Amor und das Internet

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Liebe ist machbar, Frau Nachbar, und zwar mehr denn je seit es das Internet gibt. Vielleicht sogar erst seit es das Internet gibt. Denn vorher war die notwendige Voraussetzung für Liebe machen, nämlich die Partnersuche, komplett dem Zufall überlassen. Und selbst wenn man die Passende gefunden hatte, gab es ja noch das eigentliche Hauptproblem, nämlich die Frage: Wie kriege ich sie rum? Dazu hätte man die Dame ja erst einmal ansprechen müssen, aber es ist nun mal nicht jedem die Gabe der flüssigen Rede unter Einsatzbedingungen gegeben. Und so saß man halt weiterhin alleine vor seinem Bier und dachte an Karl Valentin und seinen Spruch: „Möchten hätten wir schon gewollt, nur dürfen haben wir uns nett getraut…“

Und heute? Flink die Computermaus gezückt und dann ran an die Mäuschen! Das Online-Geschäft mit der Liebe boomt. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise machen Singlebörsen, Partnervermittlungen, Dating-Portale und Seitensprung-Dienste mehr Umsatz als je zuvor. Henning Wiechers, der als profunder Kenner der Branche gilt, schätzt, dass die Deutschen letztes Jahr mehr als 160 Millionen Euro ausgegeben haben, 20 Millionen mehr als im Vorjahr. Mehr als 2.000 einschlägige Angebote listet seine Website „singleboersen-vergleich.de “ auf, wobei die größten wie Neu.de , Parship oder Friendscout24 (Motto: „Wir verlieben dich!“) längst Millionen von Menschen bei der Suche nach Zuneigung, Zärtlichkeit, Geborgenheit oder von mir aus auch nur wildem Sex behilflich sind. Und sie sind sehr, sehr erfolgreich – wirtschaftlich, jedenfalls. Was die Jungs von den so genannten Social Networks wie Facebook, Twitter oder YouTube erst mal nachmachen müssen.

Es ist auch ganz klar warum. Partner-Portale leisten einen unverzichtbaren Dienst, weil sie das störende Element des Zufalls bei der Liebessuche ausschalten. Statt stundenlang in einer rauchigen Kneipe zu sitzen in der Hoffnung, die Tür geht auf und SIE kommt rein, sitzt man zu Hause gemütlich am PC und sichtet erst mal so das Tagesangebot.

Das heißt: Zu allererst einen Benutzernamen aussuchen. „Tim Casanova“ klingt doch vielversprechend, oder? So, und nun das Wichtigste: Männlein oder Weiblein? Oder ist das vielleicht egal? Nun zur Grundausstattung: Blond? Brünette? Vielleicht doch lieber eine Rothaarige?  „Mögen Sie einen bestimmten Typ?“, fragt die Maschine und fordert mich auf, das Aussehen meines Wunschpartners im Detail zu beschreiben. „Schlank“? „Athletisch“? „Ziemlich stattlich?“ Oder vielleicht doch lieber ganz „normal“? Augenfarbe, Erscheinungsbild („modisch“, „lässig“, „alternativ“), langsam engen wir die Auswahl ein.

Aber nicht so hastig, es gibt ja außer dem schönen Schein noch die eher profanen Dinge zu klären: Familienstand, Kinderwunsch, Schulabschluss, eigener Haushalt vorhanden. Irgendwie war das früher einfacher. „Zu dir oder zu mir?“ Ach wie waren wir naiv damals…

Ja, und dann noch die wichtigste Frage von allen: das Einkommen! Wer hier „bis 13.000“ ankreuzt, hat wahrscheinlich schon verloren. Also vielleicht lieber „71.000 und mehr“? Aber was ist, wenn die Holde beim ersten Treff die Steuererklärung sehen will? Da kann Amor noch so um sich schießen, an der Erotik-Front bleibt alles ruhig.

