Iranreise – Teil 4: Von Yazd nach Isfahan

Im vierten Teil des Berichts von meiner Iranreise geht es von Yazd nach Isfahan, von der Wüste in die grüne Oase. Im ersten Teil berichtete ich über Reisevorbereitungen  und Literaturtipps zum Iran, im zweiten Teil über meine Reisegefährten auf der Eisenbahn und im dritten Teil über die erste Etappe, die vom Alborz-Gebirge über Mashhad in die Wüste Lut führte. Und im noch ausstehenden fünften Teil wird es schließlich mit dem Zug von Isfahan nach Shiraz gehen.
Iranreise
Im vierten Teil dieses kleinen Berichts von meiner Iranreise geht es nach Yazd und Isfahan.

Die Wüstengroßstadt Yazd: das Zentrum der Zoroastrier

Die von Alexander dem Großen gegründete iranische Wüstengroßstadt Yazd ist das Zentrum der Zoroastrier. Der Zoroastrismus ist die älteste monotheistische Religion der Welt, die ein zentrales heiliges Buch kennt. Sie wurde etwa 700 Jahre v. u. Z. von Zarathustra begründet.
Zarathustra
Zarathustra wird häufig im Stil eines christlichen Heiligenbildchens dargestellt.
Zahlreiche Kernelemente des Christentums wurden im Zoroastrismus begründet: die Dualität von Gut und Böse, Himmel und Erde, die Gestalt des Erlösers, die Jungfrauengeburt usw.
Auch das Verbot Gott abzubilden gibt es hier bereits.
Feuertempel in Yazd (Iran)
Der zarathustrische Feuertempel in Yazd.
Gott wird symbolisiert vom Feuer, das als “Ewiges Licht” im Feuertempel in Yazd angeblich seit mehr als 2.000 Jahren ununterbrochen brennt.
Feuertempel
Die Ewige Flamme im Feuertempel erinnert stark an das „Ewige Licht“ in katholischen Kirchen.
Das Copyright der meisten kultischen Handlungen der christlichen Kirchen liegt weder in Rom, noch in Konstantinopel oder Wittenberg, sondern – im Iran. Übrigens: Heute gibt es vielleicht noch 200.000 Zoroastrier – Freddy Mercury war einer von ihnen. „Also sprach Zarathustra“ – gelesen hat dieses Buch für Alle und Keinen – so der Untertitel – von Friedrich Nietzsche kaum jemand. Den Titel aber kennt jeder. In Yazd lernt man, dass das Schweigen Zarathustras viel spannender ist, als das Sprechen. Und das hat mit dem Totenkult dieser Religion zu tun. Das Feuer ist das wichtigste der vier heiligen Elemente – neben Wasser, Luft und Erde. Rein aber sollen alle diese Elemente gehalten werden. Tote aber sind erstmal eher unrein. Deshalb wurden die Toten der Zoroastrier erstmal in Waschhäusern gereinigt.
Waschhäuser
Waschhäuser am Schweigeturm im iranischen Yazd
Anschließend wurden sie von Priestern auf einen Berg getragen, auf dessen Gipfel ein Schweigeturm stand.
Schweigeturm im Iran
Zoroastrischer Schweigeturm
Die oberste Etage des Schweigeturms bestand aus einer offenen Plattform, in deren Mitte sich ein großes Loch befand. Die Toten wurden nun auf diese Plattform gelegt und den Geiern überlassen. Die Vögel knabberten an den Leichen bis nur noch die fein abgefieselten Knochen übrig waren. Diese Knochen waren dann rein und konnten der Erde überantwortet werden. Sie wurden schließlich in das Loch in der Mitte der Plattform geworfen.
Schweigeturm
Auf der oberen Plattform des Schweigeturms wurden die Leichen den Geiern überlassen.
Dieser Bestattungskult wurde noch bis in die 90iger Jahre des 20. Jahrhunderts gelebt und gestorben. Anscheinend haben die Geier aber doch zuviel über der nahen Stadt Yazd fallen lassen. Jedenfalls wurde vor wenigen Jahren ein kleiner langweiliger Friedhof neben den Schweigetürmen angelegt. Yazd besteht aber nicht nur aus Feuertempeln und Schweigetürmen. Die Stadt hat eine wunderschöne Altstadt, die noch stark von Lehmbauten geprägt ist. Neben dem Bewässerungssystem sind vor allem die Windtürme ein wichtiges technisches Merkmal der Wüstenmetropole.
Windtürme in der iranischen Wüste
Zahlreiche Windtürme in der Wüstenstadt Yazd fangen den Wind ein und leiten den in den Lehmtürmen abgekühlten Luftstrom als ökologische Klimaanlage durch die Gebäude.

