Jedes Jahr – so möchte man meinen – das gleiche Spiel: Im Frühjahr startet die große Bewerbungswelle der Auszubilden. Noch vor Schulabschluss bewerben sich zahlreiche Schulabgänger um Ausbildungsplätze bei Betrieben, Praxen, Kanzleien, Behörden, Konzernen usw.
Und jedes Jahr zum September hin melden Arbeitsämter und Handwerkskammern, dass es immer noch Tausende unbesetzter Lehrstellen gibt. Mehr ist der Meldung nicht zu entnehmen, aber der Verdacht liegt nahe, dass es sich um eher unbeliebte Berufe handelt (Arbeitsbedingungen, Gehalt, Perspektiven) ; oder um unbeliebte Regionen (früher gern mal unter dem Stichwort „Zonenrandgebiet“ subsumierte strukturschwache Landkreise). Irgendwann kommt eben jeder unter – irgendwo. Oder auch nicht.
Gerade jetzt im Sommer wird die persönliche Situation derer, die noch nicht untergekommen wird, eher stressig. Es hagelt Absagen, die Zeit wird knapp, die Zahl der Angebote sinkt, die noch verbleibenden Stellen werden immer weniger attraktiv.
Viele angehende Auszubildene dokumentieren ihre Enttäuschung, ihren Ärger oder ihre Verzwweiflung im Internet und klagen in den einschlägigen Communities ihren Freunden und Followern ihr Leid. Geteiltes Leid ist eben halbes Leid. Auch im Web 2.0.
Doch das Dilemma betrifft nicht nur Auszubildende. Auch Leute, die eine Festanstellung oder auch „nur“ einen Minijob suchen, kann es treffen. Zwei Beispiele, die in den vergangenen Tagen immer wieder im Netz die Runde machten, sind besonders erwähenswert:
1. Das kostenneutrale Erprobungsverhältnis:
Im Mai bewarb sich Herr K. (nennen wir ihn mal so), bei einer Niederlassung eines großen Markendiscounters als Verkaufsaushilfe um einen Minijob auf € 325 Basis.
Die Absage, die er erhielt, spricht Bände. Ganz abgesehen davon, dass das Unternehmen es nicht einmal für notwendig gefunden hat, diese Absage zu unterschreiben, liest sich der Brief sehr befremdlich.
Anstelle einer Anstellung als Minijobber bot man Herrn K. eine kostenneutrale Arbeitserprobung in Form eines dreimonatigen Praktikums an. Sprich: Drei Monate als Praktikant umsonst für das Unternehmen zu arbeiten, ohne auch nur einen Hauch einer Perspektive zu haben, ob aus diesem Praktikumsverhältnis je eine Anstellung erwachsen könnte. Das mag bei Berufsorientierungspraktika (Schüler-, Stundentenpraktika u.ä.) noch einigermaßen nachvollziehbar sein. Aber bei einer Bewerbung als Verkaufshilfe in einem Discounter? Regale einräumen, leere Kartons aus dem Markt zu entfernen und ähnliche Dinge sind nun nicht gerade ein anspruchsvoller Job, bei dem ein Unternehmen selbst viel investieren muss, um einem Praktikanten etwas beizubringen.
Oh sagte Herr K. und erbleichte. Vor Zorn. Die personenbezogenen Daten machte er unkenntlich und entließ das Absageschreiben ins Netz. Dort kursiert es ungebremst, ein ständig wiederkehrender Aufreger in den sozialen Netzwerken, endlos retweetet bei Twitter unter anderem vom Jungpolitiker Pascal Jensen. Aus dessen Twittertimeline stammt auch der Screenshot mit dem Brief:
2. The Azubi strikses back
Anfang Juli berichtete die Süddeutsche Zeitung online von einer ungewöhnlichen Aktion eines Auszubildenen. Selbiger nämlich ersteilte irgendwann einer Absage auf die Bewerbung eines Ausbildungsplatzes seinerseits eine Absage. Süffidant, ironisch und unter Verwendung der üblichen Phrasen aus den Absageschreiben erstellte er eine Antwort, die ebenfalls im Netz kursiert.
Die Erstveröffentlichung dieses Briefs dürfte über das Blog Kraftfuttermischwerk von Ronny Kraak aus Potsdam erfolgt sein. Von dort stammt auch der Screenshot. Über Facebook fand das Foto seinen Weg in die Öffentlichkeit und zirkuliert ebenfalls seitdem durch die Social Communities bis hin zur Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung.
Der Brief spricht für sich:
Unerheblich is, ob dieser Brief tatsächlich jemals abgeschickt wurde. Er hat seine Wirkung nicht verfehlt.
Der Autor hat sich seinen Frust von der Seele geschrieben und mit einer viralen, guerillaartigen Aktion auf sich aufmerksam gemacht.
Chapeau!
3 Antworten
Die Idee ist hervorragend!
Suchen für kostenneutrales Praktikum in der Czyslansky Redaktion eine junge, hübsche Praktikantin. Chiffre: 777
Ich hoffe, dass die Bewerbungsschreiben nicht so viele Rechtschreibfehler enthielten wie dieser Blogbeitrag. Nur zur Info: Das verlinkte Blog heißt Kraftfuttermischwerk. Sein Betreiber Kraak, nicht Kaak.
Wurde korrigiert. Danke für die Hinweise.