem anderen Twitterer erhalten, den ich beschenken darf. Dann folgt in diesem Blog auch: Teil 2: Ich twichtele. Wen muss ich beschenken, und vor allem was. Außerdem plane ich auch Teil 3: Ich habe getwichtelt voraussichtlich kurz vor Weihnachten, wenn ich (hoffentlich) ein Geschenk von einem anderen Twitterer zugeschickt bekommen habe.
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PS: Falls Sie bei Twitter sind und spontan Lust bekommen haben, auch mitzumachen, muss ich Sie leider enttäuschen. Der Anmeldeschluss für die Aktion 2014 ist schon vorbei. Ich habe es zu spät entdeckt, tut mir Leid.
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