Isfahan ist die Hälfte der Welt

Isfahan ist mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern die zweitgrößte und vielleicht schönste Stadt des Iran. „Isfahan ist die Hälfte der Welt“ sagt ein persisches Sprichwort. Seine Glanzzeit erlebte Isfahan unter den Safawiden (1501–1722), die Isfahan 1598 zu ihrer Hauptstadt machten und durch zahlreiche Paläste, Moscheen und Gartenanlagen verschönten. Mittelpunkt der Stadt ist der Imam-Platz, nach dem Platz des himmlischen Friedens in Peking, der zweitgrößte Platz der Welt. Der Platz ist ringsum bebaut. An drei Seiten wird er beherrscht vom Königspalast Ali-Qapu-Palast, der Lotfullah-Moschee und der Königsmoschee.
Imamplatz in Isfahan
Der Imamplatz, früher Königsplatz, in Isfahan ist Weltkulturerbe, zweitgrößter Stadtplatz der Welt und schlicht und ergreifend wunderschön.
Imamplatz
Szene auf dem Imamplatz, dem grünen Herzen Isfahans.

Exkurs: Im Gespräch mit jungen Iranern

Wer über den Isfahan-Platz geht wird dort nicht nur Touristen treffen, sondern vor allem zahlreiche Einheimische. Und er wird sie kennen lernen, jedenfalls ein wenig. Wir wurden immer wieder von v.a. jungen Iranerinnen und Iranern angesprochen: „Wo kommt Ihr her?“ „Gefällt Euch der Iran?“ Aber auch „Für Besucher mag der Iran schön sein. Ich will hier nur weg.“ Ein junge Iranerin erzählte uns ungezwungen, dass sie am liebsten in die Türkei oder nach Amerika auswandern würde. Türkei oder Amerika … eine auf den ersten Blick seltsam breite Auswahl. Aber die Türkei ist das Land, das für zahlreiche Iraner erreichbar ist. Die Oberschicht verbringt ihren Urlaub gerne in der Türkei oder in den Emiraten. Die USA aber sind der große Traum. Dort sieht es so aus, wie in den amerikanischen Fernsehserien, die unter der Ladentheke gekauft und getauscht werden.   Viele junge Iraner wollen aber auch nur ihre Englischkenntnisse im Small Talk mit den europäischen Touristen trainieren – und Selfies mit diesen exotischen Geschöpfen machen. Angesichts der deutlich überalterten bildungsbürgerlich dominierten Zusammensetzung europäischer Touristengruppen bin ich dann aber doch ein wenig in Sorge, über das Europa-Bild, das in den Köpfen der jungen Iraner/innen sich derzeit entwickelt. Ich fürchte, im Iran vermutet man, dass die Menschen in Europa mit grauen Haaren und einem Baedeker in der Hand auf die Welt kommen. Dass der ganze alte Kontinent so aussieht, wie die Gruppe meiner Gefährten: eine Ansammlung von Mr. Livingstones, rheinischen Wiedergängern, Gimlis und Balins, Opa Hoppenstedts und ostpreußischen Landadligen – ein einziger großer Fellini-Film!