Stimmt die Kohle, können wir uns noch um die Details kümmern wie zum Beispiel die Frage nach dem Raucherstatus („“regelm. Raucher“, „gelegentl. Raucher“, „“Nichtraucher“), nach dem Fitnesslevel („topfit“, „gut in Form“, „untrainiert“) und der Lieblingsküche („Italienisch“, „Asiatisch“, „gutbürgerlich“). So, damit ist doch eigentlich alles gesagt, nicht wahr? Oder sollte ich vielleicht doch einen richtigen „wissenschaftlichen Persönlichkeitstest“ machen, damit der Computer mir genau sagt, wer zu mir passt und umgekehrt? Vielleicht besser nicht. Ich will die Wahrheit eigentlich gar nicht wisse n…

Die Jungen haben es da leichter. In der Liste von Henning Wiechers finden sie Online-Börsen für jeden Geschmack: „Blinddate-Events“, „Singlereisen“, „Osteuropa-Kontakte“, „Gay-Dating“, natürlich auch Spezial-Singlebörsen für Menschen mit Behinderungen, Kids, ausgeprägte religiöse oder sexuelle Vorlieben („Fetisch-Sexpartner“, „Swinger-Clubs“). Außerdem gibt es nützliche Service-Angebote, zum Beispiel „Top 10 Singlefilme“, „Buchtipps für Singles“ sowie ein „Glossar Online-Dating“, damit man im entscheidenden Moment die richtigen Worte findet.

Denn dieses Problem kann einem auch die beste Single-Börse nicht abnehmen: Irgendwann muss man sich treffen, wenn es zum großen Glück oder von mir aus auch nur zum kurzen Schnacksler kommen soll. Und da kann am Ende alles noch in die Hose gehen (Verzeihung, sollte man vielleicht anders formulieren), wenn man keine Ahnung hat von, na was schon, vom Flirten, natürlich! „Du kannst die tollste Frau der Welt kennenlernen und trotzdem komplette Schieße bauen wenn du nicht weißt, was du ihr sagen sollst“, glaubt Mark Brooks, ein Brite, der sich als „Online Dating Consultant“ bezeichnet. Er arbeitet in London für den britischen Ableger der US-Firma „Love Systems “, und sein Job ist es, Leuten das Aufreißen beizubringen. Bei ihm sitzen meist erwachsene Männer in der Schulbänken und pauken Humor. Das Fach heißt tatsächlich:„How to be funny“. Brooks bietet auch Kurse in Selbstbewusstsein, persönliche Finanzen und Zähneputzen an.  Für einen dreitägigen „Boot Camp“ verlangt er 3,000 Pfund. Die Nachfrage ist enorm.

Auch in Deutschland gibt es Seminare für Leute, die im Internet auf Partnersuche sind und fürchten, in der Stunde der Wahrheit zu versagen. Ein gewisser Axel J. Grätzner verspricht über seine Website „flirterfolg.eu “ zum Beispiel „500% mehr Erfolg beim Objekt der Begierde“ und verrät „geheime Flirtstricks bei Mail, Chat & Brief“. Er bietet allerdings auch Seminare an zum Thema „Finanzielle Freiheit – wie Sie ohne Risiko 10-12% Zinsen für ihr Geld schaffen“, also ist er entweder ein Allroundtalent oder ein Scharlatan. Immerhin ist er selber offenbar von seinen Fähigkeiten überzeugt, denn er offeriert nichts weniger als eine „sensationelle Methode und psychologische Kniffe, die Ihnen die Augen öffnen werden. Garantiert!“

Ich kann da nur vom Glück reden, dass ich seit 25 Jahren bestens verheiratet bin, wobei ich meine Frau noch ganz altmodisch ohne Internet gefunden habe. Ich gebe zu, dass es ein Glückstreffer war. Wer weiß, was wäre, wenn ich heute noch einmal von vorne anfangen müsste. Wie sagt meine Frau doch immer: „Wenn einer von uns stirbt, gehe ich in die Schweiz.“ Vielleicht geht sie besser ins Internet.

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