Er beschreibt diese Brückenfunktion für die Küche und für die Musik, für die Hautfarben der Menschen und für ihre Gesten. Er beschreibt Marseille als ewige Stadt des Exils, des Einwanderns und Auswanderns, der kulturellen Vermischung und Anreicherung. Er beschreibt Marseille als multikulturelle Stadt und sich selbst als Kind multikultureller Einflüsse.
Es gibt eine Stelle, in der er sich als Reisenden und Lesenden beschreibt und die mir besonders gut gefällt und dich ich gerne hier zitieren will und gegen die neualtmodische und neonationalistische Anbiederei an AfD und Front National stellen will:
„Das Blut, das in meinen Adern fließt, stammt nicht von einer Rasse, aus einem Land oder von einem Boden. Und auch nicht aus einer Nation. … Anderswo zu sein, ändert alles. Man sieht die Welt anders. Ich meine, dass ich überall zu Hause bin. Selbst in jenen Ländern, deren Sprache ich nicht beherrsche. Es genügt mir, einen Reisebericht oder einen Roman eines Schriftstellers zu lesen, um mir sein Territorium und seine Erinnerungen anzueignen. Und schon werde ich zu seinem Zwilling. Dieses Gefühl habe ich zum ersten Mal empfunden als ich die „Heimkehr nach Tipasa“ von Camus las. Ich fühlte mich als Algerier. Später, nicht sehr viel später fand ich mich in Äthiopien wieder. Genauer gesagt, in Harar. In Fortsetzung von Rimbaud. Ich war kaum zwanzig Jahre alt. Ich hatte etwas von der Freiheit des Umherirrenden gelernt, die darin besteht, unterwegs zu sein, nicht um zu entdecken, Leute zu treffen und Wissen zu sammeln, sondern um im anderen aufzugehen und in seinen Augen jene andere Welt zu sehen, aus der man kommt. Somit bin ich auch Äthiopier gewesen. Eine Nacht in Kairo bin ich Ägypter gewesen. Und Türke mehrere Male. Aber auch Ire, und aus Liebe Argentinier. Es kommt noch oft vor, dass ich Italiener oder Spanier bin. …
Ich würde es gern glauben …, dass es zu nichts Nutze ist woanders hinzugehen, wenn man sich nicht im anderen wiedererkennt. Ich glaube, deshalb sehen die meisten Ferienlager so aus wie befestigte Lager. Man ist nicht darauf aus, den anderen zu treffen. Man will nur, was ihm gehört. Sein Meer, seine Stränge, seine Kokospalmen. …
Ich hole meinen Pappkoffer heraus und träume davon loszuziehen. Um sie [die anderen] zu treffen und zu teilen, was uns gemeinsam ist: das Glück der Welt. Dieses Glück, das ich verspüre, wenn die Luft stillsteht und ich an heißen Sommertagen in die Haut eines Indianers schlüpfe, indem ich Louis Owens lese.“
Und WIR streiten über kulturelle Aneignung und Liedtexte von Udo Lindenberg. Wie dumm und kläglich …
Wer darüber hinaus wissen will warum Knoblauch in die Küche gehört wie die Zwiebel und was eine gute Bouillabaisse ausmacht, der lese diesen … äh … Reiseführer, nein, diese Liebeserklärung an Marseille: Jean-Claude Izzo: Mein Marseille, Unionsverlag.
2 Antworten
„Ha!“ möchte ich begeistert aufschreien und in die Hände klatschen. „Endlich.“
Zwar ist es wieder, wie so oft, ein Buch, von dem ich noch nie gehört habe.
Aber in Marseille, da war ich schon mal
Wenigstens was.
Und, lieber Lutz: Hast du Tipps für Marseille? Deinen Ratschlägen würde ich in vielen Kategorien folgen 😉