Die architektonischen Höhepunkte des Imam-Platzes

Der Königspalast Ali Qapu, Hohe Pforte, bildet einerseits das Tor zwischen dem Gartenpalast der 40 Säulen und dem Imam-Platz, und andererseits eine Repräsentationstribüne mit Blick auf den großen Platz, der einst dem königlichen Polo-Spiel diente.
Isfahan
Der Königspalast in Isfahan.
Die dreidimensionale Deckenstruktur des Musikzimmers im Palast ist eine akustisch ausgeklügelte Architektur. Die klanglich günstigen Nischen, die Flatterechos verhindern, waren früher mit Kunstobjekten bestückt.
Iranreise
Die dreidimensionale Deckenstruktur im Musiksaal des Palastes ist eine bauakustische Meisterleistung.
Isfahan, Iran
Blick vom Palast auf das Bethaus des Königs, die Lotfollah Moschee. Sie ist durch einen unterirdischen Gang unter dem Meidan-e Emam mit der gegenüberliegenden Hohen Pforte verbunden, um die weiblichen Angehörigen der königlichen Familie vor fremden Blicken zu schützen.
Die Lotfollah-Moschee ist ein privates königliches Bethaus und eigentlich keine Moschee. Sie verfügt deshalb nicht über ein Minarett. Iranreise
Iranreise, Isfahan
Ein Teil der Decke ist transluzent, so dass die Schwanzfedern des Pfaus, der im Zentrum der Kuppel abgebildet ist, bei richtigem Lichteinfall und Standort zu leuchten scheint.
Iranreise, Isfahan Die Königsmoschee Masdsched-e Emam ist das dritte zentrale Gebäude auf dem Imam-Platz.
Königsmoschee, Isfahan, Iranreise
Die Königsmoschee.
Iranreise, Isfahan
Decke in der Königsmoschee
Vorbeter, Iran
Ein eigens herbeigerufener Vorbeter demonstrierte uns die überragende Akustik in der Königsmoschee.
Auch abseits des Imam-Platzes gibt es viel zu entdecken in Isfahan. Die armenische Van-Kathedrale ist eine der wichtigsten christlichen Kirchen im Iran.  Auffällig sind die Deckengemälde der Kathedrale, nicht nur, weil sie für die Islamische Republik ungewöhnlich freizügig sind, sondern auch weil sie verblüffend an Hieronymus Bosch erinnern.
Van-Kathedrale, Isfahan, Iran
Freizügige Bilder im Stil eines Hieronymus Bosch in der Van-Kathedrale.
Die Chadschu-Brücke ist eines der Wahrzeichen der Stadt.
Isfahan, Iranreise
Eine der zentralen Brücken über den Zayandeh Rud, den Fluss, der nur zwei Monate im Jahr Wasser führt.
Der untere Teil der Brücke ist als Aufenthaltsort beliebt. Chadschu-Brücke Iranreise In der Mitte der Brücke befindet sich ein kleiner königlicher Palast mit Aussichtsplattformen. Von hier konnte der König Wettkämpfe auf dem Wasser beobachten.
Chadsu-Brücke, Iranreise
Die Chadsu-Brücke. ist ein beliebter Treffpunkt
der Jugend.
Isfahan liegt an der südlichen Seidenstraße und verfügt selbstverständlich über einen großen Basar, der ebenfalls direkt an den Imam-Platz anschließt.
Basar, Isfahan, Iranreise
Der große Basar in Isfahan zieht sich über viele Kilometer hin.
Basar, Isfahan, Iranreise
Der Goldschläger-Basar.
Basar, Isfahan, Iranreise
Der Gewürz-Basar
Basar, Isfahan, Iranreise
Der Kupferschläger-Basar
Basar, Isfahan, Iranreise
Der Textil-Basar. Die Frauenmode ist ein wenig schlicht …
Basar, Isfahan, Iranreise
Der Bären-Basar. Oder vielleicht doch eher Scharia für Bären?

Die Iranreise neigt sich ihrem Ende zu

Ob die Scharia für Bären gilt – diese und viele andere Fragen will ich im fünften und letzten Teil meines kleinen Reiseberichts aus dem Iran beantworten. Dann geht es auf meiner Iranreise mit dem Zug von Isfahan nach Shiraz. Und es wird Zeit für ein kleines Resumée: Wie geht es dem Iran heute? Renaissance der Seidenstraße oder Achse des Bösen? Klerikale Demokratie oder Diktatur der Mullahs? Eines kann ich schon verraten: Reisen macht dumm! Man kehrt mit weniger Vorurteilen, aber auch mit weniger Urteilen von so einer Reise zurück. Nach der Rückkehr haben sich die Fragen vermehrt, die Antworten leider nicht. Demnächst hier auf Czyslansky.

2 Antworten

  1. Hallo Herr Dr. Kausch,
    ich – inzwischen 77 – habe 2x den Iran auf eigene Faust besucht, 2014 und 2015. Das erste Mal allein, das zweite Mal zusammen mit 3 Freunden (die sich so eine Reise ohne Reisegruppe nicht zugetraut hätten). Beim ersten Mal habe ich überwiegend bei Couchsurfing-Gastgebern übernachtet, wurde von weiblichen Mitreisenden in Zügen und Bussen eingeladen, ein paar Tage in den jeweiligen Familien zu bleiben und manchmal habe ich, ganz ohne Probleme, auch im hübschen Hotels gewohnt! Dabei waren 2x umgebaute Karawansereien (Yazd und nahe Ardebil), 2x kleine Stadthotels (Tehran und Rasht),1x ein wunderbares altes Herrenhaus, das die Besitzer zu einer Pension umgebaut haben (Esfahan), aber NIE irgendwelche umgebauten früheren westlichen ‚Kettenhotels‘. Also Hotels für Individualreisende gibt/gab es schon genügend…
    Das Autofahren habe ich mir (sonst bei meinen Reisen meist mit Leihwagen unterwegs) im Iran nicht zugetraut – das war mir dann doch zu chaotisch 🙂 – aber Züge und komfortable Langstreckenbusse waren für meine Strecken ausreichend. Ganz selten habe ich mir mit (Long Distance) Taxis beholfen.
    Meine Tour ging von Tehran erst mit dem Zug durch eine unglaubliche Gebirgslandschaft nach Sari am Kaspischen Meer, dann mit dem ÖPNV an der Küste entlang erst nach Rasht (mit Besuch von Masuleh) und weiter über die Lagune von Anzali nach Ardebil. Ardebil deswegen, weil ich von den „Nomaden-Wanderungen“ von den Winterquartieren auf die Sommerweiden gehört hatte. Dieses Schauspiel, u.a. auch noch mit einem Pferderennen (das 2014 von einer Frau gewonnen wurde) war diesen Umweg auf jeden Fall wert, wie auch die Stadt und die Landschaft ringsum!
    Über Täbris ging es auf Umwegen (u.a. über Quazvin und Zanjan) mit Bussen zurück nach Tehran, von wo ich den üblichen Nachtzug nach Shiraz genommen habe. In Shiraz hatte ich einen ‚Couchsurfing Day Guide‘, der mir mit seinem eigenen Auto nicht nur die Stadt sondern auch viel von der Umgebung (Persepolis und einen Nationalpark) gezeigt hat. Von Shiraz dann mit Bussen über Yazd (wo ich mir per Taxi die Umgebung angeschaut habe), Esfahan (mit Ausflügen u.a. in die ‚Rote Stadt‘ Abyaneh), Kashan (eine wunderbare Stadt voll mit alten Hammams, herrlichen alten Familienresidenzen und ‚Eishäusern‘) und Qom (die zweite ‚Heilige Stadt‘ Irans) zurück nach Tehran – jeweils 4 wundervolle Wochen, geprägt von Gastfreundschaft, Herzlichkeit, unglaublicher Natur und atemberaubender Architektur.
    Eine meiner schönsten (und einfachsten) meiner vielen Reisen in und durch alle Welt!
    Schade, daß es derzeit nicht möglich ist, noch einmal in dieses tolle Land zu reisen 🙁

  2. Hallo Christine, das klingt nach einer tollen Reise. Ich hoffe auch, dass es eines tages wieder möglich sein wird den Iran zu besuchen. Diese Hoffnung hab ich natürlich nciht nur für uns Reisende, sondern vor allem für die Menschen im Iran, die um ihre Freiheit kämpfen. Seit meiner Reise unterstütze ich den Verein Nothilfe e,V,, der sich um politische Häflinge im Iran kümmert. Vielleicht interessiert Sie das ja auch: https://www.vfnothilfe.de/. Ich habe die Organisation auch hier im Blog schon vorgestellt: https://www.czyslansky.net/zwischen-cia-kampagne-stalinismus-und-menschenrechtsorganisation/.

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